Warum die Evangelisten Markus und Johannes von diesem freudig staunenden Willkommensgruß der Welt, den wir Weihnachten nennen, keine Notiz nahmen, bleibt ein weihnachtliches Geheimnis, mit dem wir uns heute näher auseinandersetzen sollten. Warum wollten sie nicht über dieses im Judentum stattfindende Initialereignis für das Christentum berichten? Wir wissen es nicht und können darüber nur spekulieren. Ich jedenfalls könnte mir vorstellen, dass sie den »Wirbel« um Weihnachten prophetisch ahnten und dem Christkind die Gefahr, in diesem Wirbelsturm verloren zu gehen, ersparen wollten.
Eins, zwei, drei im Sauseschritt …
Ob wir wollen oder nicht, wir sind unlösbar an die Zeit gefesselt, und so kommt es, dass das, was gestern nicht einmal gedacht werden durfte, heute als Hoffnungsschimmer im Dunkel der aus den Fugen geratenen Welt erscheint. Man redet miteinander! Da sitzen plötzlich zwei alte Herren bei freundlichem Gespräch beisammen: der Papst mit dem alten Castro. Da schütteln die Herren Obama und Putin einander, wenn auch mit steinerner Miene, wieder die Hände. Und aus Wien verkündet namens der EU die Außenbeauftragte Mogherini, dass es nach 13 Jahren gelungen sei, im Atomstreit zwischen dem Iran und dem Westen einen Konsens zu erreichen. Drei Beispiele, von denen zwar niemand sagen kann, ob sie halten, was sie versprechen, die aber ein sicheres Zeichen dafür sind, dass sich in der großen Welt nicht nur das Klima ändert.
An unserem schönen Winzigerdteil aber scheint der Zug der Zeit vorbeigefahren zu sein. Unsere Repräsentanten in Parlament und Regierung beharren unbeirrbar auf Uraltprinzipien. Sie halten an einst erfolgreichen Traditionen fest und verwechseln Charakterstärke mit Altersstarrsinn. Die Bevölkerung aber hat angesichts des Flüchtlingsdesasters ganz unerwartet bewiesen, wie effizient sie imstande ist, beim Lösen von Problemen mitzuhelfen. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Das hat schon die Ingeborg Bachmann immer gewusst.
Dialoge und Monologe haben eines gemeinsam: das Wort. Im ersten Fall sucht es das Gegenüber, im zweiten genügt es sich prinzipiell selbst. Monologe sind Selbstgespräche, in denen Rede und Gegenrede zugunsten einer einseitigen Anrede aufgegeben werden.
Damit Worte auch Gedanken in Bewegung setzen können, bedarf es einer Gesprächskultur. Ohne eine solche können Wörter kaskadenhaft aus einem purzeln, ohne dass dabei etwas herauskommt. Allerdings hege ich den Verdacht, dass genau das, nicht nur bei Politikern, der Zweck der rhetorischen Pflichtübung ist. Reden als Ablenkungsmanöver gewährt, dass das zu Besprechende nicht angesprochen wird. Wer eine Sache zerredet, erspart sich, über sie sprechen zu müssen. Das zu Verschweigende wird mithilfe der Worte verschwiegen.
Und deshalb plädiere ich für einen regen, gepflegten Gedankenaustausch auf Basis gegenseitiger Wertschätzung. Kein Zuhörender möchte plakativ angelogen oder gar hintergangen werden.
Das Sich-Entledigen von ichbezogener Information ergibt eine Müllhalde an egozentrischen Mitteilungen, aber noch kein Gespräch. Gespräch ist und bleibt ein Austausch gleichberechtigter Kommunizierender, die nicht nur etwas zu sagen haben, sondern vom Gesprächspartner auch etwas hören wollen. Wer immer nur selbst zu Wort kommen möchte, muss den anderen entweder mundtot machen oder Selbstgespräche führen. Doch gerade Selbstgespräche setzen einen klugen Partner voraus. Ob aber wirklich kluge Menschen Selbstgespräche führen?
Selbst denken empfohlen
Während im grundbürgerlichen Graz bei den Gemeinderatswahlen die Kommunisten zur zweitstärksten Partei aufgestiegen sind, überlegen engagierte Spindoktoren, wie man nachlesen konnte, für jede einzelne unserer Ex-Großparteien, wie weit man sich gegebenenfalls nach rechts verbiegen könnte, um in neufärbiger Koalition nach den nächsten Nationalratswahlen weiter mitrudern zu können. Angesichts des Wählerverhaltens in Graz, einer Stadt, die für KP-Ideologie nie anfällig war (ganz im Gegenteil bekanntlich), wären unsere Ex-Großparteien gut beraten, ihre Spindoktoren heimzugeigen und wieder selbstständig denken zu lernen. Dann würden sie bald draufkommen, womit es der rührigen KP-Chefin gelungen ist, mehr als 20 Prozent der rosa und schwarzen Mittelständler dafür zu gewinnen, »ein Stück des Weges mit ihr gemeinsam zu gehen«.
Der alte, kluge Fuchs Kreisky mag wohl ihr Lehrmeister gewesen sein: Jeder Bürger des Landes konnte seine Privatadresse samt Telefonnummer im amtlichen Telefonbuch finden. Ihn zu erwischen, war allerdings schwer, aber immerhin: Es lag im Bereich der Möglichkeit, und, wie man hörte, mit viel Glück und Geduld ist es auch tatsächlich gelungen.
Am Anfang war der Gedanke und nicht das Wort. Das sagen uns die Psychologen, und wir sollten es ihnen mit aufklärerischer Skepsis glauben. Schon deshalb, weil das Nichtdenken unmöglich ist, da man es nur durch bewusstes Denken ausschalten kann. Und das ist die Krux an der Sache, dienen doch 99 Prozent der Gehirnleistung dazu, den Laden in Gang zu halten, und nur ein mickriges Prozent, um die auf uns einwirkenden 11 Millionen Reize pro Sekunde zu verarbeiten. Dass das funktionieren kann, liegt daran, dass unser Hirn ein Sieb ist, welches das Unnötige herausfiltert, um uns mit dem Rest eine vermeintliche Realität vorzutäuschen.
Wir können von Glück sprechen, dass uns die Evolution diese vorgetäuschte Wirklichkeit auch als Täuschung erkennen lässt. Wenn dem nicht so wäre, wäre uns ein gesellschaftlich relevantes Denken nicht möglich, und wir würden alles für bare Münze nehmen.
Dass Denken die Welt zu einer besseren macht, ist eine Mär. Das Denkvermögen vieler Menschen führt oft in eine gedankliche Pleite. Wer dem Schwarz-Weiß-Denken den Vorzug gibt, erspart sich die belastenden Zwischentöne des Differenzierens. Und wer das Um-die-Ecke-Denken forciert, vergewaltigt das Nervenkorsett der anderen, ohne das Problem zu bewältigen. Mit dem Sich-nichts-dabei-Denken erhält man unwidersprochen seine Unbekümmertheit und mit einem Nicht-daran-zu-Denken das insgeheim angepeilte Argument, alles so zu belassen, wie es ist. Doch die Ritter der allertraurigsten Gestalt sind jene, die das Altabgelagerte in ihrem Gehirn immer wieder bestätigen, damit die daraus gefassten Meinungen nicht überdacht werden müssen.
Die Milch der frommen Denkart
Endlich ist es der EU mithilfe ihrer Fachexperten nach ernsthafter, gründlicher Prüfung gelungen, für eines der brisantesten Themen unserer derzeitigen Situation eine einstimmige Lösung beziehungsweise Verordnung zu erreichen. Das Resultat ihrer Bemühungen ist ebenso sensationell wie die daraus abzuleitende Meinung der EU vom Intelligenzgrad ihrer Bürger, sprich: Wähler. Es handelt sich um die verbindlich geltende Anordnung, dass ab sofort mit dem Begriff »Milch« nur die aus einem Euter, einer Zitze oder Brust abgezapfte Flüssigkeit bezeichnet werden darf, zum Schutze der Fauna-Milch und der EU-Bürger, da diese sonst annehmen könnten, dass auch Soja-, Bräunungs-, Rosen- und sonstige Milche ein eutergemolkenes Produkt sind.
Es ist schon mehr als beängstigend, dass die EU auch in Chaoszeiten wie diesen − ähnlich unserer glorreichen Koalitionsregierung – fröhlich weitermacht wie bisher: mit Bevormundungen, Überregulierungen, unbelehrbar und uneinsichtig. Da kann der allmählich hoffnungslose Bürger wirklich nur noch die Schiller’sche »Milch der frommen Denkart« trinken, sich der Sommersonne erfreuen und sich dafür ordentlich mit Sonnenmilch einschmieren.
Am Anfang der Zivilisation war das in Worte gefasste und mit Worten gesprochene Recht. Für den nach Gemeinschaft strebenden Menschen die Lösung, um mit seinen aus unterschiedlichen Interessen entsprießenden Konflikten zivilisiert umgehen zu können. Ein Dualismus der besonderen Art, durch den einerseits des Menschen soziale Neigung zum friedvollen Zusammenleben als auch dessen Veranlagung, seinesgleichen vernichten zu wollen, anschaulich wird.
Der Mensch hat bis heute keinen effizienteren Schlüssel für die Entschärfung der stets tickenden Zeitbombe individueller Bedürfnisse und Begierden gefunden. Ohne staatlich erlassene und durch Sanktionen gesicherte Rechtsnormen würde durch das menschliche Streben nach Selbstverwirklichung die Gemeinschaft einer in