XWo Gefahr ist, wächst das Rettende auch!
Mit Dank an die Wiener Rettung
Fußballer helfen »Künstler helfen Künstlern«
So kann Literatur im Alter trösten
Aufforderung zum letzten Walzer
Vorwort
Heinz Sichrovsky
Der Telefonanruf am Sonntag um neun ist eines der Rituale, ohne die mir etwas fehlen würde. »Tobisch«, klingt es da im distinguiertesten Burgtheater-Österreichisch. »Also, ich hätt wieder was verbrochen. Aber ich glaub nicht, dass Sie es nehmen werden.« Dann folgen per Diktat zwölfeinhalb lange Zeilen von einer makellosen Geschliffenheit, einer Eleganz im Durchblick, wie sie heute kaum noch ein professioneller Journalist zusammenbringt.
Anfang 2015 hatte ich ihr den Vorschlag zur wöchentlichen Kolumne im Wochenmagazin NEWS unterbreitet. Ratschläge einer älteren Dame von Welt sollten das sein, tunlichst an jüngere Damen mit Orientierungsproblemen in besagter Welt. Sie sei für das Artikelschreiben nicht gerüstet, versicherte Lotte Tobisch in ihrer Dachwohnung über dem Opernring. Ich müsse ihr die Arbeit schon abnehmen, zumindest die der Feinformulierung und der Endfertigung. Ich habe dieses Verfahren schon erfolgreich mit ungeduldigen Literaturnobelpreisanwärtern gepflogen. Lotte Tobisch hielt es keine zwei Wochen aus. Von den Damenthemen war gleich keine Rede mehr. Die Kolumne wurde hochpolitisch, ein Leuchtsignal der Herzensbildung und die Stimme des Menschenverstandes gegen krawall- wie korrektheitspopulistische Kundgebungen.
Und dieses Wissen! Betörend ist das, mit einem Menschen Umgang zu pflegen, der »Teddy« sagt und keinen vergessenen ORF-General, sondern Adorno meint. Oft schließt die Kolumne mit einem klassischen Zitat, das ich – in Erinnerung an Schulzeiten, zu denen man sich im Literaturunterricht noch an Goethe statt an Leserbriefen erprobt hat – erst selbst wieder aufrufen muss. Als sie nach einem halben Jahr überlastungshalber die Umstellung auf den Vierzehntagerhythmus erbat, tat es ihr schon beim Erscheinen der ersten Konkurrenzkolumne leid. Umso mehr, als die Gage an das von ihr präsidierte Künstlerheim in Baden geht. Alles andere wäre nicht comme il faut für eine Frau von Welt.
Zwei Mal ist die Kolumne ausgefallen. Da kämpfte Lotte Tobisch, die ihre Manuskripte mittels beherztem Zweifingereinsatz einer historischen Olympia-Schreibmaschine abtrotzt, gegen lebensbedrohende Komplikationen nach einem Bruch des rechten Handgelenks. Es war ein qualvoller Genesungsprozess, aber einer ohne Alternative: Dem Künstlerheim die ordnende, beschützende Hand entziehen? Den NEWS-Menschen auf seinen zwölfeinhalb langen – oder 37 kurzen – Zeilen sitzen lassen? Kein Thema für die Wundergeneration der 90-Jährigen, der auch Hugo Portisch und Arik Brauer angehören.
Und, klar, den Opernball hat sie geleitet, 16 außerordentlich erfolgreiche Jahre lang. Selbst kein Ballbesucher, kann ich ihr meine diesbezügliche Bewunderung nur vom Hörensagen übermitteln. Wenn ich mir allerdings den Mythos dieser 16 Jahre vergegenwärtige, in denen der Ball dermaßen bedeutend war, dass es gegen ihn sogar etwas zu demonstrieren gab, dann frage ich mich, ob ich nicht doch etwas versäumt habe. Ob drinnen oder draußen, kann ich mir ja überlegen, wenn das Ehrenamt verrichtet und der Freundschaftspflicht Genüge getan ist: dem Buch der großartigen Lotte Tobisch einen ebensolchen Weg ins Leben zu wünschen.
Zum Geleit
Im Laufe meines langen Lebens habe ich immer gerne geschrieben. In der Jugend romantische Poesie, später Leserbeiträge und Geschichten für diverse Zeitungen zu verschiedenen Gelegenheiten über Allerlei. Das Tippen auf der Schreibmaschine machte mir in jedem Lebensabschnitt großen Spaß.
Als der Amalthea Verlag anlässlich meines 90. Geburtstages im Jahr 2016 ein zweites Buch von mir herausbringen wollte, dachte ich, dass der Moment gekommen sei, um mit dem Schreiben aufzuhören. Hat doch alles, wie ich bei jeder passenden (und zuweilen auch weniger passenden) Gelegenheit gerne betone, seine Zeit. Aber das Schicksal meinte es wieder einmal gut mit mir und brachte Heinz Sichrovsky, Gründungschefredakteur und Kulturchef des Wochenmagazins NEWS, auf die Idee, aus mir, der 90-Jährigen, eine Nachwuchs-Kolumnistin zu machen. Und da ich zu dem Anfangen-zum-Aufhören ohnehin keine wirkliche Lust verspürte, ließ ich mich auf dieses Abenteuer ein.
Seither schreibe ich im Zweiwochenrhythmus Gedanken und Kommentare über Aktuelles und erfahre mit jeder Kolumne, wie das Gestern auf der medialen Schnellstraße vom Heute überholt wird. Soeben gelesene Zeitungen sind heute bedeutend älter als sie es noch in meiner Jugend waren. Und so kam ich auf die Idee, meine »alten« Kolumnen meinen heutigen Überlegungen gegenüberzustellen, um ihre Aktualität wiederzuentdecken. Ich wünsche meinen Lesern vergnügliche Stunden bei der Lektüre dessen, was mir am Herzen liegt und lag.
Ihre
Lotte Tobisch
Wien, im Februar 2019
IDas gehört zu den aussterbenden Möpsen
Ein Mops aus der Stofftiermenagerie, Flohmarkt im Künstlerheim 2018
Der Mops ist auferstanden
Es ist schon wunderbar: Die Möpse feiern endlich wieder fröhliche Urständ. Über Jahrzehnte waren sie aus dem Straßenbild verschwunden, die köstlichen Möpse, ohne die, wie der große Loriot behauptete, das Leben ziemlich sinnlos ist; und die der berühmte Tierleben-Brehm wiederum nicht leiden konnte, weshalb er den Mops als »Altjungfernhund« und als »treues Spiegelbildnis solcher Frauenzimmer« bezeichnete. Es gab sie nur noch als Metapher für Unzeitgemäßes in der Redensart »das gehört zu den aussterbenden Möpsen«. Jeder, der nicht a priori für neue Errungenschaften zu begeistern war − egal, ob es sich dabei um Kleider, Umgangsformen oder Neusprech handelte –, gehörte zu den aussterbenden Möpsen.
Aber wie Figura zeigt, heißt aussterben noch lange nicht gestorben sein. Die witzigen, liebevollen Hundemöpse wie ihre als Menschenmöpse abgestempelten Freunde erfreuen sich bester Gesundheit. Es ist zu hoffen, dass die Mops-Wiederentdeckung auch manch andere Wiederentdeckung