Wie wir wissen, kam alles anders. Machen wir daher nicht denselben Fehler wie unsere Vorfahren und betrachten wir die Unzulänglichkeiten früherer Zeiten mit dem Bewusstsein, dass auch wir auf unserem Weg zur vermeintlich »besten Welt« nicht vor großen Irrtümern gefeit sind. Insofern hat Kaisers Geburtstag uns heutigen in Europa lebenden Österreichern noch Zukunftsweisendes zu sagen.
IIAm Anfang war das Wort …
Altmodisch und verlässlich
Eins zu null für den IS
Im Anfang war das Wort. Und alles, was seither geschah, begann immer mit einem Wort, einem bedachten oder unbedachten, in böser oder guter Absicht oder einfach nur so dahingesagt. Kaum wahrgenommen, ist es meist schon untergegangen im Meer von Druckerschwärze und pausenlosem TV-Parteigeschwätz.
Aber als ein besorgter Volksnah-Minister aus einem Nachbarland ein viel umfassenderes Zivilschutzprogramm einforderte und seinen Wählern empfahl, neben den üblichen Vorräten eine größere Menge Trinkwasserflaschen einzulagern, und dann noch wohlversorgte Großmütter aufgeschreckt »Das ist ja wie im Krieg!« ausriefen, da schafften die Wasserflaschen, was nicht einmal den Gräuelbildern von Terror und Flüchtlingselend gelang: Eine Handelskette bietet Familiennotstandspakete zu günstigen Preisen, die Anzahl von Ansuchen um Waffenbesitzerlaubnis hat sich verdoppelt, die Jiu-Jitsu-Selbstverteidigungskurse sind heillos überfüllt und so weiter.
So wird frei nach Schiller »mit Entsetzen Scherz getrieben«. So wird durch Verunsicherung und Angstmacherei jenes Eigentor geschossen, das dem IS-Terror zu einem sicheren, mühelosen eins zu null verhilft.
Worte sind noch keine Taten, sondern deren Wegbereiter. Vor allem dann, wenn sie auf unserer geistigen Leinwand Bilder malen. Wer das weiß und die Maltechniken dafür kennt, kann die Wirkung seiner hingepinselten Worte in hohem Maße selbst bestimmen.
Doch zum Leid der Demokratie lässt sich das Volk gerade mit solchen Worten vortrefflich einfangen. Politiker, die im Wahlkampf mit Fakten punkten wollen, erkennen spätestens am Wahlabend, wie wahlentscheidend Bilder und nicht Fakten sind. Man denke an Donald Trumps Wahlerfolg mithilfe chaotisch zusammengewürfelter Metaphern wie »China vergewaltigt unser Land, aber wir halten alle Karten in der Hand, vergesst es nicht!«. Ein metaphorischer Unsinn, der dem frisch von der Leber weg sprechenden Amerikaner den Anstrich von Authentizität verlieh und zum Wahlsieg verhalf.
Populisten bedienen sich aus dem Füllhorn des Populären, was dem Populus nicht unsympathisch ist. Hinzu kommt, dass (angebliche) Nichtpopulisten ihren populistisch agierenden Widersachern allzu unüberlegt die Kunst der Verführung mit Halbwahrheiten und Sprachbildern vorwerfen, selbst aber auch nichts weiter als die Macht durch den Populus gewinnen möchten. Ein im Geiste der Aufklärung schwieriges Unterfangen, gehorcht doch die Masse viel eher archaischen Gesetzen als der Vernunft.
Bildliche Zuspitzungen sowie tabubrechende Prahlerei sollten im Idealfall nie zur Methodik eines Wahlkampfes werden, sonst verkommt der dadurch in den Wahlzellen stattfindende Stimmengewinn schneller als uns allen lieb sein kann zu einem demokratiepolitischen Verlust.
Weniger reden, mehr sagen
In der letzten Zeit gab es wichtige Wahlen in der großen Welt und nun auch bei uns in der kleinen. Angesichts des gegenseitigen Kandidatenschlachtens fragt sich der nicht beruflich mit Politik befasste Bürger immer öfter: Was haben die persönlichen Lagerkämpfe, diese unzeitgemäße Parteienmentalität, dieses Siegen um jeden Preis mit uns Normalbürgern, unseren Problemen zu tun? Und was bedeutet heute noch, Sieger zu sein, seit Siegen und Gewinnen längst nicht mehr identisch sind in unserer verzahnten und vernetzten Welt, wo jeder und alles aufeinander angewiesen ist wie nie zuvor? Sind diese teuren Lagershowkämpfe überhaupt noch sinnvoll, wenn die Protagonisten in ihren Über- und Untergriffen letztlich nur jene Beleidigten und Vergifteten zurücklassen, mit denen sie, nolens volens, nach der Wahl wieder im gleichen Staatsboot rudern wollen und müssen?
Es ist höchste Zeit, sich wieder einmal einer nachahmenswerten Begebenheit zu erinnern: Da trafen sich vor eineinhalb Jahren nach tausendjährigen feindseligen Glaubenskämpfen der russischorthodoxe Patriarch und der römische Papst Franziskus zum Gespräch, zum Gedankenaustausch – in Kuba, beim militanten Atheisten Castro. Immer noch gilt: Im Anfang war das Wort.
Ja, am Anfang war das Wort und später das World Wide Web, in welchem wir uns wie Fliegen im Spinnennetz verfangen haben. Darunter lauert, wie einst im Garten Eden, unerschrocken die Schlange der Verführung, die uns heute keinen Apfel, sondern den Zwang mithilfe des Internets schmackhaft machen will. Zeitzwang, Informationszwang und Mitteilungszwang sind aber keine guten Voraussetzungen für eine freie demokratische Gesellschaft. Denn Wahrheit lässt sich trotz aller Digitalisierung nicht erzwingen und braucht, wie das am Anfang stehende Wort, ihre Zeit.
Als der Mensch noch nicht auf das Geplauder der Schlange gehört hatte, war das Wort klar, deutlich, wahrhaftig und unmissverständlich. Das Lügen mithilfe der Worte war unbekannt, da noch nicht vonnöten, die beschönigenden, verhüllenden, mildernden Worte nicht weniger fremd, da man Gedachtes aussprechen und nicht verhüllen wollte.
Die Worte des Anfangs dienten der Mitteilung und nicht dem redseligen Geschwätz. Sie wurden gebildet und nicht von Managern und deren Spindoktoren kreiert, um einen elitär-intellektuellen Eindruck zu erwecken. Das Wort verhalf dem kommunizierenden Menschen, seinen geheimsten Gefühlen und Gedanken eine materiell übertragbare Existenz zu verleihen und auf diese Weise ein rätselhaftes Eigenleben.
Aber je nachdem, wer sich ihrer bedient, blühen und welken Worte wie Blumen auf den Feldern. Oft verkommen sie zu Worthülsen und abgedroschenen Phrasen, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass jeweils Sprechende nichts zu sagen haben.
Denken sollte Pflichtfach werden
In einer funktionierenden Demokratie ist es erlaubt, alles zu tun, zu lassen, zu schreiben und öffentlich zu denken, was nicht per Gesetz verboten ist. Das lernt man schon in der Schule, und das ist gut so. Weniger gut ist, dass man – wie Figura zeigt – nicht gleichzeitig lernt, dass man nicht alles, was erlaubt ist, auch machen soll und darf. Denn für die Folgen ist im Sinne des Soziologen Max Weber nicht die Gesinnungsethik zuständig, sondern die Verantwortungsethik.
Die Schulverantwortlichen aller Länder sollten raschestens zur Kenntnis nehmen, dass die großen Probleme auf der Welt weder via iPhone mit zweimal Tastendrücken noch mit spektakulären Provokationen lösbarer werden, sondern nach wie vor über den mühevollen Weg des verantwortlichen Denkens. Und wir hier im Lande sollten schleunigst mit dem 40-jährigen parteigesteuerten Schulversuchsgerangel und der Massenproduktion von identischen Schulkinderversuchskaninchen aufhören. Als neues Pflichtfach sollte vielmehr selbstständiges Denken mit den Sparten Nachdenken, Bedenken, Überdenken in den Lehrplan aufgenommen werden. Anderenfalls werden die ständig beschworenen Begriffe Menschenwürde, Toleranz, Respekt und das ach so christliche Abendland endgültig zu sinnentleerten Mantras verkommen.
Menschen haben zu allen Zeiten über das Denken nachgedacht. Für Buddhisten ist der Mensch das, was er denkt, da seine Gedanken die Farbpalette seines Weltbilds sind. Die Farben, welche ihm zur Verfügung stehen, werden maßgeblich von subjektiv-kulturellen Traditionen bestimmt. Wie bereits die den Buddhismus ergänzende