Das Licht ist hier viel heller. Mareike Fallwickl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mareike Fallwickl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783627022747
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und tiefere Falten, die Speckrollen wuzeln sich unter seinem Shirt. An seinem linken Auge hat er noch grüngelbe Flecken von der Prügelei mit Reto. Spin und ich haben das ignoriert, nicht einmal einen heimlichen Blick haben wir uns zugeworfen. Daran merkt man, dass wir ein schlechtes Gewissen haben. Was ich mit Papas Büchern unter meinem Bett machen soll, weiß ich nicht. Die Sache war nicht so richtig durchdacht, schon klar. Vielleicht sollte ich sie wirklich verkaufen. Ich kann sie ja schließlich nicht wieder zurückstellen.

      Papa schiebt den Rostbraten und die Nockerl in die Mikrowelle. Dass Spin und ich eine Stunde später gekommen sind als sonst, ist ihm nicht aufgefallen. Es ist Freitagnachmittag, vor uns liegen zwei Nächte und ein ganzer Tag in dieser Geiselhaft. Am Sonntag bringt er uns hoffentlich früh nachhause, ich werde sagen, dass ich für die Matura lernen muss, das klappt immer. In Wahrheit wissen wir alle, dass wir es einfach nicht länger miteinander aushalten.

      Es ist lächerlich, dass Mama und Papa diese klassische Scheidungsregelung durchsetzen. Jedes zweite Wochenende beim Vater, wozu? Wir essen schweigend mit ihm an seinem klapprigen Tisch, gehen auf Partys, zu denen wir nicht wollen, bleiben dort länger, als es uns Spaß macht, und liegen nach Möglichkeit den halben Samstag im Bett, um nicht mit ihm reden zu müssen. Ich bin fast achtzehn, Spin wird bald siebzehn, wir sind keine Scheidungskleinkinder, die Betreuung brauchen. An den anderen Wochenenden hängen wir auch nicht mit Mama und Reto ab.

      Da er nicht einmal ein zweites Schlafzimmer hat, schläft Papa auf der Couch, während Spin und ich uns sein Bett teilen. Papa könnte sich locker eine größere Wohnung leisten. Diese Nummer hier mit dem beengten Platz, der lahmen Gegend am Rand von Hallein, den leeren Flaschen, dem Schmutz, das macht er doch nur, um zu demonstrieren, dass es ihm schlecht geht. Aber wer zur Hölle soll das sehen! Mama kommt nie hierher. Die Einzigen, die seine Misere miterleben müssen, sind Spin und ich.

      Meistens sitzt er, wenn wir nachts mit dem Taxi zurückkommen, im Unterhemd vor dem Fernseher und trinkt Bier. Er sieht aus wie ein alter Arbeitsloser, der sein letztes Geld versäuft und bei dem die einzige Veränderung darin besteht, dass seine Augen immer gelber werden.

      Hätte ich tote Angehörige, ich würde mich nicht um deren Gräber kümmern. Was schert es die Toten, ob Blumen auf ihren Knochen blühen? Ich würde alles verwildern lassen, die Pflanzen, die Rituale, die Erinnerung. In Prag habe ich verfallene Grabsteine gesehen in hüfthohem Gras, kreuz und quer, schief. Es kam mir vor wie das Natürlichste der Welt. Keine Scheinheiligkeit mehr, kein So-tun-als-ob, kein Fake. Wir konnten den jüdischen Friedhof nicht besichtigen, weil Sabbat war und wir das vergessen hatten. Wir standen vor verschlossener Tür, doch gegenüber, in einer unscheinbaren Mauer, entdeckte ich ein kleines, quadratisches Loch, ein Fenster. Ich starrte lange auf die Gräber, sie waren nicht gepflegt und dabei so schön, die Sonne malte Flecken in das wuchernde Gras. Es war ruhig. So ist es ehrlich, dachte ich, so ist es gut. Ich hätte mich gern hineingeschlichen und zwischen die Steine gelegt, ins Gras wie in mein grünes Bett, ein Ohr auf der Erde, die Augen geschlossen. Nicht mehr so tun, als ob.

      »Und?«, fragt Papa. »Was gibt’s Neues?«

      Meine Gabel zieht eine Spur durch die Butternockerl, essen kann ich sie nicht. Mein Magen ist voll von der Enttäuschung wegen Jonathan, es passt nichts hinein.

      Niemand antwortet Papa.

      »Was ist los?«, fragt er zwischen zwei Bissen, ich kann das halbzerkaute Zeug in seinem Mund sehen. »Hast du keinen Hunger?«

      Ich schüttle den Kopf.

      »Sonst freust dich doch so, wenn’s Fleisch gibt.«

      Ich nicke.

      »Hast du Ärger mit den Lehrern?«

      Ich schüttle wieder den Kopf.

      »Probleme mit deinem Freund?«

      Ich stehe auf und gehe rüber zur Couch.

      »Schön, dass man so tiefgehende, ausführliche Gespräche mit dir führen kann!«, ruft Papa mir nach.

      »Du mich auch!«, rufe ich.

      Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und checke meine Nachrichten. Neben mir gerät der unordentliche Stapel Post ins Rutschen, ein paar Werbezuschriften fallen zu Boden. Das passiert jedes Mal, wenn man sich hinsetzt, weil Papa das Zeug nicht wegschmeißt. Ich hebe sie auf und wundere mich, dass ein Brief dabei ist, ein handgeschriebener Brief. Aber okay, Papa ist alt und seine Freunde sind es auch, die denken vermutlich regelmäßig mit nostalgischen Gefühlen an ihre Faxgeräte. Ich lege alles zurück auf den restlichen Haufen und sehe, dass der Brief gar nicht an Papa adressiert, aber trotzdem aufgerissen ist. Ich schiebe ihn schnell in meinen Pulloverärmel, um ihn später heimlich auf dem Klo zu lesen.

      Partysieren heute?, hat Liv geschrieben.

      Auf jeden, antworte ich, muss hier weg. Wann und wo?

      Netflix bei mir?, hat Stefan geschrieben.

      Ich wundere mich für einen Moment. Manchmal vergesse ich, dass er ja denkt, dass wir zusammen sind.

      Im selben Augenblick bekomme ich eine neue Message.

      Jonathan schickt ein Bild von Miley Cyrus, auf dem sie mit aufgerissenen Augen in die Kamera schaut und ihre spitze Zunge aus dem Mundwinkel nach oben streckt. Es sieht auf merkwürdige Art sexy und teuflisch zugleich aus.

      Ich warte mit klopfendem Herzen.

      Jonathan.

      Seine letzte Nachricht ist vom 11. Juli im Vorjahr.

       Nachher bei Simon? Freu mich!

      Ich hab den Chat nicht gelöscht, obwohl wir seither nichts geschrieben haben. Nicht ein einziges Wort.

      Es kommt nichts mehr, Jonathan ist wieder offline.

      Ich frage mich, ob er den Chat auch noch in seinem WhatsApp gespeichert hatte oder ob er mich neu suchen musste in seinen Kontakten.

      Papa und Spin klappern mit ihrem Besteck. Ansonsten ist es sehr still.

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