»Ich habe Arbeit für dich, Steven«, kam sie gleich zur Sache. »Es geht um eine Erbschaftsgeschichte.« In knappen Worten schilderte sie Steven die Lage, und er versprach, sofort die nötigen Schritte einzuleiten.
Rebecca rieb sich im Geiste schon die Hände. Das klappte ja alles wie am Schnürchen. Die Erbschaft von Parker war ihr so gut wie sicher, darüber hinaus würde sich Dr. Daniel ihr Schweigen sicher einiges kosten lassen, und wenn sie es dann noch geschickt anstellte… für eine Schwangerschaft war sie ja noch lange nicht zu alt. Die Männer, die sie danach für Alimentezahlungen heranziehen würde, würden sich allesamt hüten, einen Vaterschaftstest zu verlangen. Schließlich würden sie damit ihre Ehen aufs Spiel setzen, und erfahrungsgemäß war es das noch kaum einem Mann wert gewesen, mit dem sie sich bislang eingelassen hatte.
Als Rebecca das Postamt verließ, wäre sie beinahe mit Dr. Daniel zusammengestoßen.
»Robert!« rief Rebecca und zauberte ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht, das sie gleich tiefer Besorgnis weichen ließ. »Du siehst erschöpft aus.«
Dr. Daniel nickte seufzend. »Ich weiß. Manon… meine Frau, hat uns gesehen, als du mich nach Hause gebracht hast, und nun zieht sie leider völlig falsche Schlüsse aus unserem Zusammensein.«
Für einen Moment preßte Rebecca die Lippen zusammen. Diese Wendung der Dinge gefiel ihr überhaupt nicht. Männer, deren Ehefrauen von dem Seitensprung wußten, waren nicht so leicht
erpreßbar. Immerhin fiel damit Rebeccas stärkstes Druckmittel weg.
»Vielleicht sollte ich einmal mit ihr sprechen«, schlug sie vor, doch Dr. Daniel schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Ich glaube, das wäre im Moment das schlechteste, was wir tun könnten«, meinte er. »Damit würden wir Manon vielleicht nur noch in dem Glauben bestärken, daß wir etwas getan hätten, wofür wir uns rechtfertigen müssen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Ich werde ihr jetzt ein bißchen Zeit lassen und dann versuchen, noch einmal in Ruhe mit ihr zu sprechen.«
Rebecca nickte. »Ja, das wird wohl das Beste sein.« Sie schwieg einen Moment. »Unter diesen Umständen ist es vermutlich auch nicht ratsam, wenn ich zu dir in die Praxis komme.«
Besorgt sah Dr. Daniel sie an. »Hat sich der Druck in deinem Unterleib nicht gebessert?«
»Leider nicht – ganz im Gegenteil. Allmählich wird es tatsächlich schmerzhaft.«
»Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren«, urteilte Dr. Daniel, überlegte angestrengt und beschloß dann schließlich: »Ich komme heute unmittelbar nach der Sprechstunde zu dir.«
»Wird damit der Unfrieden zwischen dir und deiner Frau nicht noch schlimmer?« fragte Rebecca scheinbar besorgt. In Wahrheit wollte sie nur herausbekommen, wieviel Dr. Daniel tatsächlich an seiner Ehe lag.
»Ich bin fast jeden Abend nach der Sprechstunde noch kurz bei Patientinnen oder in der Waldsee-Klinik«, entgegnete Dr. Daniel. »Manon wird in dieser Hinsicht also keinen Verdacht schöpfen.« Er blickte zu Boden. »Normalerweise habe ich keinerlei Geheimnisse vor ihr. Manon weiß grundsätzlich, wo sie mich erreichen kann, aber in diesem Fall… es ist vermutlich besser, ihr nicht zu sagen, daß ich gerade bei dir abends noch einen Hausbesuch mache. Meine Ehe steckt im Moment in einer tiefen Krise. Ich will nicht riskieren, daß sie wegen eines harmlosen Hausbesuchs zu Bruch geht.«
Rebecca hatte ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken. Das paßte ja ausgezeichnet in ihr Konzept. Heute abend würde Robert Daniel fällig sein!
*
Dr. Daniel fühlte, daß in ihm etwas vorging, was er kaum noch steuern konnte. Rebecca besaß neben ihrer berückenden Schönheit, die ihm natürlich längst aufgefallen war, eine Ausstrahlung, die es ihm beinahe unmöglich machte, in ihrer Gegenwart so ruhig und gelassen zu bleiben, wie er es sonst war. Immerhin hatte er ja berufsmäßig ständig mit Frauen zu tun… mit halb oder auch vollständig entkleideten Frauen, von denen viele durchaus begehrenswert waren, doch Dr. Daniel war in seiner Liebe zu Manon immer so gefestigt gewesen, daß ihm die Nähe dieser vielen Frauen nichts ausgemacht hatte. Bei Rebecca war das anders. Vielleicht lag es aber auch gar nicht an ihr persönlich, sondern an seiner eigenen, unglücklichen Situation.
Er hatte Manon mittags in der Wohnung schon getroffen, doch sie hatte kein einziges Wort mit ihm gewechselt und auf seine Versuche, mit ihr zu sprechen, nur mit eisigem Schweigen reagiert. Irgendwann hatte Dr. Daniel aufgegeben und war wieder in die Praxis hinuntergegangen. Lieber war er allein, als in Manons Gegenwart so schrecklich einsam zu sein.
Damit verstärkte sich aber auch seine Sehnsucht nach Rebecca. Mit ihr konnte er sich so gut unterhalten. Sie war verständnisvoll und hilfsbereit, vor allen Dingen aber gab sie ihm das an innerem Frieden und Geborgenheit, was er bei Manon nicht mehr fand.
So kann unsere Ehe doch nicht enden, dachte er bestürzt, als er feststellte, wie sehr er sich auf den Abend mit Rebecca freute. Nach Hause wäre er jetzt eigentlich nur ungern gegangen, doch die Aussicht auf ein Zusammensein mit Rebecca wirkte sich direkt belebend auf ihn aus.
Er stieg in sein Auto und konnte den Gasthof Zum Goldenen Löwen gar nicht schnell genug erreichen. Mit langen Schritten trat er ein, wandte sich sofort zur Treppe und lief – immer zwei Stufen auf einmal nehmend – hinauf. Als er vor Rebeccas Zimmer stand, bemerkte er sein eigenes, heftiges Herzklopfen, schob es aber auf die Eile, mit der er hierhergekommen war.
Auf sein Klopfen öffnete sie – mit nichts als einem hauchdünnen Negligé bekleidet. Dr. Daniel zögerte. Eine Frau, die so etwas trug, hatte nicht nur eine Untersuchung im Sinn.
»Entschuldige, Robert«, meinte sie und brachte es tatsächlich ganz schamlos fertig zu erröten. »Ich hatte mich ein wenig hingelegt. Die Schmerzen…« Sie unterbrach sich und preßte mit einem gequälten Gesichtsausdruck eine Hand auf ihren Unterleib.
Sofort erwachte wieder der Arzt in Dr. Daniel. Wie hatte er angesichts des Negligés nur auf den Gedanken kommen können, Rebecca wolle ihn verführen? Sie war viel zu anständig für ein flüchtiges Abenteuer – noch dazu mit einem verheirateten Mann! Dr. Daniel schämte sich fast, daß er ihr einen Augenblick so etwas zugetraut hatte.
Flüchtig sah sich Dr. Daniel in ihrem Zimmer um, dann deutete er auf das Bett. »Am besten legst du dich dort hin.« Er lächelte ihr beruhigend zu. »Ich werde sehr vorsichtig sein, trotzdem kann es natürlich sein, daß dir die Untersuchung weh tut.«
Rebecca nickte. »Keine Sorge, das halte ich schon aus. Wenn du nur die Ursache für diese Schmerzen endlich herausfinden kannst.«
Sie legte sich auf den Rücken und war dabei schon die Verführung in Person, doch Dr. Daniel war jetzt wieder viel zu sehr Arzt, als daß er das wirklich registriert hätte.
»Die Beine anwinkeln und dann ganz locker auseinanderfallen lassen«, bat er, während er seitlich neben Rebecca Platz nahm.
Die ungewöhnliche Situation erregte Rebecca. Das Zusammensein mit Robert versprach ihr, ein ganz besonderer Genuß zu werden.
Dr. Daniel streifte sich Plastikhandschuhe über, dann nahm er eine vorsichtige Untersuchung vor, doch wie schon beim ersten Mal konnte er absolut nichts Ungewöhnliches ertasten.
Rebecca stöhnte leise, richtete sich auf und schlang beide Arme um Dr. Daniels Nacken.
»Deine Untersuchung wirkt Wunder«, behauptete sie mit heiserer Stimme. »Die Schmerzen sind fast weg. Ich glaube, jetzt hast du es in der Hand, mich zu heilen.«
Dr. Daniel war überrascht und verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Unwillkürlich wollte er von Rebecca abrücken, doch ihre Arme hielten ihn fest umschlungen wie die Tentakel einer Riesenkrake.
»Rebecca, ich verstehe nicht…«
»Ich liebe dich, Robert«, fiel sie ihm ins Wort. »Ist das denn so schwer zu verstehen? Du bist attraktiv, ein Mann, von dem man nur träumen