Dr. Daniel Staffel 10 – Arztroman. Marie Francoise. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Francoise
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Daniel Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740955656
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      Ungeduldig winkte sie zum Auto hin. Perry und Pamela kannten dieses Zeichen und stiegen aus, blieben aber in respektvollem Abstand zu ihrer Mutter stehen.

      »Seht«, meinte Rebecca und wies mit ausgestreckter Hand auf das große Haupt- und die beiden nur unwesentlich kleineren Nebengebäude, die gerade mal fünfhundert Meter Luftlinie von ihnen entfernt waren. »Das wird bald euch gehören… zumindest das meiste davon.«

      »Mama, hör auf damit«, bat Perry leise. Er war ein hübscher, schlanker Junge mit dunkelblondem Haar und herrlich blauen Augen. Ungehalten trat Rebecca mit wenigen Schritten zu ihm und bestrafte ihn für seine Worte mit einem harten Schlag auf den Mund.

      »Perry hat recht…«, begann Pamela, doch auch sie wurde mit einem ebenso schmerzhaften Klaps zum Schweigen gebracht.

      »Steigt ein!« befahl Rebecca scharf.

      Pamela und Perry gehorchten widerspruchslos.

      »Ich hasse sie«, zischte Pamela ihrem Bruder zu.

      Perry schwieg. Er litt unter der Lieblosigkeit seiner Mutter mehr als seine Schwester. Pamela hatte eine große Portion von Rebeccas Kaltblütigkeit geerbt, was ihr den Umgang mit der hartherzigen Mutter erleichterte. Perry dagegen war sanft und sensibel. Jede Strafe und jedes harte Wort zerstörten ein bißchen mehr in ihm.

      Auch Rebecca stieg jetzt wieder ins Auto, ließ den Motor an und fuhr den holprigen Weg zurück, dann bog sie auf die Straße, die nach San Francisco führte. Pamela und Perry registrierten erleichtert, daß sie nicht ins heimatliche Los Angeles zurückfahren würde. Anscheinend hatte Rebecca wieder einmal vor zu verreisen. Früher hatten Pamela und Perry während der Abwesenheit ihrer Mutter bei ihrem Großvater bleiben müssen, was für die Kinder immer zu einer Tortour geworden war. Allem Anschein nach hatte Rebecca ihr herzloses Wesen von ihrem Vater geerbt. Jonathan Horn war die Hartherzigkeit in Person gewesen, und die beiden Kinder hatten in seinem Haus zuweilen die Hölle durchlebt. Seit dem Tod des Großvaters wurden sie immer bei Rebeccas Bruder untergebracht, wenn ihre Mutter verreisen wollte. Dr. Alec Horn war ein arbeitsloser Arzt, aber die Kinder liebten ihn von Herzen. Er stand ihnen weit näher als ihre eigene Mutter.

      Jetzt hielt Rebecca ihren Wagen vor der stattlichen, im viktorianischen Stil erbauten Villa an. Nahezu im selben Moment kam Alec zur Tür heraus und ging ihnen mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Sein glattes, dunkles Haar hatte er wie immer nach hinten gekämmt, doch ein paar vorwitzige Strähnen fielen ihm widerspenstig ins Gesicht, was ihm etwas Lausbubenhaftes gab. In krassem Gegensatz dazu standen seine sanften, blaugrauen Augen, die wohl schon zuviel Elend gesehen hatten, als daß in ihnen jemals wirkliche Fröhlichkeit liegen könnte. Sogar wenn er – wie jetzt – so herzlich lächelte, blieben seine Augen ernst.

      »Becky, wie schön, dich zu sehen«, meinte Alec, und Perry dachte wieder einmal, daß der Kosename ›Becky‹ zu seiner Mutter eigentlich überhaupt nicht paßte.

      »Ich heiße Rebecca«, korrigierte sie denn auch schon nachdrücklich, ließ es widerwillig geschehen, von ihrem älteren Bruder auf die Wange geküßt zu werden, und drängte ihn ins Haus zurück, ehe er seine Nichte und seinen Neffen begrüßen konnte.

      »Ihr geht zu Bett!« befahl Rebecca, kaum daß sie die Villa betreten hatten.

      »Aber Mama, es ist doch erst…«, wagte Pamela einzuwenden, doch Rebecca brachte sie mit einer heftigen Handbewegung zum Schweigen. Dann sah sie ihren Bruder an. »Gib ihnen etwas, damit sie schlafen. Am besten eine Spritze, und die kann ruhig weh tun. Sie sollen lernen, daß Widerspruch bestraft wird.«

      Alecs Lächeln erlosch. Wortlos nahm er Pamela und Perry mit nach oben und brachte sie ins Gästezimmer. Perry wich ängstlich an die Wand zurück.

      »Onkel Alec, bitte…«, flüsterte er flehend.

      »Pam, Perry, ihr wißt doch ganz genau, daß ihr vor mir keine Angst zu haben braucht«, erklärte Alec mit sanfter Stimme. »Ich bin nicht wie euer Großvater. Im Gegensatz zu ihm bin ich Arzt geworden, um Menschen zu heilen, und nicht, um sie mit Medikamenten zu bestrafen. Und euch beiden könnte ich schon gar nicht weh tun. Bleibt hier in diesem Zimmer. In dem Schrank dort sind Bücher, und irgendwo stecken sicher auch noch ein paar Gesellschaftsspiele. Eure Mutter wird mich wohl nicht lange mit ihrer Anwesenheit beglücken, und danach werden wir drei es uns gemütlich machen.« Er lächelte die beiden an, streichelte erst Pamela, dann Perry über den Kopf und bemerkte dabei, wie der Junge angstvoll zusammenzuckte. Es schmerzte Alec, und er wünschte, er könnte mehr für die beiden tun, als ihnen nur während Rebeccas Abwesenheit ein etwas schöneres Leben zu verschaffen.

      »Schlafen sie?« wollte Rebecca wissen, als Alec wieder im Salon erschien.

      Er nickte. »Ja.« Dabei hatte er nicht die Spur eines schlechten Gewissens, weil er seine Schwester mit einer Lüge abspeiste.

      »Sehr gut«, urteilte Rebecca, dann schlug sie graziös die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarette an. »Wir kommen von der Parker-Winery… das heißt, wir haben sie uns von weitem angesehen.«

      Es gelang Alec nicht, einen Seufzer zu unterdrücken. »Meine Güte, Becky… Rebecca, warum kannst du nicht endlich Ruhe mit diesem Thema geben? Die Parkers sind längst tot, ihr einziger Sohn arbeitet irgendwo in Deutschland als Arzt und das Weingut ist verpachtet. Warum willst du da unbedingt Unfrieden stiften?«

      »Perry ist Parkers Sohn«, hielt Rebecca dagegen.

      Zweifelnd sah Alec sie an. »So viele Väter kann kein Kind haben. Wie vielen Männern hast du Perry und Pam schon als Kinder untergejubelt?«

      »Diesmal ist es wahr«, behauptete Rebecca ungerührt. »Parker war der Vater von Perry. Damit ist Perry erbberechtigt, und da Parker tot ist, wird es mir ein leichtes sein, ihm auch Pam als Tochter unterzujubeln. Parkers ehelicher Sohn wird die Erbschaft auszahlen müssen, dafür werde ich sorgen.«

      »Du weißt ja gar nicht, wo er jetzt lebt«, entgegnete Alec, obwohl er wußte, daß das wohl nicht schwierig herauszubekommen sein dürfte.

      »Natürlich weiß ich es«, bekräftigte Rebecca triumphierend. »Und morgen werde ich nach Deutschland reisen.«

      Verständnislos sah Alec seine Schwester an. »Wieso das? Wenn du ihm nur das Erbe streitig machen willst, dann kannst du das von hier aus genausogut.«

      Rebecca zeigte ein raffiniertes Lächeln, das Alec an die Abbildung einer bösen Fee aus dem Märchenbuch erinnerte, das er als kleiner Junge so sehr geliebt hatte. In diesem Buch hatte am Ende immer die gute Fee über die böse gesiegt, doch wenn er das nun mit seiner Schwester verglich, mußte er feststellen, daß es im wirklichen Leben doch eher andersherum ging.

      »Ich will mir den Burschen mal ansehen«, erklärte sie jetzt. »Wenn er nach seinem Vater kommt, dann würde sich eine kleine Affäre mit ihm allemal lohnen – auch finanziell. Auf diese Weise könnte ich sogar zweimal bei ihm abkassieren.«

      *

      »Seit Tessa weg ist, hast du für mich überhaupt keine Zeit mehr«, hielt Dr. Daniel seiner Frau enttäuscht vor. »In den vergangenen Tagen warst du ja Tag und Nacht in der Praxis.«

      »Du übertreibst«, entgegnete Manon, dabei fühlte sie sich nach den anstrengenden Tagen völlig ausgelaugt. Ein paar ruhige Stunden mit Robert würden ihr bestimmt guttun, andererseits war in den letzten Monaten so viel liegengeblieben und wann würde sie schon wieder die Chance haben, wirklich ungestört arbeiten zu können? Manon liebte ihr Töchterchen, doch es ließ sich nicht bestreiten, daß Tessa gelegentlich ziemlich anstrengend sein konnte. Trotzdem litt Manon schon jetzt unter ihrer Sehnsucht nach der quirligen Kleinen, was zu der kräftezehrenden Arbeit noch erschwerend hinzukam.

      »Ich übertreibe nicht«, stellte Dr. Daniel nachdrücklich klar. »Seit Stefan und Darinka mit Tessa abgefahren sind, haben wir beide kaum noch ein privates Wort gewechselt. Allmählich fühle ich mich wie ein Gegenstand, den du zur Seite gestellt hast, weil du ihn gerade nicht brauchst.«

      »Da siehst du mal, wie es mir meistens geht«, konterte Manon. »In der Regel bist nämlich du derjenige,