Die Kristallelemente (Band 2): Die türkise Seele der Wüste. B. E. Pfeiffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. E. Pfeiffer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Kristallelemente
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961475
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bevor ich die Schokolade trank.

       Es war noch stockdunkel, als mich ein Klopfen hochfahren ließ. Hastig wollte ich nach dem kleinen Messer tasten, das ich unter meinem Lager aus Stroh verborgen hatte. Bis mir klar wurde, dass ich auf einer weichen Matratze lag und nicht auf dem Boden der schäbigen Hütte im Wald, die so lange etwas wie ein Heim für mich gewesen war.

      Maron schnarchte lautstark neben mir und wachte auch nicht auf, als es erneut klopfte. Ich stand auf, schlich zur Tür und legte mein Ohr an das Holz.

      »Oriana, hier ist Viola. Die Madame möchte dich jetzt in der Küche sehen. Zieh deine Arbeitskleidung an und komm hinunter. Die Ratte kannst du hierlassen.«

      Ich wollte etwas erwidern, aber ich nahm an, dass Viola bereits fort war. Hastig legte ich mein zerrissenes Nachthemd ab und schlüpfte in die Hose und den Choli, die ich für die Arbeit bekommen hatte. Ich band mir meine Haare zu einem Knoten zusammen und huschte hinaus. Einen Moment überlegte ich, die Tür abzuschließen, aber dann wäre Maron nicht herausgekommen, also ließ ich sie offen. Immerhin gab es nur den Zugang durch den Garten und den wiederum konnte man nur durch die Werkstatt erreichen. Maron war also sicher.

      Die Dämmerung legte sich gerade über den Horizont, während ich die Stufen in den Garten hinunterhastete und tief einatmete. Der Morgen roch ganz anders als in dem Wäldchen in der Nähe von Singul, das besonders nach dem Regen würzig nach Tannennadeln duftete. In Mathis mischten sich die unterschiedlichsten Gewürze mit dem Duft der Blüten aus dem Garten. Und noch etwas anderes lag in der Luft. Etwas Süßes, Köstliches, das mir das Wasser in den Mund trieb.

      Ich zögerte kurz vor der Tür in die Küche, dann öffnete ich sie und atmete den buttrigen Geruch ein.

      »Oriana, guten Morgen«, begrüßte mich die Madame und klopfte sich das Mehl von den Händen. »Komm doch her. Ich zeige dir jetzt, wie man Blätterteig macht.«

      »Blätterteig?«, fragte ich und betrachtete die Zutaten, die auf dem Tisch bereitstanden. Mehl, Eier und Butter erkannte ich. Alles andere wirkte seltsam fremd.

      »Ja, es ist ein köstlicher Teig, den wir für unsere Gebäckstücke verwenden. Wir machen ihn nur morgens, wenn wir Frühstück anbieten. Das tun wir zweimal die Woche. Die restlichen Tage stellen wir Schokolade her oder verarbeiten diese.«

      Sie winkte mich zu sich und ich stellte mich an die Arbeitsfläche. Dann erklärte sie mir die Zutaten. Neben Mehl und Butter gab es Zucker, Wasser und noch ein verquirltes Ei, das wir erst zum Schluss brauchten.

      Zu Beginn vermengten wir Mehl mit Zucker und mischten Wasser unter, um einen Teig zu kneten.

      »Der muss jetzt einige Zeit in die Kühlung«, erklärte die Madame und zeigte mir einen Raum, der sich eiskalt anfühlte und in dem Berge von Pralinen und Schokolade aufbewahrt wurden. »Inzwischen können wir uns um die Butter kümmern«, meinte sie, reichte mir Papier und ein rundes Holz. Dann sah sie mich auffordernd an. »Versuch mal, die Butter damit flach auszurollen.«

      »Aber … wie?«

      Sie zwinkerte. »Versuch es einmal. Ich möchte sehen, ob du diese Intuition besitzt. Wenn es nicht gelingt, ist es nicht schlimm. Dann verwenden wir die Butter für etwas anderes. Wir müssen sie nicht wegwerfen.«

      »Wie können Sie diesen Raum überhaupt so kalt halten? Und wo bekommen Sie all die Zutaten her? Ich hätte nicht gedacht, dass es in Sarabor Butter gibt …«

      »Alles zu seiner Zeit, Oriana. Alles zu seiner Zeit.« Sie deutete erneut auf die Butter. »Versuch es getrost.«

      Ich unterdrückte ein Seufzen, weil ich im Begriff war, etwas so Teures wie Butter vielleicht zu zerstören. Da das Papier einen Sinn haben musste, faltete ich es und legte den bereits weichen Block dazwischen. Ich rollte ihn mit dem runden Holz vorsichtig aus und hoffte, dass ich es einigermaßen gleichmäßig hinbekam.

      Als ich fertig war, nickte die Madame. »Sehr gut, ich hätte es nicht besser gekonnt. Du hast es absolut richtig gemacht. Jetzt müssen wir auch das wieder kühlen.«

      Wir brachten die Butter in den Kühlraum und die Madame reichte mir ein paar Stück Bruchschokolade. Ich sollte sie kosten und ihr sagen, was ich schmeckte. In einer schien etwas wie Pfeffer eingearbeitet zu sein, aber ich wusste es nicht sicher. Ich schmeckte zwar, dass überall andere Gewürze verwendet wurden, und nahm auch die Nuancen von Blüten und anderen Dingen wahr, aber ich kannte ihre Namen nicht.

      »Ich werde dir alles beibringen, wenn wir die Schokolade zubereiten«, meinte die Madame, als ich zu umschreiben versuchte, was ich schmeckte. »Auch ich wusste keine Namen zu den Gewürzen, die meine Meisterin verwendete. Du musst dich nicht sorgen.«

      Da der Teig und die Butter mittlerweile kühl genug waren, machten wir weiter. Die Madame ließ mich den Teig so ausrollen, dass er doppelt so groß wie die Butter war, damit ich sie hinauflegen und bedecken konnte. Sie reichte mir einen Pinsel und ich musste das Mehl, das wir zum Ausrollen verwendet hatten, damit vom Teig fegen.

      Vorsichtig schwang ich die Borsten, um die feine Struktur nicht zu beschädigen.

      »Jetzt müssen wir ihn falten.«

      »Falten?«, fragte ich ungläubig.

      »Hat sie doch gesagt«, knurrte Viola, die aus dem Verkaufsraum gekommen war. »Er ist gleich hier, also beeilt euch.«

      »Wer ist gleich hier?«, wollte ich wissen.

      Die Madame lächelte. »Einer unserer Lieferanten und gleichzeitig ein guter Kunde. Du kennst ihn bereits. Er kommt immer, wenn wir Frühstück servieren.«

      Sie sprach von Kezlin. Ich musste die Augen weit aufgerissen haben, denn die Madame schmunzelte und ich räusperte mich verlegen.

      »Also, den Teig falten«, meinte die Madame schließlich, drehte alles um eine Vierteldrehung und klappte das untere Drittel zur Mitte und dann das obere ebenfalls. »Der muss jetzt wieder in die Kühlung, aber ich habe schon einige vorbereitet, die wir weiter bearbeiten können.«

      Tatsächlich holte sie mehrere in Papier eingeschlagene Teigstücke heraus. Auf jedem Papier waren unterschiedliche Ecken ausgemalt. Eines hatte bereits drei Ecken mit Markierung, eines erst eine und das letzte zwei.

      »Dieser hier«, sagte sie und gab mir den mit den drei Ecken, »muss nur noch einmal ausgerollt und gefaltet werden, dann können wir ihn zu Gebäck verarbeiten.« Sie deutete auf die Arbeitsfläche. »Versuch es.«

      Ich stäubte Mehl auf den Tisch, legte den Teig darauf und rollte ihn aus. Dann schlug ich ihn ein wie die Madame und befreite ihn von Mehl.

      »Jetzt packst du ihn ein und malst die vierte Ecke aus. Wenn wir mit den anderen fertig sind, können wir ihn ausrollen und zu Schnecken oder Hörnchen formen.«

      Ich nickte und tat wie mir geheißen, dann ging ich ihr mit den anderen Teigen zur Hand. Als wir fertig waren, klopfte es an der Ladentür.

      »Würdest du bitte aufmachen, Oriana?«, fragte die Madame mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen.

      »Natürlich«, murmelte ich, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug.

      Warum war ich so nervös? Ich kannte ihn doch gar nicht und außerdem … schien er bei Frauen ziemlich beliebt zu sein, die Gefühle aber nicht zu erwidern. Zumindest hatte es auf dem Markt am Vortag so gewirkt, als er mit der vornehmen Dame gesprochen und so ausgesehen hatte, als könnte er es nicht erwarten, sie loszuwerden. Und sein Lächeln war unecht, weswegen ich mir sicher war, dass er etwas zu verheimlichen versuchte.

      Dennoch zitterten meine Hände, als ich durch den Verkaufsraum ging und die Riegel vor der Tür wegschob. Ich öffnete und schluckte, als Kezlin in seiner schlichten und doch eleganten Kleidung vor mir stand. Er hob einen Mundwinkel und neigte den Kopf.

      »Guten Morgen, Oriana. Es freut mich, dich zu sehen.«

      Ich starrte ihn schon wieder an und brachte kein Wort über die Lippen.

      Sein