Die Kristallelemente (Band 2): Die türkise Seele der Wüste. B. E. Pfeiffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. E. Pfeiffer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Kristallelemente
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961475
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darauf. Sie wirkte recht altmodisch, aber ich hätte mir keine schönere vorstellen können.

      »Madame Cremant?«, rief ich, da ich den Raum abgelaufen war und kein Geräusch gehört hatte.

      Hinter dem Tresen gab es einen Vorhang. Ich nahm an, dass er in ein Lager führte, wollte aber nicht dahinter treten, ohne dazu aufgefordert zu werden.

      »Madame Cremant? Ich bin es. Oriana aus Dundra. Sie haben mir einen Brief geschickt, und ich …«

      »Du bist zwei Tage zu früh«, erklang eine Frauenstimme hinter mir und ich fuhr mit einem Kreischen herum.

      Eine ältere Dame mit strengem Blick und fast grauen Haaren stand in der farbenfrohen landestypischen Kleidung der Frauen vor mir. Ihre Augen waren meergrün wie meine und in dem düsteren Licht des Raums erahnte ich, dass ihre Haare einmal türkis gewesen sein mussten. Sie war etwa einen halben Kopf kleiner als ich und musste jenseits der fünfzig sein. Vielleicht noch älter.

      »Wie haben Sie … Aber Sie waren …«, stammelte ich.

      Wie hatte sie sich so an mich anschleichen können? Ich war ganz sicher gewesen, niemanden in dem Laden entdeckt zu haben. Und jetzt stand sie hinter mir, obwohl ich sie im Lager vermutet hatte … Ob sie mich die ganze Zeit über beobachtet hatte?

      Mein Gestammel musste ihr Herz erweichen, denn mit einem Mal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie mich musterte.

      »Entschuldigung«, versuchte ich es noch einmal. »Der Wind war günstig und das Schiff deswegen schneller«, erklärte ich. Ich hatte nicht erwartet, für das zu frühe Erscheinen getadelt zu werden. »Ich … ich kann auch wieder gehen und übermorgen zurückkommen.«

      Sie schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint, Kind«, sagte sie und ihr Lächeln vertiefte sich. »Ich hatte nur nicht erwartet, dich heute schon zu begrüßen. Aber umso besser, dann können wir gleich anfangen.« Sie musterte mich eingehend. »Am besten beginnen wir damit, dir anständige Kleidung zu besorgen. So kannst du weder in meiner Küche noch im Verkaufsraum aushelfen.«

      Ich verschränkte die Finger ineinander. »Es tut mir leid, ich kann mir keine Kleidung leisten. Aber ich kann sie abarbeiten, falls Sie mich wirklich einstellen.«

      Sie lachte. »Liebes Kind, ich habe dich nicht zufällig gewählt. Ich habe lange nach dir gesucht und bin mir ziemlich sicher, dass du zu mir passt. Die Kleidung stelle ich dir natürlich.«

      »Aber, Madame …«, wollte ich widersprechen, doch sie winkte ab.

      »Wir werden am besten gleich in ein Geschäft gehen. Um diese Uhrzeit verirren sich wenige Kunden in unseren Laden. Also können wir die Zeit sinnvoller nutzen.« Sie zog einen Schlüsselbund unter ihrer Kleidung hervor. »Dein Seelentier solltest du aber hierlassen.«

      Blut rauschte in meinen Ohren und ich klappte den Mund auf. »Mein … was?«

      »Das Eichhörnchen. Oder ist es ein Hamster?«

      »Also wirklich!«, brummte Maron und kämpfte sich aus der Tasche heraus. »Ich bin ein Eichhörnchen! Ist doch wohl eindeutig.«

      Madame Cremant schmunzelte ihn an. »Entschuldige, ich nehme dich nur an deinem Geruch wahr. Eichhörnchen und Hamster riechen sehr ähnlich.«

      »Sie … Sie haben ihn gerochen?«, fragte ich mit weit aufgerissenen Augen.

      »Natürlich. Er ist ein Seelentier. Es erschreckt mich eher, dass du meines nicht riechst.«

      Noch während sie sprach, hörte ich etwas durch die Luft segeln und duckte mich, als eine große braune Eule über mich hinwegflog. Mit ihren hellgelben Augen musterte sie mich und anschließend Maron. Dann plusterte sie sich auf und wandte sich ab.

      »Jetzt sei mal höflich, Viola.«

      »Ich rede nicht mit Nagetieren und ungepflegten Mädchen«, knurrte die Eule. »Sie darf mich ansprechen, wenn sie etwas Anständiges angezogen hat.«

      »Du bist schon ziemlich verwöhnt«, meinte Madame Cremant und schnalzte mit der Zunge. »Erinnerst du dich nicht, wie wir aussahen, als wir hier ankamen?«

      »Ich verdränge diese Episode meines Lebens ziemlich erfolgreich, danke der Nachfrage«, erwiderte die Eule. »Ich passe auf die Ratte und den Laden auf. Lasst euch trotzdem nicht zu viel Zeit.«

      Bevor ich widersprechen konnte, nahm mir Madame Cremant die Tasche ab, öffnete sie, damit Maron hinausklettern konnte, und führte mich aus dem Laden. Ich hörte noch, wie mein Eichhörnchen der Eule etwas zuzischte, und hoffte, dass es noch lebte, wenn ich zurückkam. Die Madame schien keine Bedenken zu haben, verschloss die Tür hinter sich und führte mich über den Marktplatz bis zu einem Haus, dessen Tür blau gestrichen war.

      Im Inneren stand die Luft, die von einem seltsamen Geruch erfüllt war. Ich schnupperte und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. »Wonach riecht es hier?«, wollte ich wissen.

      »Eine Mischung aus Vanille und Lavendel«, erwiderte die Madame. »Ich werde dir viel beibringen müssen, aber zumindest scheinen deine Sinne recht ausgeprägt zu sein. Du kannst sie nur noch nicht nutzen.«

      Sie winkte einer der Frauen, die hinter einem seltsamen Gerät saßen, das sie mit einer Art Trittbrett bedienten. Traten sie mehrmals schnell auf dieses Brett, ratterte die Maschine los und setzte Nähstiche. Fasziniert beobachtete ich ein Mädchen, das in meinem Alter war und mir am nächsten saß. Sie wirkte unheimlich geschickt.

      »Madame Cremant, wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau, die sich erhoben hatte und zu uns gekommen war.

      Das traditionelle Kleid, das sie trug, war weinrot und mit silbernen Fäden durchwirkt. Ein Tuch, das durchsichtig, aber in derselben Farbe wie das Kleid war, lag über ihrem Mund. Die Madame trug kein solches Tuch und ich hoffte, dass ich auch keines würde anlegen müssen.

      »Das ist Oriana, meine Schülerin. Ich möchte für sie ein Kleid für den Verkauf und eines für die Arbeit in meiner Küche anfertigen lassen.«

      »Sehr gerne, Madame. Das Küchenkleid werden wir in den üblichen Stoffen nähen. Welche Farbe soll jenes für den Verkauf haben?«

      Die Madame musterte mich, dann lächelte sie. »Ich dachte an das Türkis ihrer Haare und Gold.« Sie deutete auf einen Stoff, der direkt vor uns lag.

      Mir verschlug es den Atem. Feine Muster, die mich an die Federn von Pfauen erinnerten, zogen sich über das Gewebe. Goldene Fäden durchwirkten es an verschiedenen Stellen, ließen das Muster fast aus ihm herausspringen.

      »Das … das ist doch viel zu …«

      »Keine Widerrede, Kind. Du musst die Chocolaterie repräsentieren. Dazu solltest du entsprechend gekleidet sein«, tadelte mich die Madame und wandte sich der Frau zu. »Wir nehmen diesen Stoff.«

      Die Näherin nickte und führte mich in die Mitte des Raumes, wo sie mich mit einem Band vermaß und seltsame Zeichen auf eine Tafel mit Kreide malte. »Heute Abend wird es fertig sein. Wir bringen es zu Ihnen hinüber«, verkündete sie und Madame Cremant reichte ihr ein paar Münzen, bevor sie mich hinausführte.

      »Madame, sind Sie sicher …«

      »Oriana, ich sagte doch, du musst dich entsprechend kleiden. Wir werden dir im Laufe der Zeit noch mehr Kleider für andere Anlässe anfertigen lassen, etwa wenn du Kundschaft besuchst. Nicht alle kommen in den Laden, manche müssen wir beliefern.« Sie seufzte. »Ich werde dir so vieles erklären müssen, damit du es verstehst. Aber das wirst du mit der Zeit alles lernen und erfahren. Jetzt sorgen wir erst einmal dafür, dass du mit der Ausbildung beginnst. Wenn du so weit bist, dich zu entscheiden, ob du bei mir bleibst, weihe ich dich in alles ein.«

      Ich wollte nachfragen, was sie meinte, aber etwas sagte mir, dass die Madame nicht mehr darüber reden würde. Ob sie von ihrer Magie sprach? Würde sie mir erst zeigen, wie ich Zauber anwandte, wenn ich fest eingestellt war? Oder wollte sie warten, bis sich meine Kräfte zeigten? Bestimmt war ihr aufgefallen, dass ich noch nicht wirklich Fähigkeiten besaß.

      Wir