Die Kristallelemente (Band 2): Die türkise Seele der Wüste. B. E. Pfeiffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. E. Pfeiffer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Kristallelemente
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961475
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sie höflich, obwohl sie ebenso wenig aus Sarabor stammen konnte wie ich.

      Mein Blick glitt über die Stände und ich war fast enttäuscht, Kezlin nicht zu entdecken.

      »Du wirst ihn bald wiedersehen«, verkündete die Madame und ich zuckte bei den Worten zusammen.

      »Wen meinen Sie?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Kezlin, mit dem du vorhin zusammengestoßen bist, als du den Laden betreten wolltest. Du hältst nach ihm Ausschau.«

      Also hatte sie mich wirklich die ganze Zeit über beobachtet, während ich in dem Verkaufsraum umhergeirrt war.

      Madame Cremant beugte sich ein Stück zu mir. »Wenn ich dir einen Ratschlag geben darf: Lass ihn immer nach dir suchen. Je schwieriger du für ihn zu erreichen bist, umso eher will er dich finden.«

      »Ich verstehe nicht …«

      »Das wirst du, Oriana. Das wirst du.« Sie zog ihren Schlüssel unter der Kleidung hervor und öffnete die Tür. Etwas zerbrach gerade geräuschvoll, als wir eintraten. Die Madame rümpfte die Nase. »Viola!«

      »Es war die Ratte! Sie hat mich herausgefordert!«

      »Eichhörnchen! Und du Raubtier wolltest mich fressen!«

      »Warum sollte ich etwas so Abgemagertes, Heruntergekommenes …«

      »Viola!«, brummte Madame Cremant, und die Eule schwieg. »Räum das zusammen. Ich muss mich um Oriana kümmern. Und wenn du Maron ein Haar krümmst, wirst du ab jetzt tatsächlich selbst auf die Jagd gehen müssen.«

      »Ja, Madame«, murmelte die Eule und ließ den Kopf sinken.

      »So, Oriana«, meinte die Madame mit warmer Stimme an mich gewandt, führte mich hinter den Tresen und schob den Vorhang beiseite. »Dann lass mich dir dein neues Zuhause zeigen.«

      Sie klatschte in die Hände und das, was ich für ein Lager gehalten hatte, erstrahlte in hellem Licht. Ich hielt den Atem an, als ich in dem riesigen Raum aus weißen Fliesen stand.

      Überall befanden sich Apparate, die ich noch nie gesehen hatte. Formen und Werkzeuge, die bestimmt für die Herstellung von Schokolade nötig waren, lagen säuberlich aufgereiht auf einem lang gezogenen Tisch.

      Ich fühlte die Hand der Madame an meinem Arm und richtete den Blick auf sie. »Das ist die Werkstatt. Unsere Wohnräume liegen dahinter.«

      »Ich darf hier wohnen?«

      »Natürlich. Wo denn sonst?«

      Sie führte mich durch den blütenweißen Raum hindurch zu einer türkisen Tür. Dahinter lag ein großzügiger Garten mit allerlei duftenden Pflanzen in wunderschön arrangierten Beeten. Ich kannte die meisten Blumen und Beeren nicht, aber die leuchtenden Farben der Blumen, unter denen ich nur Rosen und Lavendel benennen konnte, und die hellroten Beeren an dunkelgrünen Sträuchern wirkten so harmonisch, dass mir ein Seufzen entschlüpfte.

      Ein Weg aus bunten Pflastersteinen verlief am Rand der Beete entlang zu zwei Treppen, die wiederum zu Türen unter den wunderschön verschnörkelten Bögen führten, welche überall in Sarabor Eingänge verzierten.

      »Ich wohne links, deine Unterkunft ist rechts.«

      Ich riss die Augen auf. »Ich habe eine eigene Unterkunft?«

      Sie nickte und lächelte. »Natürlich. Du sollst meine Nachfolgerin werden und da du früh zu arbeiten beginnst, ist es gut, wenn du direkt bei der Werkstatt lebst.«

      Ich schluckte, denn nun brannten mir doch einige Fragen auf der Seele, zu denen ich mir Antworten wünschte. »Madame, Sie haben gesagt, Sie haben nach mir gesucht. Bis ich Ihren Brief erhielt, wusste ich nicht einmal, dass es Sie gibt. Woher kannten Sie mich? Und warum haben Sie mich ausgewählt? Ich bin weder besonders geschickt noch kann ich wirklich mit Menschen umgehen …«

      »Nicht ich habe das getan, sondern die Magie«, erwiderte sie mit einem Zwinkern, bevor sie wieder ernst wurde. »Was wir hier tun, ist eine besondere Form von Magie. Eine, die nur in Sarabor wirkt und nötig ist, um den Menschen Hoffnung zu geben. Nicht jeder kann unsere Magie einsetzen, weswegen ich nur eine Schülerin aus Dundra aufnehmen kann.« Sie ergriff meine Hand. »Und auch dort gibt es nicht mehr viele, die in der Lage sind, diese Gabe zu nutzen.« Sie betrachtete mich eindringlich und ein trauriges Lächeln erschien wieder auf ihrem Gesicht. »Aber du trägst diese Magie in dir. Nur mit dir wird die Tradition fortbestehen. Ohne dich wird die Hoffnung erlöschen.«

      Sie blickte mir in die Augen und ich war nicht sicher, was ich erwidern sollte. Es kam mir vor, als würde sich eine eisige Hand auf mein Herz legen. Dass Magie hier nicht verboten war, hatte ich nun verstanden. Aber … so, wie die Madame sprach, klang es, als müsste ich mich vielleicht tatsächlich einem Fluch stellen. Einem, von dem ich nichts wusste. Ich hätte Cham nach mehr Details fragen sollen.

      »Das ist alles viel auf einmal, ich weiß. Und ich lasse dich trotzdem noch im Ungewissen.« Sie seufzte. »Aber ich werde dich erst in alles einweihen, wenn ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Sosehr ich das möchte, noch muss ich dich prüfen, Oriana.«

      Ich schluckte noch einmal und wusste immer noch nicht, was ich entgegnen sollte.

      Die Madame rang sich erneut ein Lächeln ab. »Heute hast du noch Schonfrist, aber morgen werde ich dir zeigen, wie du deine Magie einsetzen kannst, um sie für das Gute zu nutzen. Ich werde dich lehren, wie die Schokoladenmagie wirkt. Und wenn du so weit bist, erzähle ich dir von den Geheimnissen Sarabors und welche Rolle wir spielen.«

      Ich brachte nur ein Nicken zustande, während die Madame an ihrem Schlüsselbund hantierte und mir schließlich einen kleinen silbernen Schlüssel und einen großen goldenen gab.

      »Der Silberne ist für deine Unterkunft, der Goldene für den Laden.« Sie reichte mir noch eine Kette. »Verliere sie nicht, es gibt keinen Ersatz. Jetzt ruh dich aus. Du wirst deine Tasche und Essen in deinem Zimmer finden. Ich rufe dich, wenn deine Kleidung da ist, damit du sie anprobieren kannst. Dein Seelentier schicke ich gleich zu dir.«

      »Danke«, hauchte ich und umklammerte die Schlüssel, als gäben sie mir Halt, während ich den Garten betrachtete und anschließend die Treppen hinaufschlich.

      Das musste ein Traum sein. Das Schiff, das mich herbringen sollte, musste gesunken sein. Denn ganz gleich, welcher Fluch vielleicht auf Sarabor lag – ich hatte in meinem Leben noch nie so viel Glück erfahren. Ich besaß ein sicheres Dach über dem Kopf und würde einen richtigen Beruf erlernen.

      Das hier war ganz bestimmt ein Traum. Ich hoffte nur, dass ich niemals daraus erwachte.

      Ein junges Mädchen, nicht älter als zehn, mit sauberer Kleidung und müden Augen, brachte das in weißes Papier verpackte Bündel mit meiner neuen Kleidung. Obwohl im Laden viel los zu sein schien, bestand die Madame darauf, bei mir in der Küche zu bleiben, während ich es anprobierte.

      Zuerst schlüpfte ich in die schlichte sandweiße Arbeitskleidung. Es handelte sich um eine recht weite Hose, ein Oberteil, das gerade einmal bis unter die Brust reichte und Choli genannt wurde, und eine Schärpe, die um meine Hüften gebunden und dann über meine rechte Schulter geworfen wurde. Erstaunlicherweise konnte ich mich trotzdem sehr gut damit bewegen.

      Anders sah es mit dem edlen Gewand in Türkis aus. Das Mädchen zeigte mir, wo ich welche Stoffbahn festhalten musste und wie ich mir den kunstvoll verzierten Sari, wie das lange Tuch hieß, umwickelte. Als ich fertig war und mich in einem kleinen Spiegel betrachtete, stockte mir der Atem.

      »Du siehst bezaubernd aus.« Die Madame klatschte in die Hände. »Fast wie eine Prinzessin. Das Türkis hat exakt die Farbe deiner Haare, und das Gold verleiht dir etwas Mystisches.«

      Ich fuhr über den weichen Stoff. Noch nie hatte ich so etwas Edles berührt und wagte kaum, meine aufgerissenen Finger darüber streichen zu lassen. »Ich weiß nicht, ob ich das je wieder so werde binden können«, murmelte ich.

      »Anfangs