Die Kristallelemente (Band 2): Die türkise Seele der Wüste. B. E. Pfeiffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. E. Pfeiffer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Kristallelemente
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961475
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dass zu Hause niemand auf die Idee gekommen war, mich als Hexe zu verbrennen. Der König von Dundra ging an sich streng gegen jegliche Magie vor, weil er sie für zu gefährlich hielt. Ich hatte gehört, dass es auf dem östlichen Kontinent wohl ebenfalls nicht erlaubt war, Magie zu praktizieren. Wie die Gesetze in Sarabor aussahen, wusste ich hingegen nicht.

      Ich seufzte. Ob ich meine Haare verstecken konnte? Aber dann wären da immer noch meine meergrünen Augen gewesen. Ich mochte mir mein Gesicht anmalen und meine Haare verbergen, aber meine Augenfarbe würde ich nicht ändern können.

      »Oriana, hörst du mir überhaupt zu?«, riss mich Cham aus meinen Gedanken.

      »Oh, ich … Entschuldige.«

      »Bist ein gutes Mädchen. Ich bin sicher, du wirst dich hier einleben. Vor allem, wenn du bei Madame Cremant unterkommst. Sie wird dich vor jedem Fluch beschützen.«

      Ich nickte. Cham hatte mir von der Madame erzählt. Sie war weit über die Grenzen von Mathis bekannt für ihre Schokoladen-Kunstwerke. Besonders weil man munkelte, dass sie eine gute Fee sei, da man ihren Leckereien Zauberkräfte, die Wünsche erfüllten, nachsagte. Also konnte Magie in Sarabor eigentlich nicht verboten sein.

      Ich hatte noch nie Schokolade gesehen, geschweige denn gegessen. Aber wie Cham davon schwärmte, musste sie abgöttisch köstlich schmecken.

      Als der Hafen näher kam, staunte ich über all die Schiffe, die dort vor Anker lagen. Dreimaster, Viermaster, kleine Segelboote … und inmitten von ihnen ein Schiff, dessen Holz purpurrot leuchtete.

      »Cham, hast du so ein Schiff schon einmal gesehen?«, rief ich und deutete aufgeregt auf den Dreimaster.

      »Ay, das ist die Crimson Conch«, erwiderte er und zwinkerte. »Es heißt, dieses Schiff gehörte einst dem Captain der berüchtigten Schwarzpiraten.«

      »Piraten?«, keuchte ich.

      Auch von ihnen kannte ich unzählige Geschichten, hatte sie aber selbst noch nie gesehen. Sie galten als blutrünstig und unbarmherzig, besonders jene, die man als Schwarzpiraten bezeichnete. Angeblich hatten sie Frauen verschleppt, allerdings schienen sie damit zumindest vor ein paar Jahren aufgehört zu haben. Niemand wusste, was aus den Frauen oder den Piraten geworden war, denn sie tauchten nie wieder auf. Bei dem Gedanken wurde mir übel. Ob es sich wirklich um diese Piraten handelte?

      »Ay, aber wie es aussieht, segelt das Schiff unter einem neuen Captain. Jedenfalls habe ich nicht gehört, dass die Besatzung Probleme macht. Außerdem haben sie zwei Frauen an Bord. Eine davon nennen sie Prinzessin.«

      »Eine Prinzessin? Auf einem Schiff?«

      Cham lachte. »Ich denke nicht, dass sie wirklich eine Prinzessin ist. Sie ist höchstens eine Piratenprinzessin, aber sie soll schön sein und man munkelt, dass das Herz des Captains ihr gehört.«

      »Die würde ich gerne einmal sehen«, murmelte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen, als wir an dem roten Schiff vorbeisegelten.

      »Wenn du Glück hast, läufst du ihr auf dem Markt über den Weg. Sie handeln hier um diese Jahreszeit mit seltenen Waren und sind meistens einige Wochen in der Gegend, bevor sie weiterreisen. Kannst sie kaum übersehen. Der Captain ist groß und hat blondes Haar, die Prinzessin trägt Piratenkleidung und ihre hellbraunen Haare meistens offen. Sind ein schönes Paar.«

      Ich nickte und hoffte, ich würde den beiden wirklich einmal begegnen. Eine Piratenprinzessin. Wie aufregend ihr Leben wohl sein musste!

      »Cham, was ist, wenn dieser Brief nicht an mich hätte gehen sollen?«, überlegte ich laut, als der Hafen so nahe war, dass einige Seemänner bereits die Taue, mit denen das Schiff befestigt werden sollte, auswarfen.

      Nur weil mein Name darauf stand, war ich überhaupt davon ausgegangen, hier willkommen zu sein. Aber was, wenn die Madame jemand anderen mit meinem Namen gemeint hatte?

      »Also, dann würde ich sagen, du segelst wieder nach Hause oder heuerst auf einem Schiff an und bereist die Welt.« Er klopfte mir auf die Schultern. »Das Eichhörnchen würde ich dann aber aussetzen. Das macht dir nur Kummer.«

      Ich schluckte. »Du weißt von Maron?«

      »Du sprichst mit dem Tier. War nicht zu überhören, besonders wenn du Essen in deine Tasche gesteckt hast.« Er lachte. »Keine Sorge, sonst hat es niemand bemerkt. Aber pass besser auf. Ich weiß nicht, ob Madame Cremant glücklich über Nagetiere in ihrer Werkstatt ist.«

      Ich nickte. »Danke, Cham. Du hast mir die Überfahrt wirklich leichter gemacht.«

      »Keine Ursache, Kleines. Ich wünsche dir viel Glück. Mögen die Meeresgötter geben, dass wir uns wiedersehen.«

      Anders als in vielen Ländern glaubten die Seeleute fast einheitlich an Meeresgötter. Jeder andere wäre für eine solche Äußerung in Dundra auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Aber den Matrosen gestattete man diesen Glauben. Schließlich waren die Meere wild und man wollte den Seemännern nicht den Mut nehmen.

      Als der Steg bereit war, verließen die Menschen das Schiff. Es gab strenge Rangordnungen und ich würde als eine der Letzten gehen. In meiner Tasche schien Maron aufgeregt zu sein. Entweder das oder er musste sich dringend erleichtern. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht mein einziges Buch und mein zweites Kleid als Toilette missbrauchte.

      Als ich festen Boden unter den Füßen hatte und nicht mehr alles schwankte, öffnete ich die Tasche. Ein haselnussbrauner Kopf tauchte hastig auf.

      »Liebe Güte, Oriana! Wolltest du mich umbringen? Du kannst mich nicht so lange da drinnen einsperren.«

      »Du warst keine Stunde da drinnen. Außerdem, was hätte ich machen sollen? Man durfte dich ja nicht sehen.«

      »Also wirklich. Und dann nennt mich dieser Seebär auch noch Nagetier! Ich bin ein Seelentier!«

      Ich schmunzelte. Maron wurde nicht müde zu betonen, dass es kein Zufall gewesen war, als wir uns trafen. Ich hatte ihn im letzten Winter verletzt in der Nähe meiner Hütte gefunden. Die meisten Menschen hätten ihn sterben lassen, aber ich brachte es nicht über mich. Also nahm ich ihn mit und pflegte ihn. Das änderte nichts daran, dass ich fast einen Herzstillstand erlitten hätte, als er plötzlich zu sprechen begann.

      Seelentiere waren Menschen mit magischer Begabung vorbehalten. Sie erschienen ihnen, wenn sie ihre Kräfte entwickelten. Ich konnte über mich viel behaupten, aber nicht, dass ich in der Lage war, Magie zu wirken, obwohl ich sie ziemlich sicher in mir trug. Also war Maron entweder kein Seelentier oder er hatte mich viel zu früh gefunden.

      »Verhalte dich bitte trotzdem ruhig, wenn ich zu dem Laden gehe. Ich möchte nicht gleich wieder umkehren müssen.«

      Maron zwinkerte. »Kannst dich auf mich verlassen!« Er reckte mir den Finger hoch, der am ehesten einem Daumen entsprach, dann verschwand sein flauschiger Kopf wieder in der Tasche. »Aber lass bitte ein wenig offen! Ich brauche schließlich Luft!«

      Seufzend rollte ich mit den Augen. Als ob er keine Luft bekommen würde, wenn ich die Verschnürung ganz zuzog. Dennoch tat ich ihm den Gefallen. Schon weil ich sonst wohl keine Ruhe gefunden hätte.

      Ich tastete nach dem Brief, den ich in die Brusttasche meines ausgeblichenen Kleides geschoben hatte, und verließ den Hafen. Der Markt war mein Ziel, denn dort wollte ich mich nach Madame Cremants Laden erkundigen.

      Doch ich ging ziemlich langsam, weil ich die Häuser im ungewohnten Baustil bewunderte. Selbst die Kleidung der Leute, die mir begegneten, war vollkommen anders. Es gab Männer, die in kleidähnlichem Gewand herumliefen. Einige trugen allerdings auch Hosen, nur waren die so ausgebeult, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob die Beine der Menschen hier dicker waren. Jedenfalls waren die Stoffe ihrer Kleidung so ähnlich gefärbt wie die sandsteinfarbenen Mauern der Häuser.

      Frauen sah ich nur wenige, aber wenn, dann hüllten sie sich in farbenfrohe Stoffe und trugen auffälligen Goldschmuck. Ihre seidigen schwarzen Haare glänzten in der Sonne, und sie verbargen die untere Hälfte ihres Gesichts hinter einem fast durchsichtigen Schleier. Die Augen waren sehr dunkel geschminkt,