Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
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wende mich, so weit es die Fesseln zulassen, auf den Rücken, merke jedoch, dass mir speiübel wird. Schließlich habe ich keine andere Wahl und neige mich zur Seite, um mich zu übergeben. Mehr als Schleim und Blut ergießt sich allerdings nicht auf den Boden.

      Nach mehreren Minuten der Stille ergeht es mir immer schlimmer. Mein Körper erhitzt sich und ich habe das Gefühl zu glühen. Die Schnitte brennen wie Feuer, ich halte die Schmerzen kaum aus. Wehleidige Laute entfliehen mir, als ich mich hilflos von einer Seite auf die andere drehe. Das Metallstäbchen muss irgendwann meinen Fingern entglitten sein, da ich es nicht mehr festhalte.

      Aus meinen Augen treten Tränen, die meine Wange hinunterkullern. Sosehr ich mich auch bemühe, einen klaren Gedanken zu fassen, die Qual lässt es nicht zu. Also tue ich etwas, um nicht den Verstand zu verlieren.

      Ich denke an Rave, an unsere gemeinsame Reise, an unser erstes Treffen in Massott. Wie der Griff nach einem letzten Strohhalm klammere ich mich an unsere Erinnerungen, an das Gefühl, damals das Richtige getan zu haben, als ich mich entschied, Rave zu folgen. In meinem Kopf male ich mir ihre Gestalt aus, halte diese fest, als wäre es das Letzte, an das ich denken will, bevor ich sterbe.

      »Es tut mir leid«, entfährt es mir erneut. »Ich mach’s wieder gut. Versprochen.«

      Schließlich schlafe ich trotz der Pein ein und bin froh darüber, für den Moment dem Leiden zu entkommen.

      Obwohl bereits mehrere Stunden vergangen sind, traue ich mich noch immer nicht, meine Finger zu bewegen. Natava hat für mich heimlich Verbände mitgehen lassen, um die Blutung wenigstens zu stoppen. Ihre Hilfe ist der einzige Lichtblick in diesen grauenvollen vier Wänden. Sie scheint meinen Schmerz nachvollziehen zu können und war vollkommen erschrocken, als sie mich mit meinem blutbesudelten Kleid vorfand.

      Sie schaut zweimal am Tag vorbei und bringt mir etwas zu trinken und zu essen, das sie in ihre Schürze gestopft hat. Es ist nicht viel, dennoch rettet sie mir damit das Leben.

      Als sie gerade wieder nach mir sieht, liege ich erschöpft im Bett, und meine Hand schmerzt. Vorsichtig öffnet sie den Verband und tastet anschließend meine Stirn ab.

      »Ihr fiebert, Mylady. Die Wunde entzündet sich, weil wir sie nicht gereinigt haben.«

      Mit schweren Lidern sehe ich zu ihr, während sie das Blut wegwischt. Ich unterdrücke einen Klagelaut, indem ich mir auf die Unterlippe beiße.

      Sie hält ihren Zeigefinger an den Mund, um mir zu bedeuten, still zu sein. Anschließend zieht sie etwas aus ihrer Schürze, das wie ein kleines Fläschchen aussieht. »Es ist ein starker Met, den ich habe mitgehen lassen. Er sollte zumindest Eure Wunden reinigen.«

      Ich schnappe scharf nach Luft, weil ich weiß, wie grauenvoll das Zeug brennen wird. Doch sosehr ich mich auch davor fürchte, dieses Gesöff über meine Verletzung gießen zu lassen, ich werde keine andere Wahl haben. Wenn die Wunde sich erst einmal richtig entzündet, werden die Tage noch qualvoller. Selbst Danev schafft es nicht, mit ihren Heilkräften zu mir durchzudringen.

      Natava knotet für mich einen kleinen Teil der Decke zusammen und drückt mir diesen zwischen die Zähne. Schweißperlen rinnen an meiner Schläfe hinunter.

      Nervös sehe ich dabei zu, wie sie die schmutzigen Verbände unter meine Hand legt, um nichts auf dem Bett zu verschütten, während sie das kleine Fläschchen ansetzt und den Met über meine Hand tröpfeln lässt. Als der erste Tropfen auf die offene Wunde trifft, kann ich nicht anders, als zu schreien. Zum Glück dämpft die Decke zwischen meinen Zähnen den Laut ein wenig, sodass die Wachen mich draußen hoffentlich nicht hören.

      Ich schließe die Lider, während mein ganzer Körper verkrampft. Der Met fühlt sich an, als würde er meine Hand wegätzen und sich noch tiefer in das Loch hineinfressen.

      Nach etwa einer Minute ist Natava bereits dabei, neue Verbände um meine Hand zu wickeln, sodass das Brennen langsam abnimmt. Tränen sind mir währenddessen aus den Augen getreten und an meinem Kinn zusammengelaufen.

      »Ich werde Euch eine Salbe besorgen, Mylady. Eine Bedienstete von uns ist eine Kräuterkundige und kennt sich mit solchen Verletzungen aus.« Natava seufzt frustriert. »Ich würde Euch gerne eine Heilrune mitbringen, doch die müsste ich erst einmal erwerben und in den Palast hineinschmuggeln.«

      Ich schüttle den Kopf und wische mir die Schweißperlen von der Stirn. »Nein, Natava. Ist schon gut. Du hast mehr als genug für mich gemacht.« Auf meine Lippen legt sich ein sanftes Lächeln. »Vielen Dank.«

      Sie streicht behutsam mit den Fingern über meinen Handrücken und ich bin wirklich froh, wenigstens einen Menschen in diesem Palast zu kennen, der mich nicht quälen wird. Natava tut mir richtig gut und ich werde ihr niemals vergessen, wie sie mir hilft.

      »Ich habe Euch ein bisschen Brot und Wasser mitgebracht, Mylady. Teilt es Euch gut ein, denn ich kann erst wieder morgen früh nach Euch sehen.«

      Ich drücke dankbar ihre Hand. »Einfach nur Rave, Natava. Denn ich bin keine Mylady und ganz sicher gehöre ich nicht in diesen grauenvollen Palast.«

      Sie lächelt nur zart. »Wie Ihr wünscht, Rave.«

      Als sie sich erhebt, verschwindet sie mit einem letzten Blick über die Schulter aus dem Zimmer und ich atme tief durch. Tatsächlich scheint der Alkohol bereits seine Wirkung zu zeigen, denn das Pochen nimmt mit der Zeit ab.

      Während ich also einfach im Bett liegen bleibe, schweifen meine Gedanken zu Finn und meinem Bruder. Welche Qualen müssen sie in diesem Moment erleiden und was macht Roan wirklich mit ihnen?

      ›An ihm klebten Spuren von portes tenebra. Vermutlich bedient er sich genau wie sein Vater an dieser Macht‹, erklärt Danev, die sich seit dem Essen nicht mehr gemeldet hat.

      ›Dann gibt es also wirklich eine Quelle hier im Palast.‹

      ›Vermutlich, sonst wären die Kräfte des Imperators nicht so furchteinflößend. Selbst ich, die sich in den letzten Jahrhunderten noch nie vor irgendwem gefürchtet hat, würde es bevorzugen, diesem Mann aus dem Weg zu gehen.‹

      Mir verpasst es eine weitere Gänsehaut, daran zu denken, was geschehen könnte, wenn er herausfindet, dass ich gelogen habe. Die Schmerzen an meiner Hand wären wohl nur der Anfang. Aber fürchtet er sich nicht davor, dass ich erneut mein Leben aufgebe und dann fliehe?

      ›Ich glaube, er will dich auf eine andere Art quälen. Seelisch. So lange, bis du den Verstand verlierst.‹

      Ich zische empört. ›Dafür muss er aber sehr viel tun, damit dies geschieht.‹

      Danev zögert für den Moment, bevor sie vorsichtig antwortet. ›Rave, ich kann bereits spüren, wie es dich zerfrisst. Es zermürbt dich schon allein der Gedanke, dass Finn und dein Bruder leiden, während du in diesem Turm gefangen bist und ihnen nicht helfen kannst.‹

      So gern ich ihr widersprechen möchte … sie hat recht. Es zerstört mich von innen. Langsam. Schleichend, wie eine alles zerfressende Krankheit.

      Der Imperator wollte mich vermutlich dabeihaben, damit mir Roan von seinen Experimenten erzählt und wie er Finn und Ravass foltert. Wahrscheinlich ist es nicht das letzte Mal gewesen, dass ich mit ihm an einem Tisch sitze. Vielleicht massakriert er beim nächsten gemeinsamen Essen meine andere Hand.

      Ich beschließe, ein wenig zu schlafen, um dem Schmerz zu entfliehen, doch da klopft es bereits an der Tür. Im ersten Moment habe ich Natava erwartet, die zurückgekehrt ist oder einen Weg gefunden hat, mir die Salbe zu bringen.

      Aber es tritt eine ganz andere Gestalt herein. Überrascht schaue ich in die mir bekannten dunkelbraunen Augen. »Torava!«

      Sie bittet mich mit einer deutlichen Handbewegung, still zu sein, und kommt an mein Bett geschlichen. »Die Wachen wechseln gerade ihre Schicht. Ich kann nicht lange bleiben«, flüstert sie. Ihr Blick fällt mitleidig auf meine verletzte Hand. »Zeig mal her.«

      Ich reiche ihr den Arm, damit sie zart die Verbände abnehmen