Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
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      Mit zunehmender Panik sehe ich ihm nach, bis er im Gang von der Dunkelheit verschluckt wird.

      »Bringt ihn auf den Tisch«, befiehlt er den Männern, die sich an meinen Fesseln zu schaffen machen.

      Gerade als sie meine beiden Handgelenke lösen, nutze ich die Gelegenheit und wehre mich gegen die Griffe der Soldaten. Doch sie müssen eine ›Stärke‹-Rune anwenden, denn ihre Kraft erscheint mir unmenschlich.

      »Spar dir deine Energie für den Prozess«, rät mir Roan grinsend, bevor sie auch meine Füße lösen und mich zum Tisch schleifen.

      Ich höre jedoch nicht auf ihn und beginne nach den Soldaten zu treten, woraufhin ich einen heftigen Fausthieb abbekomme, der meinen Kopf zur Seite schleudert. Die Stelle pocht unangenehm auf meiner Wange und hinterlässt ein schmerzhaftes Hämmern.

      Auf dem Tisch werde ich wie Ravass zuvor fixiert, und Roan entfernt mein schweißdurchtränktes Hemd.

      Als er die weißen Runen unter meiner Haut erblickt, fährt er mit dem Finger darüber und funkelt diese begeistert an. »Wirklich eine außergewöhnliche Erfindung von Nura. Wir hatten schon einmal einen Schatten in unseren Händen und versuchten seine Runen an uns zu nehmen, doch sie lösen sich in Luft auf, sobald sie vom Körper entfernt werden.«

      Damit muss Nura die Macht der Runen sichern. Aber wie stellt sie diese dann wieder her, wenn sie dadurch zerstört werden? Ob sie selbst auch Runen schmieden kann? Es entzieht sich meiner Vorstellungskraft, Nura mit einem Schmiedehammer in der Hand arbeiten zu sehen. Würde sie sich überhaupt die Mühe machen? Vielleicht gibt es einen einfacheren Weg. Falls ich hier jemals wieder herauskomme, will ich sie das unbedingt fragen.

      Meine Arme und Beine werden an dem Tisch festgesurrt, sodass ich nur wenig Freiraum habe, um mich in gewisse Richtungen zu drehen. Doch meine Hand schafft es über den Rand hinaus zu greifen, sodass meine Fingerspitzen den dünnen Metallstift berühren, der in einer Kerbung steckt.

      Roan wird wieder ein Messer gereicht, mit dem er sich an meinem Bauch zu schaffen macht. Er legt die kalte Klinge an meine Haut, und ich presse bereits meinen Körper auf den Tisch, um mich auf den kommenden Schmerz vorzubereiten.

      »Übrigens haben wir mit deiner reizenden Ravanea zusammen gespeist«, erzählt er unverhofft und ich horche sofort auf. »Ich muss zugeben, sie ist eine sehr hübsche Frau, wenn man ihre Narben verdeckt und den Dreck aus ihrem Gesicht beseitigt. Wusstest du eigentlich, dass ihre Mutter eine Adlige gewesen ist?«

      Rave entstammt einer Adelsfamilie? Warum hat das Imperium nie etwas erwähnt? Selbst damals, als man sich auf die Suche nach ihr begab, hieß es immer nur, ihre Eltern seien Bauern aus ärmeren Kreisen gewesen.

      Doch was tat sie bei Roan? Was hat dieser kranke Bastard mit ihr vor?

      Bevor ich das allerdings fragen kann, hat er bereits die Klinge in meinen Körper gerammt, um meine Haut Stück für Stück aufzureißen. Ich unterdrücke einen Schrei, spanne all meine Muskeln an und wehre mich gegen die Fixierung am Tisch.

      Als er das Messer endlich anhebt, gebe ich ein angestrengtes Keuchen von mir und beobachte, was Roan als Nächstes tut. »Allerdings hat sie meinen Vater sehr verärgert, sodass sie nun erst einmal die nächsten Wochen nicht fähig ist, ihre Hand zu nutzen.«

      Was?!

      Dieser erbärmliche Mistkerl! Wer ist sein Vater? Etwa der Imperator? Und wieso hat er ihre Hand zertrümmert?

      »Du kranker …«, knurre ich zwischen meinen zusammengepressten Lippen hervor, doch bevor ich weitersprechen kann, erkenne ich bereits, wie die violette Flüssigkeit auf meine Wunde tropft.

      Keine Worte dieser Welt könnten den Schmerz beschreiben, den ich in diesem Augenblick empfinde. Die Qual ist schlimmer als Säure, da sie eine Mischung aus Feuer und einem Pochen ist, die sich durch sämtliche Organe bohrt. Es fühlt sich an, als würde mir jemand bei lebendigem Leib die Haut abziehen und darunter alles mit flüssigem Eisen von meinen Knochen schmelzen.

      Mir entfährt ein so leidvoller Schrei, dass meine Kehle rau und wund wird. Ich stemme mich gegen die Fesseln. Durch meine Kraft bekomme ich das Gefühl, meine Muskelstränge würden zerreißen. Ich winde mich, will dem Schmerz entkommen und schließe die Lider, als mir Schweißperlen in die Augen rinnen.

      Der Schmerz verebbt nicht, sondern gräbt sich nur noch tiefer in meine Eingeweide. Tränen fließen meine Wangen hinunter und ich habe das Gefühl, sterben zu wollen. Diese Qual kann man nicht aushalten, zumindest nicht lange.

      »Vielleicht sollte ich Ravanea mal mitbringen. Sie würde das hier bestimmt zu gern sehen«, höre ich zwischen meinen Schreien heraus.

      Nein. Rave darf das hier niemals sehen. Sie würde daran zerbrechen, sich ihr Leben lang Vorwürfe machen und diese grauenvollen Bilder nie wieder aus ihrem Kopf bekommen. Sie hat mir damals das Versprechen gegeben, mir in den Tod zu folgen, wenn ich dieses Mal endgültig sterben sollte. Aber sie darf sich nicht das Leben nehmen, wenn so viel mehr auf dem Spiel steht. Nura, Iain und der Erbauer brauchen ihren fehlenden Teil, damit sie gemeinsam dieses Scheusal von Imperator töten können.

      Anders gesagt: Ich darf nicht aufgeben und sterben. Ich muss kämpfen und verhindern, dass wir alle hier in Baltora untergehen.

      Obwohl ich kein zweites Mal durchhalten werde, reiße ich mich dennoch zusammen. Meine Kraft neigt sich dem Ende zu, während Roan mir bereits den zweiten Schnitt zugefügt hat.

      »Du wirst etwas ganz Besonderes sein, Finnigan. Eine Bestie, wie es sie noch nie gegeben hat.«

      Erneut droht die violette Flüssigkeit in meine Wunden zu laufen, doch ich umfasse den dünnen Stift mit meinen zwei längsten Fingern und ärgere mich im selben Moment, dass ich ihn nicht herausbekomme. Die Fesseln sind zu stramm angezogen, sodass ich es nicht schaffe, ihn aus der Kerbung zu lösen.

      Der qualvolle Prozess wiederholt sich, als die Flüssigkeit meine Wunde trifft und sich durch alles hindurchfrisst. Ich schreie mich heiser, bis aus meiner Kehle nur noch ein Röcheln dringt und mir speiübel wird.

      Meine Kraft hat mich mittlerweile so gut wie verlassen, sodass ich nur noch zögerlich und schubweise meine Muskeln bewegen kann. Doch als Soldaten die Fesseln an meiner Hand lösen wollen, rutsche ich mit dieser näher zum Stift heran, um ihn in den wenigen Sekunden, die mir gegeben werden, unauffällig aus der Kerbung zu reißen.

      Als die Soldaten ein Auge auf meine Bewegung werfen, lasse ich es so aussehen, als wäre ich am Tisch abgerutscht, während sie mich anheben. Ich verstecke den dünnen Metallstift zwischen meinen Fingern und tue so, als wäre ich der Ohnmacht nahe – wovon ich allerdings auch in Wahrheit gar nicht so weit weg bin.

      Die Männer transportieren mich zu meinen Fesseln und befestigen mich wieder. Dieses Mal lassen sie die Ketten locker, damit ich mich mit dem Hintern auf den Boden fallen lassen kann, was ich innerlich als kleinen Sieg bejuble, da sich das Schloss so besser aufknacken lässt.

      Roan beugt sich noch einmal zu mir herunter. »Du bist standhafter als dein Freund«, bemerkt er. »Vielleicht liegt das auch an deinen Todeskriecher-Kräften, die den Schmerz hemmen.«

      Auf sein Gesicht stiehlt sich ein diabolisches Grinsen, das mir eine Gänsehaut über den Körper jagt. Wie gern ich diesen Kerl einfach töten würde.

      »Du könntest ein sehr interessantes Projekt werden«, sagt er zum Schluss, bevor er sich erhebt und mit den Soldaten aus dem Raum verschwindet.

      Ich warte noch eine Weile, um sicherzugehen, dass sie wirklich weg sind. In meinen Ohren rauscht das Blut, und meine gesamten Muskeln beben. Dabei fällt es mir schwer, den dünnen Metallstift in der Hand zu behalten.

      Um mir die Arbeit zu vereinfachen, drehe ich mich auf die Seite und versuche meine Fesseln an den Händen mit dem dietrichähnlichen Stück zu öffnen. Doch diese Aufgabe stellt sich als schwieriger heraus, als ich anfangs dachte.

      Ich bekomme ständig heftige Krämpfe im Bauchbereich, die mich aufschreien lassen. Meine Arme nehmen mit der Zeit genau wie bei Ravass eine graue Farbe an. Das Atmen fällt mir schwer