Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
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hier ein Ende. Denn noch einmal stehe ich diese Schmerzen nicht durch.

      ›Wir finden eine Lösung. Er will dich nur einschüchtern, Ravanea.‹

      ›Ich lasse mich nicht erneut quälen. Nie wieder, Danev.‹

      Als Roan verschwindet, widme ich mich Ravass, der vollkommen kraftlos in seinen Ketten hängt und aufgrund der Folter kein Wort herausbekommt. Sein Oberkörper ist nackt, getrocknetes Blut klebt auf seiner Haut, und seine Wunden sind mit einer schwarzen Kruste überzogen, als hätte sie jemand verätzt. Seine Lider sind geschlossen und rote Flüssigkeit rinnt aus den tieferen Kratzern hinab, die er sich zugezogen hat, als er sich vorhin wehrte. Die Haut hat eine unnatürlich graue Farbe angenommen, als wäre sein Körper blutleer.

      »Rede mit mir«, fordere ich ihn auf, doch er reagiert nicht.

      Angestrengt versuche ich ihn mit meiner Fußspitze zu berühren, doch ich bin zu weit weg.

      Möglicherweise könnte Ravass auch das Bewusstsein verloren haben, da ich ihn noch nie so schreien gehört habe. Woraus besteht diese Flüssigkeit? Säure?

      Roan sprach von Experimenten. Doch welcher Art?

      Meine Hände fühlen sich taub an, da sie durch mein Gewicht und die engen Fesseln gequetscht werden. Ich kann mir wohl nicht annähernd vorstellen, was Ravass durchmachen musste, doch seine Schreie und die Versuche, der Qual zu entkommen, werde ich nie wieder vergessen.

      Ich lege den Kopf gegen die kühle Steinwand hinter mir und gebe mir Mühe, mich nicht von dem Gedanken einschüchtern zu lassen, dass Roan morgen meinen Körper quälen wird. Bereits jetzt läuft es mir eiskalt den Rücken hinab, wenn ich nur daran denke, wie er Ravass’ Bauch aufgeschnitten hat, um die Flüssigkeit hineinfließen zu lassen.

      Vermutlich wäre es für mich viel schlimmer als für Ravanea und Ravass. Die beiden wissen, wie es sich anfühlt, gefoltert zu werden, doch ich bin in einem wohlerzogenen Haus groß geworden, habe Reichtum und Sicherheit genossen und bisher nur einmal den Tod überlebt.

      Aber was ist schon eine ›Todesurteils‹-Rune gegen das hier?

      Die Panik will sich einen Weg zu mir bahnen, doch ich reiße mich zusammen, um ihr nicht zu verfallen. Ravass und ich müssen so schnell wie möglich eine Lösung finden, bevor wir beide in diesen Gewölben verrotten.

      Aufmerksam schaue ich mich im Raum um, entdecke jedoch nichts, was uns dabei helfen würde, uns von unseren Ketten zu befreien. Das Imperium scheint für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Selbst die Instrumente befinden sich auf der anderen Seite, so weit wie möglich von uns weg.

      Ich schaue wieder auf den Tisch, auf dem Ravass vorhin gefoltert wurde. An der Seite der verrosteten Metallfläche erkenne ich einen merkwürdigen, dünnen Stift, der die Oberfläche wohl fixiert. Wenn ich diesen herausziehen könnte, wäre es mir zumindest möglich, jemanden damit zu verletzen oder sogar das Schloss meiner Fesseln aufzubrechen, da diese nicht mit Magie versehen sind.

      Auch wenn es die Rune an meinem Hals nicht zulässt, bemühe ich mich dennoch, meine Todeskriecher-Kräfte zu aktivieren.

      Am anderen Ende des Tisches hängen an mehreren Nägeln geordnet Runenplaketten, von denen ich wissen muss, ob uns eine nützlich wäre. Mit einer normalen Sicht werde ich die Runen nicht lesen können, doch mit meinen geschärften Sinnen wäre es möglich, sie zu entziffern.

      Durch die Anstrengung halte ich irgendwann die Luft an. Hitze überkommt mich, die ich eigentlich als Todeskriecher gar nicht spüren dürfte. Trotz allem läuft mir der Schweiß an den Schläfen hinab, und die Rune am Hals wehrt sich gegen den Versuch, an meine Kräfte heranzukommen. Sie beginnt zu brennen, als warnte sie mich vor meinem Vorhaben, doch ich ignoriere sie.

      Mein Brustkorb droht zu platzen, genau wie mein Kopf, in dem sich ebenfalls Hitze sammelt. Ich spanne meine Arme an und rufe in mir immer wieder nach meinen Fähigkeiten.

      Gerade als meine Energie zur Neige geht, wechselt meine Sicht zwischen nah und fern. Wie ein Deckel, der auf- und zuklappt, tauchen meine Kräfte kurz auf, bevor sie wieder verschwinden.

      Ich nutze dieses kleine Schlupfloch aus und lese bei jeder Chance eine Rune nach der anderen ab. Drei von ihnen sind unnütz und bezwecken nur, dass man eine Apparatur aktiviert. Aber bei der nächsten erkenne ich eine ›Heilungs‹-Rune, die zumindest unsere groben Wunden beseitigen würde.

      Die folgende lässt mich einen kleinen Freudenlaut ausstoßen, was eine Mischung aus Keuchen und Atmen ist. Es handelt sich dabei um eine ›Entsieglungs‹-Rune, die all meine Todeskriecher-Kräfte zurückbringen könnte.

      Wenn ich diese in die Finger bekäme, wäre es mir möglich, Ravass und mich hier herauszubringen und anschließend nach Rave zu suchen.

      In meinem Kopf nimmt langsam ein Plan Gestalt an, und auch wenn ich erst einmal die Folter überstehen muss, um an den dünnen Metallstift zu kommen, der glücklicherweise in der Nähe meiner Fesseln liegt, fühlt es sich unbeschreiblich gut an, ein Ziel zu haben.

      »F-F-i-n-n«, krächzt Ravass neben mir mit solch schwacher Stimme, dass mich der Drang überkommt, ihm augenblicklich zu helfen. »Bi-st du-u da?«

      Großer Schöpfer, was ist nur los mit ihm? Ist dieses Zeug schuld an seinem Zustand, das von Roan in seine Wunden getröpfelt wurde? »Ich bin hier«, flüstere ich und hätte gerne meine Hand auf seine Schulter gelegt, um ihm zu zeigen, dass er nicht halluziniert.

      »M-ir ist so üb-el.« Noch im selben Moment dreht er den Kopf zur Seite und würgt Blut und Schleim hervor, wovon ein Teil jedoch über seinen Arm läuft.

      Wie kann man jemanden nur so fertigmachen? Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob Ravass überhaupt wirklich bei Bewusstsein ist, denn nach seinem Würgen sackt sein Kopf zur Seite.

      »Ravass?«

      Keine Antwort.

      Wenn ich morgen in denselben Zustand gebracht werde, wie soll ich dann meine Fesseln lösen? Ich werde uns unmöglich hier herausschaffen können.

      Aber ganz gleich, wie sehr Roan mich auch foltern wird, irgendwie muss ich mich zusammenreißen, um meinen Plan zu erfüllen. Denn wenn nicht, dann war’s das.

      Dann ist das hier unser Grab.

      Es vergeht mindestens ein Tag. Mittlerweile sehne ich mich nach Essen und Trinken. Meine Lippen sind aufgerissen und trocken. Mein Mund fühlt sich an, als hätte ich Holzspäne verschluckt.

      Ravass’ Zustand wechselt ständig zwischen ohnmächtig und bei Bewusstsein. Er leidet an einem hohen Fieber, das sich vor ein paar Stunden angekündigt hat. Ständig faselt er merkwürdige Sachen, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Er halluziniert und würgt immer noch Blut und Schleim hervor.

      Ich würde ihm so gerne helfen, aber meine Fesseln lassen es nicht zu, dass ich ihn berühre. Er reagiert auf keines meiner Worte und sackt ununterbrochen in sich zusammen, als würde er gegen eine Ohnmacht ankämpfen. Letztendlich ist sein Körper zu schwach, um sich aufrecht zu halten.

      Schließlich taucht Roan wieder mit seinen Soldaten auf und er sieht sich Ravass genauer an. Grübelnd reibt er sich über das Kinn und stößt seinen Gefangenen an der Schulter an. »Ich bin wirklich erstaunt, dass er die Nacht überlebt hat. Vielleicht hat er doch das Zeug dazu, ein neues geglücktes Experiment zu werden.«

      Sterben seine Opfer normalerweise bereits nach dem ersten Prozess? Großer Schöpfer, was ist das für ein Zeug, das er in die Wunden fließen lässt? Ob es sich doch dabei um eine spezielle Säure handelt?

      »Bringt ihn in seine Zelle, und ein Heiler soll sich um ihn kümmern. Wenn er dann in ein paar Tagen wieder auf den Beinen ist, machen wir weiter.«

      Weiter?!

      Sieht er nicht, dass Ravass vor der Schwelle des Todes steht? Er kann ihm das doch kein zweites Mal antun! Wie gern ich meine Todeskriecher-Klauen um seinen Hals schlingen und den miesen Bastard töten würde.