Am frühen Vormittag erhielt ich einen Anruf von meinem Bruder, in dem er mich darüber informierte, dass unsere Mutter sich in der vergangenen Nacht still und leise und vor allen Dingen selbstständig und ohne Begleitung und Hilfe – darauf hatte sie nämlich immer den größten Wert gelegt – aus dieser Welt verabschiedet hatte. Plötzlich und unerwartet, wie es immer so schön heißt. Sie war einfach nicht mehr aufgewacht und lag friedlich morgens im Bett als hätte sie sich für den ewigen Schlaf hingelegt.
Obwohl ich weiß, dass der Tod ein Anfang, aber kein Ende ist, war ich traurig. Traurig darüber, dass so viele Jahre vergehen werden, bis ich die Energie und Liebe meiner Mutter wieder direkt erfahren wer-de. Und doch war ich froh, dass ihr Übergang aus dem diesseitigen Leben einfach gewesen ist. Für den Rest des ersten Trauertages sah ich sie vor meinem geistigen Auge, so wie sie gewesen war, als ich zuletzt von ihr Abschied genommen hatte. Winkend, grinsend und ein wenig wehmütig, weil die gemeinsame Zeit schon wieder vorüber war und bis zum nächsten Besuch sicherlich einige Zeit ins Land gehen würde.
Am folgenden Tag jedoch änderte sich das Bild. Plötzlich, mitten am Tag, war nicht mehr die alte Frau vor meinen Augen, sondern ich sah eine junge Mittzwanzigerin in einem geblümten Sommerkleid mit langen im Wind wehenden Haaren, die sich lachend nach unhörbaren Klängen drehte. Meine Mutter. So frei, fröhlich und unbeschwert hatte ich sie noch nie gesehen. Sie winkte, bevor sie sich mit einer letzten Drehung in die Unendlichkeit verabschiedete. Ich glaube, ihre eigene Beerdigung hat sie schon nicht mehr erlebt. Da war sie schon längst mit etwas ganz anderem beschäftigt.
Und von mir hatte sie sich besonders intensiv verabschiedet. Wie hatte die Mama immer gesagt, wenn man ihren Befehlen nicht gleich nachkam: Sie tritt uns ins Kreuz. Diesen Tritt habe ich noch einmal gespürt – er war gar nicht falsch zu interpretieren.
Meine Schwägerin erzählte mir, dass bei ihr in derselben Nacht und zu derselben Zeit etwas in der Küche gepoltert hat – und zwar so sehr, dass sie aufstand um nachzusehen, denn sie vermutete, der Hängeschrank samt Geschirr wäre heruntergefallen. Es war alles ruhig. Auch sie interpretierte diese Geräusche als ›Mamas letzten Gruß‹.
Übrigens haben wir am Tag nach der Beerdigung beim Durchforsten von Unterlagen ein Bild von meiner Mutter aus Jugendtagen gefunden. Weder mein Bruder noch ich hatten dieses Bild je vorher gesehen. Es zeigte sie lachend in einem geblümten Sommerkleid …
Wenn sie so fröhlich und glücklich dort hinaufgestiegen ist, dann muss da doch etwas ganz Besonderes sein – dort auf der nicht-materiellen Ebene. Das war kein Ende gewesen. Sondern etwas ganz Wichtiges hatte für sie ihren Anfang genommen …
Genau diese Geschichte war die Initialzündung, die mich dazu bewog, mich mit dem Thema Leben und Tod zu beschäftigen. Es war meine Mutter, die mir diesen Gruß aus dem Jenseits schickte, als sie sich von mir verabschiedete, nur ein paar Tage nach ihrem Tod und noch bevor die Beerdigung stattfand.
Es war eine unglaubliche Erleichterung in meiner Trauer, als ich dieses Bild sah. Und nicht nur sah, sondern es fühlte. Fühlte, wie glücklich und beschwingt sie war und dass sie mich an diesen Schwingungen teilhaben ließ. Natürlich kam es mir anfangs merkwürdig vor. Und wie es nun eben so ist: Wenn man anfängt, sich mit einem Thema zu beschäftigen, tauchen plötzlich von allen Seiten Menschen auf, die in Resonanz sind und Informationen und Hilfe bringen. So ging es auch mir. Den ersten Büchern, die ich las, folgten die ersten Begegnungen.
Ich lernte eine Frau kennen, die im Diesseits sozusagen „Hängengebliebene“, die sich teilweise sogar als Poltergeister betätigten, in das Licht der Ewigkeit schicken konnte. Ihre Geschichten faszinierten mich – hauptsächlich, da ich auch einige der von den Geistern Heimgesuchten selbst darüber befragen konnte, die allesamt mit beiden Beinen auf der Erde und im Leben standen. Sie waren weder Esoteriker, noch versponnen, sondern einfach Menschen, die dies erlebt hatten. Die Dame – Renate Fecher – und ihre Geschichten werden im Übrigen in diesem Buch des Öfteren zitiert und zur Sprache kommen.
Schließlich nahm ich bei ihr aus Neugier und Interesse an einem Workshop teil: „Der Kreislauf von Leben und Tod“, aus dem ich im letzten Kapitel in diesem Buch berichte. Es eröffnete mir eine gänzlich neue Sichtweise. Er führte mir das vorher theoretisch Gehörte und Gelesene dann praktisch vor Augen. War ich vorher noch skeptisch, ob man mit Toten wirklich sprechen kann und ob deren Seelen weiter existieren, so war ich mir nach diesem Workshop darüber im Klaren, dass es so ist. Ich habe es ja selbst erfahren. Und je mehr und öfter ich selbst versuche, mich hineinzufühlen, umso mehr kann auch ich selbst wahrnehmen, wenn auch nicht in dem Maße wie Renate Fecher.
Je mehr ich mich damit beschäftigte, je näher ich dem Thema kam, umso empfindsamer wurde ich selbst.
Ich habe für mich und mein Leben viel dadurch gelernt, viel erfahren und habe eines ganz sicher verloren: die Angst vor dem Tod und was danach kommt. Ich hadere selten noch mit dieser Unsicherheit, warum ich eigentlich in menschlich-materieller Form auf dieser Erde weile. Was habe ich hier, was ich nicht als Seele schon hatte? Ist diese Erde ein Leidens- und Jammertal? Fragen, auf die jeder einzelne von uns sich selbst einen Reim machen und eine Antwort finden muss.
Dadurch, dass ich mich dazu entschloss, dem Thema Tod einen Raum im Leben zu geben, habe ich die Freude am Leben für mich selbst entdeckt. Nein, ich weiß immer noch nicht ›en Detail‹, was ich in dieser Inkarnation lernen soll. Vielleicht das Loslassen, denn diese Aufgabe hat sich mir schon öfter gestellt. Sicherlich soll ich alte und karmische Wunden heilen – auch in diesem Sinn ist viel bei mir passiert, seit ich offen dafür bin. Sicherlich aber trage ich inzwischen das untrügliche Gefühl in mir, dass das Leben gespielt werden will. Nur hier, in dieser grobstofflich-materiellen Umgebung, sind Erfahrungen und Gefühle möglich, die in feinstofflich-geistig-energetischer Form unerlebbar wären. Und ich habe Frieden damit gefunden, dieses Leben zu spielen in der Form und Art, die ich mir für dieses Mal als Inkarnationsvehikel ausgesucht habe: die Person Edit Engelmann.
Es sind die Freiheit und Zufriedenheit, die ich dadurch fühle, deshalb möchte ich meine Erfahrungen weitergeben. Sie sind der Grund für dieses Buch. Es soll eine Vorstellung davon vermitteln, dass es da noch etwas gibt. Dass „die Toten“ und „die Lebenden“ noch immer in derselben Welt sind, wenn auch auf verschiedenen Dimensionen des Seins. Das Buch möchte aufzeigen, welch wichtiger Moment der Tod im Leben des Menschen ist – und genau wie das Leben selbst jedes Mal wieder einmalig. Deshalb habe ich mich entschlossen, in diesem Buch die Theorie, so wie ich sie verstehe, zu Wort kommen zu lassen – aber auch berühmte Heiler, Schamanen und Wissenschaftler genauso wie Menschen, die über Erfahrungen berichten können, und auch meine eigenen Erlebnisse, die ich im Laufe der Jahre hatte, fließen mit ein, sind diese doch die einzigen, deren Wahrheitsgehalt ich bestätigen kann.
Dr. Stylianos Atteshlis, bekannt unter dem Namen Daskalos, der bekannte Wandler zwischen den Welten aus Zypern, sagte einmal: „Etwas wie den Tod gibt es nicht! Es ist ein Weitergehen des Selbst-Bewusstseins. Wenn wir die materielle Welt hinter uns lassen, findet eine Veränderung der Art und Weise, wie wir leben statt, doch diese Veränderung ist nicht der Tod unseres Selbst als Geist-Seele – es ist noch nicht einmal das Ende unseres Selbst als Persönlichkeit. Nach dem Hinübergehen findet sich der Betreffende in den psychischen Ebenen wieder, in ähnlichen Bedingungen (Umständen), wie sie auf der Erde waren. Er wird auf die gleiche Art und Weise fühlen und denken wie vorher, als er noch im materiellen Körper lebte. Die Fortsetzung ist für die meisten so nahtlos, dass sie anfangs noch nicht einmal bemerken, dass sie hinübergegangen sind. Das ist die Gnade Gottes.“
Also keine Angst. In diesem Kreislauf von Leben und Tod sind wir alle schon oft gestorben – und haben es glänzend überlebt.
Der Tod ist kein Abschnitt des Daseins, sondern nur ein Zwischenereignis, ein Übergang aus einer Form des endlichen Wesens in eine andere.