• Andere werden als Versorgungsobjekt gebraucht, das Fürsorge und Sicherheit gewährt, sowie als Hilfsobjekt bei der Loslösung verwendet. Die Ermöglichung von Autonomie ist eine Anerkennung ihrer Berechtigung. Sie bestärkt die Selbstbehauptung und stabilisiert das Selbst und Selbstwertgefühl. Die Behinderung stellt eine negative Erfahrung dar, auf die das Kind mit Wut reagiert. Die Ambitendenz von Versorgung und Unabhängigkeit, Geborgenheit und Autonomie ist das zentrale Thema des depressiven Modus des sog. Autonomiekomplexes.
• Objekte werden aber auch als Selbstobjekt gebraucht, um die phasenspezifischen Bedürfnisse nach Anerkennung, Bestätigung und Bewunderung zu befriedigen. Sie stützen die noch labile Regulation des Selbstwertgefühls und schützen das Selbst vor Minderwertigkeitsgefühlen und Absturz. Die narzisstische Bedürftigkeit steht im Widerspruch zum Autonomiebedürfnis. Dieser Widerspruch ist der Kern des narzisstischen Modus des Autonomiekomplexes.
Im Gegensatz zur Objektangewiesenheit beim niederen Strukturniveau reicht für die Objekt-Abhängigkeit beim mittleren Strukturniveau bereits die Erinnerung an andere, um sich stabil und sicher zu fühlen und die Beziehung innerlich nicht abzubrechen. Mit dem Spracherwerb und der Etablierung des explizit-deklarativen Gedächtnisses entstehen Erinnerungen, die Beruhigung und Entspannung vermitteln. Sie können auch über längere Zeit aufrechterhalten werden, wenn der andere nicht anwesend ist. Erst bei längerer Abwesenheit verblasst die Erinnerung und muss durch Wiederannäherung134 (
Die Fixierung des Autonomiekomplexes bewirkt, dass die Abhängigkeit von anderen bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen bleibt. Darin manifestiert sich die Bindung an die Mutterrepräsentanz als Selbst- bzw. als Loslösungsobjekt. Diese Bindung ist aber außerordentlich ambivalent. Der Anklammerungs- und Idealisierungsseite stehen Abwertung und Entwertung gegenüber. Die Bindung erzeugt Liebe und Sehnsucht, aber auch Wut und Hass.
Dieses Muster wird auf die wichtigen Beziehungen des späteren Lebens übertragen. Das führt dazu, dass diese zwischen den Polen hin und her schwanken und wechselnden Gefühlen ausgesetzt sind. In Partnerschaften werden Frauen von den Männern und ebenso Männer von den Frauen wie die bemutternde Pflegeperson der Autonomieentwicklung verwendet. Sie werden gebraucht und zugleich wegen der damit verknüpften Abhängigkeit bekämpft. Daraus erklären sich die starke Ambivalenz, die solche Partnerschaften häufig belasten.
Angst und Abwehr bei mittlerem Strukturniveau
Die zentrale Angst dieses Strukturniveaus ist die Objektverlustangst. In reiferer Form tritt sie als Trennungsangst in Erscheinung. Dabei repräsentiert die Objektverlustangst die beginnende, die Trennungsangst die spätere Autonomieentwicklung. Erstere bezieht sich auf das Verlassenwerden oder Verlassensein und enthält die Sorge um die eigene Person, letztere auf das Verlassen des Anderen und die Sorge um die verlassene Person.
Typische klinische Manifestationen des mittleren Strukturniveaus
• Persönlichkeitsstörungen
– Narzisstische Persönlichkeitsstörung (
– Depressive Persönlichkeitsstörung (
• Komorbide Störungen
– Komorbidität von narzisstischen Persönlichkeitsstörungen und Symptomneurosen (sog. narzisstische Neurosen) (
• Verhaltensstörungen, die häufig auf mittlerem Strukturniveau vorkommen
– Essstörungen (
– Abhängigkeitsverhalten (
• Symptomneurosen, die meistens auf mittlerem Strukturniveau vorkommen
– Angststörungen (
– Depressive Störungen (
– Somatoforme Störungen (
Zur Angstauslösung reicht bereits die Vorstellung einer Trennung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Andere trennt oder der Betroffene selbst. Auch eigene zerstörerische Phantasien infolge von Kränkungen und Enttäuschungen werden wie ein Verlust des Anderen erlebt. Wenn die zentralen Ängste nicht hinreichend abgewehrt werden können droht die Dekompensation mit der Manifestation klinischer Syndrome (
Zur Angstabwehr werden zwei verschiedene, miteinander verwandte Bewältigungsstrategien eingesetzt, die zugleich auch vor drohendem Objektverlust schützen: Die depressive und die narzisstische Verarbeitung.
• Die depressive (dependente) Angstabwehr umfasst Strategien, die sich dem Abwehrmechanismus der Identifizierung zuordnen lassen: Sie reichen vom Verzicht auf Selbstbehauptung über Anklammerung, Unterwerfung und Unterordnung bis hin zur Übernahme von Verhaltensweisen, Verleugnung von Gefühlen und Bedürfnissen und zu einem selbstverleugnenden, altruistischen Verhalten. Durch Anpassung wird die Distanz zu den anderen so gering gehalten wie möglich. Spannungen, die zu Trennungen führen könnten, werden vermieden.
• Die narzisstische Angstabwehr umfasst die Abwehrformation Idealisierung und Entwertung. Die Verlust- und Trennungsangst wird hierbei durch Verdrängung von trennenden Wahrnehmungen verleugnet. Daraus entwickelt sich ein unbewusst manipulatives Verhalten, mit dem die anderen unter Kontrolle gehalten und Situationen gesteuert werden.
Bei der Idealisierung und Entwertung handelt es sich um eine milde Form der Spaltungsabwehr des niederen Strukturniveaus. Der Unterschied besteht darin, dass der Andere bei der Spaltung interpersonell durch projektive Identifizierung in das Abwehrgeschehen einbezogen wird; er erlebt dann Veränderungen in sich. Der Modus Idealisierung und Entwertung beim mittleren Strukturniveau bleibt auf innerseelische Prozesse begrenzt, d. h. im Allgemeinen erlebt man die Manipulation, ohne in stärkerem Ausmaß davon betroffen zu sein.
Die Weiterverarbeitung des Autonomiekomplexes
Der