Hilde Artmeier, geb. 1964 in Oberbayern, arbeitete lange in der Industrie als Biologin, Fremdsprachenkorrespondentin und Übersetzerin und lebt heute als freie Schriftstellerin in Regensburg und Karlsruhe. Bisher erschienen zahlreiche Kriminalromane und Thriller aus ihrer Feder, zuletzt »Donauherz« (Emons, 2018) und »Gleißender Tod« (Knaur, 2019), der erste gemeinsam mit ihrem Ehemann, Bestsellerautor Wolfgang Burger, verfasste Action-Thriller.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig, das beinhaltet sämtliche Namen und Spitznamen. Das Dorf »Rocca Maria« in Apulien existiert nicht. Das »Hotel Post« in Burghausen und manch andere Örtlichkeiten sind existent, die damit verbundenen Ereignisse jedoch nicht. Alle italienischen Textpassagen erklären sich entweder aus dem Text oder sind sinngetreu übersetzt.
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© 2020 Emons Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: Val Thoermer/stock.adobe.com
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
Lektorat: Susann Säuberlich, Neubiberg
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-96041-630-2
Originalausgabe
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Für Hans-Peter, Brigitte und Sonja
1
Alles begann mit Benedettas Leidenschaft für Regensburgs Gotteshäuser. Im Alten Rathaus war die junge Römerin schon gewesen, bei der jahrtausendealten Porta Praetoria und auf der Steinernen Brücke sowieso. Und nun also die Kirchen.
»Vor einer halben Stunde hätte sie mich ablösen sollen, vor einer halben Stunde!«, rief Mona mir empört ins Ohr. »Diese Kuh, ständig treibt sie sich nur herum, also echt, ich hab so was von die Nase voll!«
Die stellvertretende Geschäftsführerin meiner Boutique hatte mich angerufen und sich mit jedem Wort noch mehr in Rage geredet. Ich hatte bisher keine Möglichkeit gefunden, ihrem Redeschwall Einhalt zu gebieten. Nun schnaubte sie wie die Dampflok des Fränkischen Museums-Eisenbahnvereins, und ich nutzte die Gelegenheit.
»Mona, ich bin gerade mitten in einem geschäftlichen Termin, ich kann jetzt nicht …«
»Ich bringe sie um«, unterbrach sie mich wütend. »Ehrlich, Anna, dieses Mal bringe ich sie um.«
Sie hatte so laut gesprochen, dass das betagte Paar mir gegenüber, immerhin meine neuen Auftraggeber, vermutlich jedes Wort aus meinem Mobiltelefon verstanden hatte. Ich lächelte den beiden beruhigend zu. Ihre alarmierten Blicke waren mir nicht entgangen.
»Dabei sollte ich längst im Amtsgericht sein.« Mona verlegte sich nun aufs Jammern, wurde dabei aber keine Spur leiser. »Du weißt doch, ich muss zum Anwalt. Was mache ich jetzt bloß?«
»Non c’è problema«, entgegnete ich in meiner ersten Muttersprache und strahlte das trotz ihres Alters rüstige Architektenpaar mit unverändert gelöster Miene an. »Kein Problem, wir besprechen das gleich persönlich. In einer Viertelstunde?«
»Du bist die Beste.« Ein Stoßseufzer. »Die nächsten hundert Jahre kannst du mich als Babysitter einplanen, Anna-Schätzchen«, fügte Mona hinzu, jetzt wieder in ihrem üblichen frech-fröhlichen Tonfall. »Bis gleich im Laden, okay?«
Betont entspannt steckte ich das Smartphone in meine Handtasche aus regenbogenbuntem Patchwork, entschuldigte mich für die Störung und warf einen Blick auf das vor mir liegende Notizbuch. Alles Wesentliche hatte ich notiert, auch das Honorar für den neuen Auftrag war geklärt. Es war, man konnte es nicht anders nennen, geradezu fürstlich.
»Gut, dann bräuchte ich nur noch die Fotos der drei Gemälde, die ich für Sie ausfindig machen soll.« Ich schlug ein Bein übers andere. »Bis Mitte, spätestens Ende nächster Woche sollte die Angelegenheit erledigt sein.«
Und ich unterwegs in die Toskana, um dort gemeinsam mit meinem Lebensgefährten Maximilian und meinem Sohn Vincenzo unseren alljährlichen Sommerurlaub bei meinen Verwandten zu verbringen. Diese zusätzliche Motivation, den neuen Auftrag so bald schon abzuschließen, würde ich meinen Klienten jedoch selbstverständlich nicht auf die Nase binden.
»Das klingt ja vielversprechend«, sagte Julius Kalterer mit seiner sonoren Altmännerstimme. »So können wir also doch noch unbesorgt an die Nordsee fahren, wie wunderbar. Sylt ist die beste Gegend zum Entschleunigen, wie man heutzutage so schön sagt.«
Er legte seiner Frau, die neben ihm saß, die Rechte auf ihre im Schoß flatternden Hände. Dann ergriff er seine Pfeife, die im Aschenbecher auf dem Schellacktischchen zwischen uns lag, ließ das goldene Feuerzeug ein paarmal klicken, nahm einen tiefen Zug und blies einen Rauchkringel in die klimatisierte Luft.
»Die Fotos kriegen Sie per Mail, gleich im Anschluss.« Er sah dem nach Bergamotte duftenden, kreisförmigen Gebilde nach. »Und auch alle sonstigen Eckdaten.«
Zu Beginn unseres Termins hatte der nahezu Achtzigjährige mit jugendlich flamingoroter Hornbrille mir erklärt, das Zimmer, in dem unsere Besprechung stattfand, sei das einzige in der ganzen Wohnung, in dem er rauchen dürfe. Bei den Drucken und Bildern, die die Sitzecke mit den gediegenen Ledersesseln auf drei Seiten schmückten, handelte es sich um die »robusteren Exemplare« der Kalterer’schen Sammlung. Ich war keine Kunstexpertin, schätzte aber den Wert jedes der hier ausgestellten Werke im drei- bis vierstelligen Bereich ein.
»Und bitte, achten Sie auf äußerste Diskretion«, schärfte er mir nun schon zum dritten Mal ein, als ich auch das Notizbuch in der Tasche verstaute. »Wenn sich herumspricht, dass wir eine Privatdetektivin engagiert haben … Nein, das würde nur für unnötige Aufregung sorgen. Wir können uns doch auf Sie verlassen, Frau di Santosa?«
Seine Ehefrau nickte zustimmend, ihre Finger kamen endlich zur Ruhe. Rosina Kalterer war ein zartes Persönchen jenseits der siebzig im leicht angestaubten Chanel-Kostüm. Mit ihren Silberlöckchen, dem herzenswarmen Lächeln und den blitzwachen Augen inmitten der vielen Fältchen erinnerte sie mich an Nonna Emilia, meine geliebte italienische Großmutter.
Erneut versicherte ich, dass Diskretion für mich das höchste Gebot sei, was nicht gelogen war, und leerte ohne Eile meine Teetasse aus feinstem chinesischem Porzellan. Die kleine Anekdote des Hausherrn, wie er das wertvollste Stück der Sammlung, immerhin ein echter Pieter Brueghel der Jüngere, einem Formel-1-Rennfahrer aus Argentinien vor der Nase weggeschnappt hatte, bei einer Auktion in New York, quittierte ich mit interessiertem Lächeln.
Auch in der Diele, wo wir ausgiebig Hände schüttelten, ließ ich mir meine zunehmende Unrast nicht anmerken. Der Kunde war schließlich immer der König.
Kaum aber hatte ich die Tür der luxuriösen Loftwohnung mit direktem Blick auf die Donau hinter mir zugezogen, verschwand die gute Laune aus meinem Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass ich für Benedetta Castiglione einspringen musste, die neue Praktikantin in meiner Modeboutique mitten in der Altstadt und nicht weit von hier. Doch es war das erste Mal, dass ich ihretwegen einen wichtigen Kundentermin so zügig beendet hatte.
Ich lief die Treppe hinunter, knallte die Haustür hinter mir zu, sauste über den Donaumarkt, vorbei am erst vor Kurzem errichteten Museum Bayerischer Geschichte. Auf dem alten Kornmarkt zwängte ich mich zwischen