»Komm bloß hier raus«, lachte sie hellauf. »Sonst wirst du noch zum girrenden Seladon. Und soviel ich weiß, stammst du doch von den Raubrittern ab.«
Dieses goldige Lachen hörte man im Wohngemach, und die darin zu Hause waren, hatten denselben Gedanken: Sie hat uns wieder die Sonne ins Haus gebracht.
Als man dann später bei einem Glase Wein gemütlich beisammensaß, begann Stella sogleich von dem Hochzeitsfest zu sprechen, das ganz etwas Besonderes sein müßte. Schnitt jedoch ein saures Gesicht, als Arvid sagte:
»Leider kann daraus nichts werden, verehrte Schwiegermama.«
»Mein Gott, lassen Sie doch diese fürchterliche Anrede«, preßte sie die Fingerspitzen nervös gegen die Schläfen. »Ich bin ja kaum älter als Sie.«
Dieses »kaum« waren immerhin zehn Jahre; denn der Mann zählte knapp dreißig. So hatte man denn alle Mühe, das amüsierte Lachen zu verbeißen. Hauptsächlich Arvid, der ja weitersprechen mußte.
»Verzeihung, das habe ich nicht bedacht. Also die Tradition verlangt es, daß einem Hörgisholm die Frau in der Schloßkapelle angetraut wird.«
»Aber das geht doch nicht. Zwei so schöne Menschen wie ihr beid …«
»Brauchen sich noch lange nicht zur Schau zu stellen«, warf Felix pomadig ein, der diese Schwägerin bis in den Tod nicht leiden konnte. Sie sah ihn böse an, hielt es jedoch für ratsam, nichts zu erwidern, weil sie genau wußte, daß sie ihm nicht gewachsen war. Also setzte sie ein Gesicht auf wie eine gekränkte Königin, was die andern jedoch nicht weiter störte. Man mußte diese Frau eben so nehmen, wie sie war, dann kam man mit ihr am besten aus.
Zu ihrer eigenen Überraschung gefiel ihr die Hochzeit, die vier Wochen später stattfand, sogar, die vornehm gehalten war. Es lag darüber ein besonderer Hauch, der die hypermoderne Stella sehr beeindruckte. Und langsam fing sie an zu begreifen, daß man es gar nicht nötig hatte, vornehm zu tun, wenn man es von Natur aus war.
Die Tafel war wunderbar geschmückt, ein Werk von Franz, der mit dem Diener der Honnecks servierte. Die Bedienung reichte vollkommen aus, da ja nur die Sippe zugegen war, also mit dem kleinen Enno vierzehn Personen. Zuerst ging es noch ein wenig feierlich zu, doch als Rupert die Hochzeitszeitung vorlas, die er selber verbrochen hatte, da lachte man Tränen. Sie waren aber auch zu köstlich, die Knüppelreime.
Sie begannen mit der Silvesternacht, als der Baron sich diesen nichtsnutzigen Flirt ins Haus holte und damit sein Schicksal besiegelt war. Brachten allerlei drollige Dinge, die Gudrun sich geleistet hatte, und schlossen mit den Worten:
Nun hat er seinen Finderlohn
sich endlich einkassiert
und muß nun auf der Hut stets sein,
nicht werden drangsaliert.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die stürmische Heiterkeit gelegt hatte und man dem »Dichter« die Ovation bringen konnte, die er würdig entgegennahm.
So vergnügt wie dieses junge Paar war wohl selten eins auf die Hochzeitsreise gegangen – und genauso zurückgekehrt in den Schoß der Familie, wo man manchmal die bange Frage stellte: Wohin soll das wohl führen?
»Ins Glück«, gab das Schicksal zuletzt die Antwort darauf. »Ich stelle euch da hinein, nun seht zu, daß ihr es euch erhaltet. Tragt gegenseitig zu eurem Glück bei, dann wird es bei euch bleiben.«
Und es blieb, da jeder nun wirklich dazu beitrug, es nicht zu vertreiben. Denn glücklich werden ist noch nicht einmal so schwer, aber glücklich bleiben ist ein Meisterstück.
Es war, als wolle der Sommer sich noch schier verschwenden, bevor er sein Regiment an den Herbst abgab, der kalendermäßig nach einer Woche seinen Einzug halten sollte. Im Park blühte es üppig auf Beeten und Sträuchern, und die Bäume zeigten noch kein buntes Blatt. Knistertrocken und ährenschwer hatten die Landwirte das Korn bergen können, und auch die Heuernte war so gut gewesen wie schon seit Jahren nicht mehr.
Jetzt konnte man an die Hackfrüchte herangehen, die gleichfalls prächtig gediehen waren. Das Obst, in der Sonne gar herrlich gereift, wartete nur darauf, von emsigen Händen gepflückt zu werden – also gab es in der Landwirtschaft immer noch alle Hände voll zu tun, aber man war auch mit Lust und Liebe dabei, zumal keine längere Regenperiode die mühsame Erntearbeit erschwerte. Es hatte immer gerade nur so viel geregnet, um die lechzende Natur mit köstlichem Naß zu erquicken.
Daher konnte man mit Fug und Recht von einem gottgesegneten Jahr sprechen, wie es soeben die Dame tat, die einer anderen am Doppelschreibtisch gegenübersaß.
Man sah es dem Möbel an, daß ernstlich an ihm gearbeitet wurde, denn es häuften sich auf ihm Kontobücher, Akten, Listen und allerlei lose Papiere.
Es war gar nicht so einfach, sich da zurechtzufinden, doch die Dame, die das alles zu bewältigen hatte, konnte es mit sicherem Griff.
Jetzt hob sie den Kopf von einem mächtigen Journal und sah ihr Gegenüber mit frohen Augen an.
»Tante Hermine, ich kann dir die freudige Mitteilung machen, daß ich bereits ein ganz nettes Haben verbuchen durfte. Noch einige so gottgesegnete Jahre – und wir können Geld scheffeln.«
»Von wegen scheffeln«, lachte die andere bitter auf. »Daß es nicht dazu kommt, dafür wird schon der da sorgen…«
Damit reichte sie ein Schreiben hinüber, das Brunhild von Reichwart betroffen las. Das Gesicht mit den blühenden Farben erblaßte.
»Dann allerdings! Ist der Junge denn ganz von Gott verlassen?«
»Nein, aber von der Leidenschaft besessen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, ihn diesen gierigen Klauen zu entreißen.«
»Was gedenkst du zu tun?«
»Mit einem Donnerwetter dazwischenzufahren.«
»Tante Hermine, man darf Trutz nicht zu hart anpacken – muß ihn mehr als Kranken behandeln.«
»Na, das fehlte gerade noch!« brauste die alte Dame auf, die mit ihren siebzig Jahren noch so manchen Jungen in die Tasche steckte. Und dabei hatte sie ein sehr schweres Leben hinter sich, die Baronin Swindbrecht auf Adl. Brechten. Mit achtzehn Jahren war sie dahin verheiratet worden, sozusagen frisch aus dem Pensionat importiert – verwöhnt, unselbständig und voll schwärmerischer Jungmädchenideale, die der junge Gatte dann aber bald zerbrach. Da er über eine blendende Erscheinung verfügte, hatte er besonders viel Chancen bei den Frauen und war daher immer in irgendeine Amour verstrickt. Und da so was ja recht kostspielig ist, fiel es dem Schwerenöter gar nicht schwer, so peu á peu die reiche Mitgift der ihm aufgedrängten Frau zu vergeuden.
Er blieb denn auch im Duell und ließ eine fünfundzwanzigjährige Witwe, ein sechsjähriges Söhnchen und ein arg verschuldetes Rittergut zurück.
Nun stand die junge Hermine da – weltfremd, hilflos, am Leben verzweifelnd. Und wer weiß, ob sie mit ihrem Jungen nicht Ruhe in dem tiefen Parkweiher gesucht, wenn sich nicht ein Großonkel erbarmend ihrer angenommen hätte. Er war zwar ein Rauhbein, aber ein vorzüglicher Landwirt und hatte außerdem noch Geld, womit er das verlotterte Brechten zu sanieren begann. Zwar schien das zuerst ein aussichtsloses Beginnen, aber mit Energie und eisernem Fleiß ging es denn doch allmählich bergan. Allerdings mußte die junge Herrin auch ihr Teil dazu beitragen, wurde von dem Onkel in eine harte Schule genommen. Als sie protestieren wollte, schnauzte er sie an:
»Du dummes Ding, glaubst du etwa, es macht mir Spaß, hier meine Kräfte und mein Geld zu vergeuden, damit du, wenn ich die Augen schließe, dir doch wieder nicht zu helfen weißt? Ich bin nämlich jetzt über Siebzig und will, wenn ich nächstens abgerufen werde, dich als tüchtige Landwirtin zurücklassen. Reichtümer wirst du hier zwar nicht erwerben, aber du kannst dir und deinem Sohn durch Umsicht und zähen Fleiß die Heimat erhalten!«
Zuerst hatte Hermine bei einer solchen Strafpredigt vor Angst gezittert. Doch als sie