Und dann kommen wir ins Geschäft, mein Junge, nicht wahr?« fragte er herzlich. »Geld kann nie schaden, obwohl du durch Gun zum reichen Mann wirst. Denn sie hat nicht nur selbst Gold an den Patschen, unsere süße Kleine, sie wird mich später auch beerben und dann … ja nun, ich will nicht zu viel versprechen. Ich will dir nur noch sagen, wie froh ich bin, daß ihre Wahl auf dich gefallen ist. Einen besseren Mann könnte sie ja nie kriegen. Und nun geh, man winkt dir schon ungeduldig. Auf Wiedersehen morgen bei dir auf dem Hörgishof.«
Dann sah er schmunzelnd dem Davoneilenden nach, ahnungslos, welch ein Geheimnis er da ausgeplaudert hatte.
Ebenso ahnungslos war auch Gudrun, die eben die Treppe hochsprang und in ihrem Zimmer verschwand.
Tausend rote Rosen blühn in dem Land der Liebe, sang und klang es in ihrem Herzen. Die darf man einer schönen Frau wohl schenken, und er sagte mir, daß ich schön wäre.
Bin ich es wirklich? Sie trat vor den großen Spiegel, sich so aufmerksam beäugend, als sähe sie sich zum ersten Mal. Und was das Glas widerspiegelte, war von zauberhafter Schönheit.
Doch da horchte Gudrun auf. Weinte da nicht jemand? Tatsächlich! Und dieses wehe Schluchzen kam von nebenan, aus Karolas Zimmer. Sollte sie etwa …? Es wäre ja nicht das erste Mal, daß eine Hochzeitsreise ein jähes Ende fand.
Kalt überrieselte es Gudrun, die beide Hände auf das bangklopfende Herz preßte. Die Beine wollten ihr kaum gehorchen, als sie zu der Verbindungstür ging, die Christine in ihrer Aufregung abzuschließen vergaß. Und was Gudrun da erblickte, ließ sie erst einmal aufatmen.
Gottlob, Karola war die Weinende nicht. Aber es war Christine, und die weinte nicht sobald, schon gar nicht so herzzerbrechend.
»Tinchen, was ist dir geschehen?« kniete das Mädchen vor der Schluchzenden nieder, sie mit beiden Armen umfassend. »Das kann ich ja gar nicht mit anhören, Tinchen, liebes, bitte!«
Da hob sich das tränenüberströmte Gesicht, und die zuckenden Lippen sprachen:
»Felix ist plötzlich aufgetaucht. Großer Gott, was fang’ ich bloß an? Wohin soll das wohl führen?«
»Felix?« dehnte Gudrun. »Unser Onkel Felix? Tinchen, den hast du doch schon längst erwartet.«
»Aber doch nicht so«, kam es von den bebenden Lippen in fliegender Hast. »Einfach den Balkon ist er emporgeklettert und durch die geöffnete Tür in mein Zimmer gedrungen. Hungrig, erschöpft, im schäbigen Anzug, zerrissenen Schuhen und nassen Strümpfen, wie ein Vagabund.«
»Aber, Tinchen, das läßt sich doch alles ändern«, tröstete das Mädchen die an allen Gliedern flatternde Frau, die ihr von Herzen leid tat. »Wir kleiden ihn einfach ein.«
»Glaubst du, daß damit alles getan ist?« kam es erbittert zurück. »Er muß doch eine Existenz haben.«
»Die mein Vater ihm schon verschaffen wird.«
»Glaube ich nicht. Denn Felix ist als Taugenichts verschwunden und als Taugenichts wiedergekommen. Und dafür hat ein so korrekter Mann wie dein Vater gewiß kein Verständnis.«
»Wo ist er jetzt?« fragte Gudrun leise.
»Er liegt in meinem Bett. Es war mir einfach nicht möglich, ihn wieder in den Regen hinauszujagen, zumal er mir, nachdem er satt war, unter den Händen einschlief. Hab’ ich da recht gehandelt, Gun?«
»Natürlich, Tinchen. Ich würde an deiner Stelle genauso gehandelt haben. Nun weine nicht mehr, irgendwie wird’s schon werden.«
»Du bist ein gutes Kind«, streichelte Christine zärtlich über das goldhaarige Köpfchen. »Du hast mir mit deinen lieben Worten wieder Mut gegeben.«
»Das freut mich, Tinchen. Komm, lege dich in Karlchens Bett, du bist ja zum Umfallen müde. Ich helfe dir zuerst beim Auskleiden und mische dir dann einen Beruhigungstrank, dessen Rezept ich Sephchen abgebettelt habe. Dann schläfst du erst mal, mein Tinchen, alles weitere wird sich finden. Du bist ja nicht allein, du hast ja Menschen, die dich liebhaben.«
Gudrun wartete noch, bis Christine fest eingeschlafen war, dann ging auch sie zu Bett, ahnungslos, daß indes die Nornen an ihrem Schicksal spannen. Und daß eine böse darunter war, die mit grausamem Lächeln Reif fallen ließ auf eine eben erwachte, glückselige Liebe.
Das sollte Gudrun jedoch erst erfahren, als sie am Morgen auf Hörgishof anlangte, das Herz voller Erwartung und Freude. Sie brachte den Wagen in der Garage unter und schlich heimlich ins Haus, wo sie alle, die ihr Herz so zärtlich umschloß, überraschen wollte. Ob sie noch beim Frühstück saßen, oder ob sie schon …?
Auf diese Frage gab ihr die Stimme Antwort, die sie durch die angelehnte Wohnzimmertür deutlich vernahm. Es war Ruperts Stimme, zorngeschwellt:
»Du Narr, was bildest du dir eigentlich ein! Dieses reiche, schöne und warmherzige Menschenkind hat es wahrlich nicht nötig, dich einzufangen, wie du dich so empörend ausdrückst. Das kann ganz andere Männer haben als einen verschuldeten Gutsbesitzer. Aber leider hat sie ihr Herzchen an dich gehängt, obwohl sie deine arrogante Art eher abstoßen als anziehen müßte.
Das ist nun der Dank dafür, daß sie in so feiner Art dir verhelfen wollte, aus deinen Schulden herauszukommen. Daß sie sich für dich einsetzte in ihrer ganzen Warmherzigkeit. Wenn Theo nur eine Ahnung gehabt, daß Gudrun ihm ohne deine Zustimmung die Truhe zur Abschätzung brachte, er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als mit dir darüber zu sprechen.«
Jetzt hatte Gun genug gehört. Todblaß mit erloschenen Augen löste sie die Hände von dem Türpfosten, den sie haltsuchend umklammert hielt. Taumelte davon, ohne die entsetzte Josepha zu bemerken, die ihr in den Weg trat. Doch ehe diese noch zupacken konnte, lief Gudrun schon der Garage zu.
»Gnädiges Fräulein – liebe Gun, um aller Barmherzigkeit willen! Sie können sich doch so nicht ans Steuer setzen, so doch nicht!« schrie Josepha angstgefoltert der Davonstürmenden nach, was die im Zimmer Weilenden erschrocken auffahren ließ. Doch bevor sie noch die Portaltür erreicht hatten, sauste das Auto bereits ab.
»Großer Gott, jetzt hilf du«, weinte Josepha laut auf. »Laß sie nicht verunglücken, die Gun, unsere Gun, die doch so lieb ist – so gut.«
Die Schürze gegen die Augen pressend, wollte sie davonwanken, doch die Baronin hielt sie zurück, blaß bis in die Lippen. Die Stimme wollte ihr kaum gehorchen, als sie fragte:
»Sephchen, wie konnte das geschehen? Sephchen, so sprich doch!«
»Viel kann ich auch nicht sagen, Frau Baronin«, kam es unter Schluchzen hervor. »Ich ging durch die Halle, und da stand das gnädige Fräulein an der Wohnzimmertür, blaß wie eine Tote. Hielt die Hände im Holz verkrampft und sah so aus, als müßte sie jeden Augenblick umkippen. Und dann lief sie plötzlich davon, bevor ich sie noch aufhalten konnte. Da hab’ ich laut geschrien in meiner Not, doch sie hörte es nicht, war wie taub und blind. Es muß sie etwas bis ins tiefste Herz getroffen haben.«
»Dann hat sie bestimmt unser Gespräch mit angehört«, würgte Rupert hervor, nachdem Josepha gegangen war. »Und das hat sie bestimmt bis ins tiefste Herz getroffen.
»Wo ist denn Arvid geblieben?« sah er sich suchend nach allen Seiten um, doch der Neffe war nicht zu sehen. Der saß in seinem Arbeitszimmer und stöhnte wie ein Mensch, dem tiefste Reue am Herzen frißt.
Was den Menschen im Herrenhaus von Hörgisholm das Herz vor Angst und Not erzittern ließ, traf gottlob nicht ein. Denn der Höchste hielt seine Hand über das zauberhafte Menschenkind, das er sich selbst zur Freude erschuf. Am Körper heil, doch mit gebrochenem Herzen langte Gudrun zu Hause an, wo sie sich in ihrem Zimmer verkroch wie ein todwundes