Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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      »Das ist eine gute Idee«, nickte Robert.

      Die Treppe zu seinem Zimmer hinaufzugehen, bereitete ihm keine Schwierigkeiten.

      Warum sollte er den Rat des Hoteliers nicht befolgen? Immer noch war er von der Wirkung der Thureckerschen Salbe verblüfft.

      »Na, alter Knabe, das ist ja noch mal gutgegangen«, sagte er im Selbstgespräch, als er vor dem Spiegel im Bad stand und das Pflaster entfernte.

      Er genoß eine ausgiebige Dusche und rasierte sich.

      »Ist schon ein tolles Madel«, murmelte er, während er sich den Bart abschabte, und spürte im selben Moment einen heftigen Stich, tief in seinem Herzen.

      Hoppla, dachte er, was ist das denn?

      Für einen Augenblick hielt er inne und schaute sich intensiver an. Es war, als sehe er zwei Gesichter – neben dem eigenen – in dem Spiegel, Franzis und Melanies…

      Robert wischte sich den restlichen Rasierschaum ab und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Während er sich abtrocknete, erkannte er, was ihm schon am Vormittag, als er vor der Hütte saß, geahnt hatte – die Begegnung mit dem Madel konnte kein Zufall sein. Es hatte so kommen müssen, damit sie sich kennenlernten, denn mit jeder Faser seines Körpers wußte Robert, daß er Franziska Burger liebte.

      Diese Erkenntnis ließ ihn zusammenzucken. Ärgerlich warf er das Handtuch auf den Rand der Badewanne, von wo es herunterrutschte und zu Boden fiel. Er achtete nicht darauf, sondern ließ es liegen und ging in das Zimmer zurück. Seine Gedanken schossen Kapriolen, und immer wieder redete er sich ein, daß es nicht sein konnte. Niemals, so hatte er sich damals geschworen, würde sein Herz wieder einer Frau gehören. Das war Verpflichtung für ihn gewesen, aber auch eine Strafe, die er sich selbst auferlegt hatte, für das, was er zu verantworten hatte.

      Robert setzte sich auf das Bett und stützte den Kopf in die Hände. Wie in einem Film lief das grauenhafte Geschehen noch einmal vor ihm ab, und das Beben seiner Schultern zeigte, wie sehr ihn die Erinnerung mitnahm.

      Es dauerte eine Weile, bis er sich beruhigt hatte, dann richtete er sich auf, fuhr sich aufatmend durch die Haare und erhob sich schließlich.

      Das Hotelzimmer war ihm plötzlich zu klein. Es schien, als rückten die Wände immer näher zusammen und wollten ihn er-drücken. Er mußte unbedingt hinaus. Frische Luft atmen und etwas anderes sehen.

      Und vor allem etwas anderes denken!

      Vom Hotel aus schlenderte er die Straße hinunter und wartete darauf, daß seine Gedanken sich endlich wieder beruhigten. St. Johann lag im Schein der untergehenden Sonne, und die Glocken vom nahen Kirchturm riefen zur Abendmesse.

      Robert Feldmann zögerte.

      Sollte er ihrem Ruf folgen?

      Er wartete noch eine ganze Weile, ehe er sich zu einer Entscheidung durchrang. Dann zuckte er die Schulter und ging über den Kirchweg hinauf. Die Messe hatte bereits begonnen, als er sich leise durch die Tür wagte. Robert nahm in der letzten Bankreihe Platz, um den Geistlichen, der vorne am Altar stand, nicht zu stören, und während er den Worten lauschte, war er mit seinen Gedanken doch ganz woanders…

      Endlich riß er sich davon los und hörte dem bewußt zu, was der Seelsorger sagte. Robert Feldmann merkte erst jetzt, wie sehr dieser Mann, der inzwischen oben auf der Kanzel stand und zu der Gemeinde sprach, ihn in den Bann schlug. Er hatte keine Ahnung, wer der Pfarrer von St. Johann war, bei seinem ersten Besuch der Kirche, war er ihm nicht begegnet, doch das, was er zu sagen hatte, und besonders wie er es sagte, unterschied diesen Geistlichen von allen anderen, die Robert bisher kennengelernt hatte, und er betrachtete ihn interessiert, während er den Worten noch aufmerksam lauschte.

      Der junge Werbefachmann war von dem Hirten auf der Kanzel fasziniert. Schon vom Aussehen her entsprach er gar nicht der landläufigen Meinung, die man gemeinhin von einem Landpfarrer hatte. Groß und schlank, was man auch trotz der Soutane erkennen konnte, stand er dort oben, das Gesicht leicht gebräunt, offen und sympathisch. Er lächelte zwischendurch, und die Besucher der Abendmesse hingen, nicht anders, als Robert auch, an seinen Lippen.

      Für einem Moment schmunzelte der Werbefachmann – sollte die Kirche jemals eine Werbekampagne nötig haben, dann war dieser Pfarrer genau der richtige Mann, um sie zu präsentieren, dachte Robert.

      Doch dann rief er sich zur Ordnung und folgte weiterhin aufmerksam der Predigt.

      *

      Sebastian Trenker ahnte nichts von den Gedanken des jungen Mannes, der in der letzten Bankreihe saß. Wohl aber hatte er den verspäteten Kirchenbesucher wahr­genommen, als Robert Feldmann nach Beginn der Messe leise eingetreten war.

      Wie es seine Art war, hatte Sebastian seine Predigt mit launigen Worten gehalten und mit bildhaften Schilderungen unterstrichen. Für ihn sollte Kirche in erster Linie Spaß machen, und die Leute herkommen, weil sie es gerne wollten und nicht, weil sie sich dazu gezwungen fühlten. Beim Bergpfarrer gab es nicht die Androhung des Fegefeuers, auch wenn so manches seiner Schäfchen darunter war, das sich ab und zu ein paar deutliche Worte gefallen lassen mußte. Doch sprach Sebastian den Betreffenden nie direkt an, sondern wählte seine Worte so, daß derjenige schon wußte, daß er gemeint war.

      Am Ende der Messe stand der Seelsorger in der Tür und verabschiedete seine Gemeinde. Jedem einzelnen reichte er die Hand und fand ein gutes Wort für ihn.

      Robert Feldmann war, in Gedanken versunken, auf seinem Platz geblieben. Mit seinem Problem beschäftigt, nahm er nur am Rande wahr, wie sich das Gotteshaus leerte. Unversehens stellte er fest, daß er der einzige war, der sich immer noch in der Kirche befand. Er erhob sich und wollte hinausgehen, als der Geistliche ihn ansprach.

      »Sie dürfen gern’ noch bleiben, wenn Ihnen danach ist«, sagte Sebastian Trenker zu ihm.

      Er war von der Tür zurückgekehrt und lächelte Robert freundlich an.

      »Das würd’ ich wirklich gern«, nickte der Angesprochene und setzte sich wieder.

      Seit jenem dunklen Tag in seinem Leben, war es ihm zur Gewohnheit geworden. Sehr oft besuchte er zuhause die Kirche, wo er sich still hinsetzte und nachdachte. Und heute war es ihm ein besonderes Bedürfnis.

      Nur daß er jetzt nicht in erster Linie an Melanie Wehmann dachte, sondern an Franzi Burger…

      Sebastian war in die Sakristei gegangen und hatte die Soutane ausgezogen. Als er zurückkam und Robert sah, setzte er sich zu ihm in die Kirchenbank.

      »Sie machen Urlaub in Sankt Johann?«

      Eigentlich war es mehr eine Feststellung, als eine Frage. Da er ihn vorher noch nie gesehen hatte, war es klar, daß der Besucher nur ein Tourist sein konnte.

      »Ja«, antwortete Robert, »und ich muß sagen, daß es ein wunderschönes Fleckchen Erde ist.«

      »Es freut mich, daß es Ihnen bei uns gefällt. Ich bin Pfarrer Trenker.«

      »Robert Feldmann«, stellte er sich vor.

      Sie unterhielten sich eine Weile, und der junge Werbefachmann merkte, daß es ihm überhaupt nicht schwerfiel, sich dem Geistlichen zu öffnen. Bereitwillig erzählte er, woher er stammt, was sein Beruf war und wie er ausgerechnet auf St. Johann als Ur-

      laubsort gekommen war.

      »Wenn’s Ihnen mal gar zu langweilig werden sollte, dann finden S’ auch in der näheren Umgebung ein paar reizvolle Plätzchen, die zu besuchen sich lohnt«, erklärte der Seelsorger.

      »Oh, ich hab’ heut’ morgen schon eine Tour auf die Kandereralm unternommen«, berichtete Robert.

      »Ach, dann haben S’ den Thurecker-Franz ja bereits kennengelernt.«

      »Ja. Allerdings wär’s beinah’ net dazu gekommen…«

      Sebastian Trenker machte ein erstauntes Gesicht.

      »Nanu…?«

      Robert erzählte von seinem