Sie wollte gerade auflegen, da hörte sie noch Dr. Muggensturm sagen: »Prüfen Sie bitte genau, welche Vorbereitungen das Schiffspersonal für solche Fälle getroffen hat. Und bedienen Sie sich ihrer im Notfall. Adieu! Und warnen Sie, dass es eventuell einen ernsten Zwischenfall, einen Akt der Piraterie geben kann, der das Schiff und die Menschen darauf aufs Äußerste gefährden würde.« Sie machte sich auf die Suche nach dem Kapitän.
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Jonny war an diesem Morgen sehr verunsichert. Das Zusammensein mit dieser wunderbaren Frau gab ihm so viel, dass er hätte weinen mögen. Aber er musste sich zusammenreißen. Denn er merkte, dass etwas in ihm sich wandelte, dass er auf dieses Gefühl der Sehnsucht immer intensiver, immer positiver zu reagieren begann. Er hatte inzwischen die Vorstellung, am sogenannten Eisernen Tor, jener Stromenge der Donau mit den inzwischen gezähmten Stromschnellen, die einst von den Schiffern so gefürchtet wurden, das Schiff verlassen zu müssen.
Er hatte sich an der Rezeption der »Danubia Queen« eine Übersichtskarte über den gesamten Verlauf der Donau von ihrer Quelle im Schwarzwald bis zum Delta ins Schwarze Meer besorgt. Das genaue Studium der Eintragungen in die Karte hatte für ein wenig Klarheit gesorgt. Unmittelbar hinter Dobovac mündete die Nera in die Donau und genau da begann rumänisches Gebiet. Hier musste er versuchen, den Weg nach – ja wohin? – zu finden.
Noch wusste er nicht, wohin ihn der weitere Weg führen würde, doch dass er diesem Ruf, der in seinem Inneren immer stärker und fordernder aufklang, folgen musste, das stand inzwischen für ihn außer Frage.
Doch da war Angelika, seine Angelika, diese junge Frau, in die er bereits nach wenigen Tagen des Beisammenseins verliebt war wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Er wusste, dass er nicht umhin konnte. Er musste mit ihr alles genau durchsprechen. Vielleicht, das war seine geheime Hoffnung, wusste sie eine Lösung, wie er sich verhalten sollte. Frauen, das hatte er im Laufe seiner bisherigen Berufsjahre erfahren, fanden manchmal ganz andere, überraschende Wege aus Problemen.
Er machte sich also auf die Suche nach Angelika.
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Für Kapitän Stojanow war es ein Schock, als er erfuhr, dass eine der Passagierinnen Opfer der nächtlichen Umtriebe geworden war. Dr. Beuteler hatte ihn, noch ehe er sich intensiv mit der Wunde am Hals von Frau Fischbaum beschäftigte, in aller Eile informiert.
»Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht, um dieser Frau zu helfen und sie zu besänftigen. Ich werde die Reederei umgehend informieren, damit sie mir freie Hand gibt – auch was die finanziellen Mittel angeht. Und versuchen Sie, diese Neuigkeit soweit es geht zurückzuhalten.«
»Ich fürchte, dafür ist es längst zu spät«, bedauerte der Schiffsarzt. »Was während des Frühstücks passiert, macht in Windeseile die Runde bei den Passagieren und bei der Besatzung.«
»Kommen Sie bitte nachher zu mir, damit wir die weitere Vorgehensweise besprechen«, bat Stojanow. Er wusste, es musste schleunigst etwas geschehen, sonst würden die Passagiere unruhig werden.
Bata Smirnow, einer der Bootsmänner auf dem Kreuzfahrtschiff, erschien an der Tür des Ruderhauses.
»Kapitän, ein Gast möchte Sie dringend sprechen. Ich habe versucht, sie aufzuhalten, aber sie lässt sich nicht beirren. Es sei äußerst dringend, sagt sie.«
Stojanow schüttelte es innerlich. Auch noch eine Frau! Wahrscheinlich wollte sie sich beschweren und wurde möglicherweise auch noch hysterisch. Das konnte er nun überhaupt nicht gebrauchen.
»Ich habe keine Zeit«, sagte er. »Sagen Sie ihr das!«
In diesem Augenblick wurde Smirnow, der bei Gott kein kleiner Junge war, so energisch beiseitegeschoben, dass er gegen den Türrahmen knallte und vor Schmerz das Gesicht verzog.
»Wenn ich sage, äußerst dringend, dann ist das so und kein bloßes Gerede, Herr Kapitän! Ich bin Frau Schmitz-Wellinghausen und in offizieller Funktion hier.«
Damit schloss sie die Tür vor Smirnows Nase und stand im Ruderhaus vor dem Kapitän, der überrascht worden war von dem energischen Auftreten der Dame. Das kannte er zu Hause in Sofia eigentlich nur von seiner Ehefrau Marya; ansonsten zollte man seinem Dienstrang überall vollen Respekt.
»Ich hoffe, wir können hier ungestört reden«, sagte Eugenie Schmitz-Wellinghausen und hielt dem Kapitän einen Ausweis vor die Nase.
»Wie Sie sehen, bin ich die offizielle Beauftragte der IAVA und damit, wenn Sie wollen, im Auftrage der europäischen Behörden wie etwa Europol im Einsatz. Ich bitte Sie um eine halbe Stunde Ihrer kostbaren Zeit, damit ich einige wichtige Dinge mit Ihnen abklären kann.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Stojanow. »In wessen Auftrag sind Sie auf diesem Schiff? Mir ist nichts bekannt von einer amtlichen Intervention, gleich von welcher Seite.«
Schmitz-Wellinghausen atmete einmal tief durch. Überall war es dasselbe: Da es offiziell keine Vampire geben durfte, gab es also offiziell auch keine IAVA, denn sie war ja unnötig.
»Die Internationale Anti-Vampir Association, abgekürzt IAVA, ist eine Gründung des Europarates in enger Abstimmung mit UNO und UNESCO. Wir sind eingerichtet worden, um die angestrebte Weltherrschaft der Vampire zu verhindern.«
»Habe nie davon gehört!«
»Können Sie auch nicht, da wir uns nur im Notfall zu erkennen geben und notfalls unsere Arbeit inkognito verrichten.«
Inzwischen hatte der Kapitän den Ausweis aufmerksam studiert.
»Kam dieser Anruf über Funk aus Ihrer Zentrale?« fragte er. Und: »Hat Ihr Auftauchen etwas mit den Zwischenfällen auf diesem Schiff zu tun? Und falls ja, was hat das zu bedeuten? Ist Gefahr im Verzug?«
Was für eine naive Frage, dachte Eugenie Schmitz-Wellinghausen.
»Selbstverständlich!«
Und sie setzte ihm auseinander, dass man befürchtete, die Vampire könnten versuchen, sich eines der Schiffe auf der Donau zu bemächtigen und dann damit auf weiteren Beutezug, neuem Blut also, zu gehen, nachdem die Passagiere der »Danubia Queen« allesamt zu Blutopfern gemacht worden waren.
»Die Vampir-Geschlechter weltweit sind in einer Notlage«, sagte sie. »Sie leiden buchstäblich an Auszehrung und benötigen viel, allzu viel Neublut, um für eine Auffrischung zu sorgen. Wir rechnen damit, dass irgendwo vor uns auf der Donau dieses Schiff gestoppt wird. Dem steht nicht entgegen, dass es offensichtlich auf diesem Schiff auch einen einzelnen Vampir gibt, der auf Beute aus ist. Aber das steht in keinem Zusammenhang mit dem, was wir befürchten.«
»Sie meinen, dass wir jemanden unter uns haben, der ohne Absprache mit den anderen Blutsaugern handelt?«
»So ist es, Herr Kapitän. Und natürlich müssen wir auch ihn stoppen. Ich hoffe sehr, Sie haben Vorbereitungen getroffen für einen solchen Fall?«
Und mit Genugtuung erfuhr die IAVA-Beauftragte, dass der Kapitän in der Tat vorgesorgt hatte und einiges in petto hatte, was im Notfall gegen einen Blutsauger eingesetzt werden konnte. Und sie vernahm, dass der Schiffsarzt Dr. Beuteler weitere Einzelheiten mit Stojanow bereits besprochen hatte. Ein Verbündeter mehr – das konnte nie schaden.
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Angelika saß mit Xenia zusammen, als sich Jonny zu ihnen gesellte. Xenias Wangen glühten, denn gerade hatte sie ihrer Freundin von der Nacht mit Arpad erzählt. Es musste heiß hergegangen sein in der Nachbarkabine, und Angelika war sich ziemlich sicher, dass Xenia, die sonst so schüchterne, ihr höchstwahrscheinlich nicht alles berichtete. Aber, schoss es ihr durch den Kopf, das musste sie auch nicht. Privatleben war schließlich Privatleben. Im Übrigen freute sie sich für die Freundin. Endlich hatte sie den Anschluss gefunden, den sie wohl schon seit langem ersehnt hatte.
Gerade hatte ihr Xenia sanft