Paradox der Arbeit. Die Flow-Befragungen von Csíkszentmihályi haben einen interessanten Widerspruch aufgezeigt. Aus den Antworten der Teilnehmer ging hervor, dass Flow-Zustände während der Arbeit zu ca. 54 Prozent auftraten, während Flow in der Freizeit in nur ca. 18 Prozent der Zeit erreicht wurde. Ebenso interessant: Apathie während der Arbeit wurde zu 16 Prozent und in der Freizeit zu 52 Prozent gemessen (Csíkszentmihályi, 2017).
Das Paradox: Trotz dieser deutlichen Werte, wurde die Frage „Wünschten Sie etwas anderes getan zu haben?“ während der Arbeit wesentlich häufiger mit JA beantwortet als während der Freizeit. Csíkszentmihályi begründete diesen Widerspruch mit dem wahrgenommenen Freiheitsentzug. Arbeit ist in unserer Gesellschaft ein „Muss“, wodurch wir uns in unserem freien Willen eingeschränkt fühlen. Dass jedoch mehr Flow auf Arbeit als in der Freizeit gemessen wurde, zeigt ein hohes Potenzial für das Uminterpretieren von Arbeit an sich. Schaffen wir es, Arbeit als etwas Bereicherndes und Selbstbestimmtes anzuerkennen, dann würde das resultierende Freiheitsgefühl zu einem zufriedenstellenden und häufig auftretenden Flow-Zustand führen (Csíkszentmihályi, 2017).
Lebenslanges Lernen als Flow. Die Erkenntnisse von Csíkszentmihályi zeigen, wie wirkungs- und sinnvoll das lebenslange Lernen in Organisationen ist. Wenn es uns gelingt, Rollen und Verantwortlichkeiten im Einklang mit den persönlichen Fähigkeiten der Menschen zu gestalten, dann können wir das Flow-Erleben als Beschleuniger nutzen. Wirtschaftlich, als auch menschlich profitieren Organisationen von einem Flow-freundlichen Umfeld. Wie ein Segel im Wind zieht uns Flow in die Bewegung und ermöglicht Höchstleistungen bei gleichzeitigem Glücksempfinden. Dieser Zustand wird nicht immer umsetzbar sein, sollte jedoch so oft wie möglich begünstigt werden (Csíkszentmihályi, 2017).
Handeln
Kultur der Stärken. Interventionen im Rahmen der Positiven Psychologie zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens lassen sich leicht abgewandelt auf den Unternehmenskontext übertragen. Beispielsweise das Glückstagebuch: „Schreibe am Tagesende drei Erfolge des Tages auf und jeweils mindestens eine Stärke, welche dich dazu befähigt hat, diesen Erfolg zu erzielen.“ Diese einfache Übung kann unsere Aufmerksamkeit lenken, vom Defizit-Denken zu einer geschärften Wahrnehmung eigener Stärken. Studien haben gezeigt, dass diese Übung bei täglicher Ausführung schon nach einer Woche unser Bewusstsein für das Positive deutlich intensiviert, wodurch wir souveräner den Alltag bewältigen. Auch kann eine wöchentliche Gesprächsrunde über Erfolge der letzten Tage und unseren Anteil daran Früchte tragen. Lassen Sie sich das Passende für ihre Organisation einfallen. Aus den Resultaten kann ein Stärken-Profil der Mitarbeiter erstellt werden.
Um bei skeptischen Mitarbeitern das Commitment zu erhöhen, kann es sich lohnen, solche Interventionen unter einem anerkannten Grund durchzuführen. Die inhaltliche Neugestaltung oder Einführung eines Team-Bereichs auf der eigenen Homepage kann beispielsweise die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken plausibilisieren. Nachgelagerte Reflexionen können dann als Begründung für die Einführung regelmäßiger positiver Interventionen genutzt werden.
Flow intensivieren. Flow ist den meisten Mitarbeitern schon ein Begriff, auch ohne bisheriges Wissen über Glücksforschung. Telefon, E-Mail, ständiges Nachfragen vom Chef oder andere Unterbrechungen der Arbeit werden als Ablenkung registriert, aber eventuell nur noch nicht hinterfragt. Es lohnt sich, die Mitarbeiter über Flow aufzuklären, gemeinsam in die Reflexion darüber zu gehen und anschließend Maßnahmen zur Kultivierung von Flow-Erfahrungen in der Organisation zu implementieren. Der folgende Ablauf soll beispielhaft aufzeigen, wie solch eine Implementierung erfolgen kann.
1 Impulsvortrag mit Verständnisfragen zum Thema Flow und gemeinsame Zielfestlegung, z. B. „Bessere Ergebnisse und mehr innere Ruhe durch das Ermöglichen von Flow-Erfahrungen“.
2 Beobachtungswoche mit Reflexionsfragen − Jeder Mitarbeiter beobachtet sich eine Woche selbst bei der Arbeit. Folgende Fragen können als Inspiration mitgegeben werden: Wann und unter welchen Bedingungen erreiche ich Flow-Zustände? Woran merke ich, dass ich im Flow war? Was hindert mich daran in den Flow zu kommen? Wie fühle ich mich nach dem Flow?
3 Gemeinsame Reflexion über Erkenntnisse der Beobachtungswoche.
4 Falls erwünscht: Festhalten von Regeln, Leitlinien oder ähnlichen strukturgebenden Elementen, welche die Flow-Erfahrung begünstigen − diese können auch individuell unterschiedlich ausfallen.
5 Regelmäßige Nachreflexion und gegebenenfalls neue Justierung.
Reflexion
Was bedeutet positive Kraft bezogen auf die „Positive Psychologie“ ?
Die Positive Psychologie zeigt auf, dass wir Menschen durchaus einen positiven Kern innehaben. Und diesen können wir bewusst lernen wahrzunehmen und einzusetzen. Im Rahmen von Organisationen bedeutet das: mehr Potenziale freisetzen, mehr Flow-Zustände erreichen, mehr Glücksgefühle empfinden und daraus mehr Motivation und Innovation entstehen lassen. Eine Win-win-Situation für Menschen und Organisationen.
Was bedeutet Komplexitätsbewusstsein bezogen auf die „Positive Psychologie“ ?
Wenn wir lernen, die Stärken des Einzelnen durch Lob oder Denkanstöße für den Mitarbeiter spürbar zu machen, dann bewegen wir uns schon auf dem Spielfeld der Wertschätzenden Organisationsentwicklung. Lösungsorientiertes, ressourcenorientiertes Denken ist der Boden, auf dem ein dialogisches und wertschätzendes Miteinander gedeihen kann. Fokussieren wir vermehrt Potenziale und helfen den Menschen bei der Anwendung, dann gehen wir den Pfad Richtung positive Fehlerkultur. Idealerweise entsteht eine Versöhnungskultur.
Was bedeutet experimentelle Erkundung bezogen auf „Positive Psychologie“ ?
Es existieren kaum bessere Flow-Zustände, als beim Experimentieren und Ausprobieren. Die tiefe Konzentration, welche wir bei spielenden Kindern beobachten, ist auch für Erwachsene in der Arbeit erreichbar. Wir können kultivieren, was uns von der Wiege an mitgegeben wurde, indem wir regelmäßig unsere Grenzen testen und Experimente wagen. Dazu lädt uns die Positive Psychologie ein, wir müssen es nur zulassen.
Reflexionsfragen
Welche Stärken habe ich? Welche Stärken haben meine Mitarbeiter? Wie kann ich diese noch häufiger zum Einsatz bringen?
Wie kann ich Flow-Erfahrungen meiner Mitarbeiter ermöglichen? Was hindert sie daran, Flow zu erfahren?
Wie systematisch gebe ich meinen Mitarbeitern positives Feedback?
Welche Aufgaben bekommen meine Mitarbeiter, die ihnen spürbare Erfolgserlebnisse vermitteln?
Wie kann ich ressourcenorientiertes Denken in meiner Organisation kultivieren?
Wie kann ich die Kompetenzen meiner Mitarbeiter stetig fördern?
DIRK MORGENEIER
Gründer und Geschäftsführer JENETRIC, Jena
Hallo Dirk! Welche Rolle spielt das Thema „Kultur und Werte gestalten“ in deiner Firma?
DM: Nur das, was die Geschäftsführung auch wirklich lebt, kann in der Firma umgesetzt werden. Basierend darauf stellt sich die Frage: Was für Werte repräsentieren wir als Geschäftsführer und wie leiten sich daraus die Firmenwerte ab? Wir haben einen