JW: Ich bin seit über 20 Jahren selbstständig als Berater und mache Organisationsberatung und Coaching. Angefangen habe ich mit der Durchführung von Kommunikationstrainings. Bei all dem, was ich tue, geht es darum, dass Menschen zusammen lernen und wachsen. Persönliche und professionelle Entwicklung sind für mich zwei Seiten der gleichen Medaille. Ich fördere Entwicklung, die jeden Einzelnen und das gesamte Unternehmen weiterbringt.
Entwicklung, die weiterbringt: Was meinst Du damit?
JW: Wenn wir lernen, betreten wir Neuland. Wir kommen an unsere eigenen Grenzen und überwinden diese. Wir arbeiten an den Themen, bei denen etwas grundsätzlich Neues passieren soll, also da, wo sich Grundmuster des Verhaltens und Erlebens entwickeln. Das bezeichnen wir als transformative Entwicklung. Wenn wir eine wirklich große Veränderung in unserem Handeln erreichen wollen, müssen wir erst verstehen: Warum handeln wir heute so? Welche Annahmen machen wir über die Situation? Die meisten unserer Erfahrungen steuern nicht nur unser Handeln, sondern auch unsere Wahrnehmung. Erst wenn wir uns unsere tiefer liegenden Denkstrukturen bewusst machen, können wir sie verändern. Dann erkennen wir, dass unser eigenes Denken gerade die Entwicklung verhindert hat, die wir uns am meisten gewünscht haben. Dieses Phänomen gibt es in der persönlichen Entwicklung sowie in Gruppen und Unternehmen. Es ist wie den Fuß auf dem Gas und gleichzeitig die Handbremse angezogen zu haben. Wenn sich die Handbremse löst, wird die Energie frei. Dann geschieht transformatives Lernen.
Hast Du vielleicht ein aktuelles Beispiel aus Deiner Arbeit?
JW: Viele Unternehmen beschäftigen sich damit, agile Strukturen einzuführen, weil sie sich davon eine bessere und schnellere Produktentwicklung erhoffen. Wir stellen fest, dass die Leute zwar diese neuen Instrumente nutzen wollen, aber nicht unbedingt bereit sind, beispielsweise die Muster zu verändern, die die Verantwortung regulieren. Alle wollen gerne, dass Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen, aber wollen sie auch Macht abgeben? Das Wechselspiel zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist ein Grundmuster in Unternehmen. Die Grundmuster müssen sich wandeln, damit die Veränderung ein Erfolg sein kann. Wir arbeiten in diesen Fällen mit Führungskräften, sodass sie von Mindset-Entwicklung nicht nur hören, sondern diese auch erleben. Jede Führungskraft arbeitet an einem persönlichen Veränderungsziel in Bezug auf die Veränderung im Unternehmen. Es entsteht aber eine tolle Energie im Unternehmen, wenn jeder an sich persönlich arbeitet, um das Unternehmen weiterzubringen. Meine Entwicklung und die des Unternehmens sind dann miteinander verbunden. Das bringt richtig frischen Wind in den Change-Prozess.
Kannst Du einen echten Höhepunkt bei Deiner Arbeit beschreiben, bei dem Du Dich besonders gut einbringen konntest?
JW: Ja, in einem Team haben wir nach dem Design gearbeitet, dass jede Führungskraft ein persönliches 360 Grad-Feedback gemacht hat. Daraufhin haben alle ein persönliches Coaching begonnen und auch echt konsequent an ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet − in Verbindung mit ihrer Wirkung als Führungskraft. Nach einiger Zeit hat die Arbeit im Team zu einer wirklich neuen Atmosphäre geführt. Die Leute haben sich gegenseitig mehr herausgefordert, die Diskussionen wurden viel wertschätzender geführt − aber sachlich viel schärfer. Da blieb kaum etwas unhinterfragt, was für die gemeinsame Ausrichtung sehr wertvoll war. Durch den Prozess wussten sie genau, wohin sie wollen und was sie aneinander haben. Diese Kombination von Coaching und Teamentwicklung an der Unternehmensspitze war sehr kraftvoll für die Firma.
Wo sind wir aus Deiner Sicht aktuell in der Arbeit mit Organisationen?
JW: In den meisten Organisationen sind die Leute unglaublich viel damit beschäftigt, ihre Reputation zu managen. Man passt auf, dass einem nichts vorgeworfen werden kann und bleibt unter dem Radar. Das verbraucht unglaublich viel Energie und Zeit. Die meisten Leute würden eigentlich sagen, dass sie alleine besser sind und sie werden durch das Unternehmen nicht besser, sondern schlechter − und oft scheint das sogar zu stimmen. Diese Faktoren berücksichtigen wir bisher zu wenig. Was würde es bedeuten, wenn wir sagen würden: Die Firma hilft mir, mich zu verbessern? Ich wachse jeden Tag über mich hinaus und habe Spaß bei der Arbeit? Für viele klingt diese Vorstellung utopisch… − dabei ist es doch eigentlich nur eine Annahme darüber, was normal ist, oder?
An welcher Idee der Organisationsentwicklung arbeitest Du aktuell?
JW: Wir wollen Organisationen und Führungskräfte darin unterstützen, dass sie die Entwicklung der einzelnen Person als ein Teil ihres Geschäftes sehen. Meine persönliche Entwicklung und die Entwicklung der Organisation sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wir haben skalierbare Lernprogramme entwickelt, die genau diesen Punkt angehen. Unsere Vision ist, dass alle gerne zur Arbeit gehen, weil wir unsere Arbeit als etwas Sinnvolles erleben. Wir werden persönlich herausgefordert und unsere Firma hilft uns dabei, ein besserer Mensch zu sein. Das würde einen riesigen Unterschied machen. Unsere bisherigen Erfahrungen damit sind sehr ermutigend. Da gibt es neue Lernformate, die das in gute Formen bringen. Bei uns heißt das Programm Change Pod. Menschen in Organisationen lernen zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Die erste Evaluationsstudie mit einer Fachhochschule in der Schweiz dazu ist gerade in Arbeit und sieht sehr vielversprechend aus.
Wir haben das Jahr 2025 und Deine kühnsten Vorstellungen sind erfolgreich geworden. Was hat sich in der Entwicklung gegenüber heute verändert?
JW: Uns ist in der Corona-Krise deutlich geworden, dass wir als eine Menschheit auf diesem Planeten Erde leben und uns dennoch verhalten wie Lemminge, die dabei sind, sich von der Klippe zu stürzen. Wir haben gelernt, dass wir den heutigen komplexen Herausforderungen nur durch gemeinsame co-kreative Führung gerecht werden können. Verschiedene Unternehmen arbeiten an bestimmten Entwicklungen wie Impfstoffen gemeinsam und können dadurch mehr für alle erreichen. Wachstum verstehen wir nicht mehr nur als „mehr“, sondern als „in der Qualität gewachsen“. Mehr Unternehmen haben erkannt, dass sie das qualitative Wachstum ihrer Mitarbeiter fördern müssen, um erfolgreich zu sein. Diese Unternehmen sind heute schon überaus erfolgreich − doch in der Zukunft werden mehr Unternehmen das verstanden haben.
Gibt es etwas, dass Du schon immer einmal sagen wolltest?
JW: Wenn wir als Berater weniger mit einem Ansatz von Konkurrenz arbeiten würden, könnten wir einen besseren Job machen für diese neue Welt, und mehr voneinander lernen. Etwas Neues entsteht ja nicht aus unserem Wissen − sondern aus dem Mut, etwas Neues zu wagen!
Vielen Dank, Johannes!
Positive Psychologie
Wozu?
Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Depression 2020 die weltweit zweithäufigste Volkskrankheit. Das sind besorgniserregende Zahlen für sowohl die Betroffenen als auch für die Wirtschaft. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme mehr als verdreifacht. Für Unternehmen werden glückliche und psychisch gesunde Mitarbeiter immer seltener. Der fortschreitende Fachkräftemangel erhöht zudem den Druck, die Arbeitsfähigkeit von qualifiziertem Personal zu gewährleisten. Aus diesen Gründen hat sich die Wirtschaft der letzten Jahre deutlich mehr mit Themenfeldern wie Glück, Moral und Arbeitszufriedenheit beschäftigt. Einen Anteil daran hat die Positive Psychologie.
Methoden der Positiven Psychologie fördern das Engagement der Menschen in Organisationen. Daraus resultiert eine höhere Innovationskraft, welche im Zuge des globalen Wettbewerbs einen wichtigeren Stellenwert hat als jemals zuvor. Glücklichere Menschen arbeiten energetischer und motivierter zusammen, wodurch gerade Organisationsmodelle mit dem Fokus auf Selbstorganisation profitieren. Ebenso begünstigt der Einsatz der Positiven Psychologie die Mitarbeiterbindung, wodurch ein weiterer, elementar wichtiger Wettbewerbsvorteil