Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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bittet den einen Tisch mit rotbrockatigen Herren irgenwoandershin, was eine von unseren Frauen zu dem erstaunten Ausruf bringt: »jetzt sind alle meine Vorurteile über arabische Frauen kaputt«, und wir selber gehen auch in den vorderen Raum, wo die Band »ZK Ego Block« mit Uwe ganz vorne dran aufspielt, einen menschlich-elektronischen Minimal-Music-Sound, einen wunderbar exakten Rhythmus, ein volles, orchestrales Taka Taka Tak, voller Wärme und Schärfe zugleich, und einer der Unterdealer tanzt und dirigiert auf einem kleinen Podium davor, und ich wundere mich, weil die Araber diese Art von Musik doch blöd finden müssten − Akt von Gastfreundschaft? −; ich lehne an einem alten Küchenschrank und schaue zu, da kommt eine Schwarze auf mich zu und fragt, ob ich sie nicht wiedererkenne, es dämmert nur leicht, da sagt sie, dass sie Regisseurin in Ulm bei meinem Vater war, und langsam beginne ich, sie wiederzuerkennen; ich wundere mich, dass sie noch so jung ist, denke aber, dass Schwarze eben nicht so schnell altern, und so umarme ich sie herzlich, was bis zu Erotik geht, ich frage mich, ob das die Erfüllung eines Kindheitstraumes ist, ich damals in sie verliebt war, und als wir wieder der Musik zuhören, sehe ich, dass ihr Busen, ein voller, großer, aber nicht zu großer, offen aus ihrem Kleid ragt; ich bewundere erfreut ihren Busen, so schön und rund wie sie überhaupt ist, und denke, dass im Frankreich des siebzehnten Jahrhunderts die Frauen ja auch mit entblößtem Busen rumliefen –

      – meine Psoriasis am Ellenbogen ist so heftig, dass es blutet, während ich in einer fremden, hässlichen Betonstadt den Weg zurück zu dem Appartement eines Freundes suche, es regnet, alles Grau in Grau, da kommen aus mehreren Straßen gleichzeitig Straßenbahnen und rasen auf die Menschen zu, überfahren sie beinahe und alles glitscht und ist dreckig, nass und voller Müll; ich frage Leute nach meinem Freund, aber keiner weiß die Richtung, keiner kennt ihn, und schließlich geht die Straße auch nicht weiter, obwohl mitten in der Stadt, ein Abgrund davor, daneben Wasser, auf der anderen Seite Betonwände, aber ein weiter Blick auf die Stadt, bis ich im Studio bin, aber da ist alles voller scharfer, gefährlicher Gegenstände • ich verlasse die Ausflugsgruppe und finde nicht mehr rechtzeitig zurück, bis der Dampfer fährt; ich muss noch die ganze lange gerade Straße zum See, die an dem flachen Feld entlanggeht, runter, bin aber noch auf der Anhöhe davor, wo drei Häuser stehen, von denen ich an eines klopfe; eine Frau macht mir auf, es ist Barbara Sellwig, sie ist erkältet und hat einen kurzen Rock an, und als wir uns auf den Boden setzen, sehe ich, dass sie ein weißes Spitzenhöschen anhat, so dass man auch das Schwarze ihrer Möse sehen kann, aber mehr läuft nicht, und unter der Treppe küssen wir uns, wobei ich denke, dass ich mich hoffentlich nicht anstecke, aber dann fängt es an zu regnen, wilde Sturzbäche ergießen sich vom Himmel und ich renne hoch, ob alle Fenster zu sind, aber Nata hat schon alles zugemacht, nur ist das Dach undicht, feiner Nieselregen kommt überall rein, zum Teil sind schon Töpfe aufgestellt, wo es voll reinregnet, aber dann hört es auf, und ich schaue durch die Dachtür auf die Bergwiese, die direkt anschließt: Wiesente, echte Urtiere haben sich am Zaun versammelt, wohl vor dem Regen geflohen, und einige Elche mit Jungen, und ein Elch, der direkt am Zaun steht und eine riesige ovale Schnauze hat, fragt, als er mich sieht in bassigem Rülpsen: »was’n hier los? Was’n hier los«, röhrt er grummelig raus, er meint wohl den Regen, und ein Stier will unbedingt durch den Stacheldraht zum Haus, kommt aber nicht durch und verletzt sich blutig –

      – Nata und ich gehen mitten in der Nacht auf einer weit geschwungenen, kilometerhoch ansteigenden Brücke mit winzigem Geländer, und schmal ist sie auch noch, wir sind beide ziemlich stoned, und als die Brücke wirklich kilometerhoch über der Erde ist, bricht sie plötzlich ab und ich laufe darüber hinaus, stürze aber nicht ab, sondern kann mich festhalten und wieder drauf, wenn ich, wie der Mann, der vor der abgebrochenen Erde steht, sagt, etwas unterschreibe; ich frage: »wieso kann der Mann in der Luft stehen?«, und er antwortet: »das ist ein Wunderwerk von amerikanischem Plastik«, womit er recht hat, denn es ist völlig durchsichtig, man sieht nichts, und ich taste mich etwas flau im Magen – denn wir sind so hoch über dem Boden wie ein Flugzeug – langsam vorwärts, und es stimmt tatsächlich, da ist etwas Festes, aber man sieht es nicht, genial, wozu der Mann, der nebenbei Bier zapft, sagt, dass er »nur noch so ins Theater, Kino etc.« geht, und ich finde, dass die kichernde Nata ähnlich stoned ist, wie damals bei Türcke – bei einer Kellerkneipenfete von unserem Semester und etwas älter mit unserer Musik, also Hendrix, Joplin, etc., ich bekomme von einer Gudrun-Ensslin-ähnlichen Frau Shit und eine Purple Haze, was ich ja schon ewig nicht mehr hatte; oben zeige ich beides Ebby, der begeistert ist, aber in der Hoch-S-Bahn auf dem Weg in die Stadt fällt mir ein, dass ich vergessen habe, mit Gert die Übergabe des Schlüssels der Fünf-Zimmer-Wohnung zu verabreden, sage aber der Frau, dass Gert mit Sicherheit einen Zettel an die Tür gemacht hat, obwohl sie starke Bedenken hat, aber am Bahnhof – es ist schon dunkel und schneit – muss ich ein Fahrrad klauen, um rechtzeitig zum Drehen zu kommen; ich frage nach dem Weg: immer geradeaus, eine breite Hauptstraße lang, dann einmal links, und genau in der Kurve sehe ich Erika aus dem Taxi steigen und schon wieder ein Palitzsch-Bild verkaufen, wobei die in ihrer Huddeligkeit auch noch einen Riss in die Leinwand gemacht hat!, schon zum zweiten Mal; aber ich kann es nicht verhindern, und ich komme gerade noch rechtzeitig zum Dreh, wo ich mir das A4-Drehbuch erstmal in zwei A5-Bücher schneide, dann aber falsch sortiere, weshalb ich bei der ersten Probe meinen Einsatz verpasse, was Panzer ungnädig aufnimmt, dann müssen wir aber gleich über ein Gerüst fliehen, ich bin Kreon und Panzer erklärt mir seine Antigone Interpretation, jedenfalls diese Stelle, wo wir kriechend über das Gerüst fliehen sollen, ein »Rückzug«sgefecht sei das, und ob ich »nicht schon mal im Zelt geschwommen« sei: − »hast du nicht?«, fragt er, dabei spielt es sich alles auf der Höhe des Bürgersteigs ab –

      – eine Theaterform, in der die Schauspieler – hier sind es achtzehn, auch ich – von der Regie, beziehungsweise abends schlicht von der Technik verwandelt werden, Bärte, andere Gesichter, etc., alles ist echt, solange man spielt, aber Steckel hat einen Putsch versucht und will erreichen, dass die Verwandlung irreversibel ist; es sind massenhaft Leute da, in einem säulenumstandenen Hof, und wir haben alle achtzehn Gangstervisagen, zum Teil wie aus Comics und man kann jeden Verwandelten durch Knopfdruck auf einer Leinwand oberhalb des Hofes sehen, was wir selbst auch können, jeder kann jeden, auch sich selbst, durch Knopfdruck sehen, aber als Steckel mit zwei Getreuen der Leitung von der Seite in den Kirchhof einmarschiert und die Leute unter sich bringen will, geht keiner mit –

      – Mirjam ist im Knast und in Isolation, weil sie nicht bereit ist, Aussagen zu machen; ich möchte was tun, kann aber nicht, und einige ihrer Mitgefangenen tuscheln, weil sie mich erkennen –

      – wir fahren mit ziemlich hoher Geschwindigkeit auf einem See rückwärts, was eine breite Schaumspur ergibt, und die Bullen sind auch schon hinter uns her • und beim Drehen habe ich mir einen Spreißel in den Fuss gezogen, wobei ich nicht weiß, ob ich bei diesem Katrin-Krüger-Film mehr Geld bekomme, und der Assi holt ihn mir nach dem Dreh, bei dem mich ein Kollege ansprach, der mich kannte – ich ihn nicht – und auch am Schauspielhaus Bochum arbeitet, und wissen wollte, was es mit dem Krach mit Steckel aus sich hat, aus dem Fuß – da ist es nicht nur ein Spreißel, sondern zieht sich und wird länger und länger, ein Metallstreifen ist es, schließlich auch Eiter mit sich führend – fast einen halben Meter lang, und als Sönke rein kommt und ich das sage, meint er, ich soll nicht so übertreiben, bis der Assi mir recht gibt, aber dann redet Sönke noch lange über was anderes, so dass mir nichts mehr einfällt, und wir uns wortlos trennen –

      – nach dem Drehen erzählt ein Dirk-Anderssen-artiger Kollege, es gebe in Berlin eine Tagung, auf der das Fernsehen als Medium der Massenverdummung − »was wir ja dauernd machen« − besprochen werde, weil die Funktion des Fernsehens immer wichtiger werde, und das interessiere uns doch bestimmt; ich will es versuchen, aber bei der Lufthansa-Agentur am Bahnhof, vor der Leute flanieren, drängen Leute eine Schwarze weg und ich verscheuche sie, damit die Schwarze auch mal dran kommt, und der Mann am Schalter, der auf einem Hocker auf dem Flugfeld sitzt, sagt, es sei kein Problem, morgen gebe es noch Flüge, sogar heute um 23:35 Uhr noch einen, und ich rufe Nata an, die wiederum auch mit will, was uns dann einen Tausender kosten würde, und wie wir das im Bahnhofscafé besprechen kommt ein Anruf, ich soll angeblich abends in der Kneipe nicht alles bezahlt haben, eine Tasse Tee in der Küche bei einem Gespräch getrunken haben, was nicht stimmt, ein Glas umgeschmissen haben, aber Desirée weist alles zurück, man könne ja mal ein Glas umschmeißen, und dann stapfe ich mit Nata über