Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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ich sehe auch ganz langsam einen anderen Zug uns überholen, überhaupt sehr genau Gleise und Einfahrt an dem einen Bahnsteig in Essen, aber beim Aussteigen merke ich, dass ich keine Hose anhabe und am Fuß verletzt bin, Blut am Bein habe und ein Loch, beziehungsweise eine blutige Mulde an beiden Unterschenkeln, dicht über dem Knöchel, Eiter, eine Fliege sitzt drauf und lässt sich nicht verscheuchen, ich kann mir vorstellen, wie lecker für die Fliege das unappetitliche Zeug ist, fühle mich immer schwächer, eine alte Frau will meine Hand sehen, die gekrümmt ist und gelb, ich zittere am ganzen Leib, habe einen Schwächeanfall, es kann sein, dass ich sterbe, und ich lehne mich an den aufsteigenden Beginn des Bahnsteigs • wir gehen in der Sonne an einer Landstraße inmitten von Feldern in der Nähe des renoviert werdenden alten Bauernhauses spazieren, und wir sehen die Mördervögel auf Hügeln, Misthaufen etc., oder am Straßenrand, ziemlich viele, und sie haben Hakenschnäbel –

      – Nata und ich haben Krach in Stuttgart, Hasenbergstraße, Remo, Marquard und Bärbel sind dabei und der Eingang zum Knast geht durch eine Buchhandlung; kurz vorher gibt Marquard mir ein dickes Piece, das ich während der Durchsuchung in den Mund nehme, und ein Kind hilft mir, den Vermieter zu suchen, denn die Klingelschilder sind so verrückt, dass man nichts findet, lauter kleine Kunstwerke, bei der VS-Botschaft treffen wir Nata wieder, sie hat eine eckige Brille und gibt nicht mal einen Wangenkuss –

      – ich soll bei Jürgen Wiersch aushelfen, habe aber keinen Text bis kurz vor Beginn der Vorstellung, nur eine Kollegin hat ein Buch, aus dem ich abschreiben soll, wozu noch ein anderer Kalle kommt, der behauptet, die Fassung stimme nicht, wodurch es so spät wird, dass ich eh nichts mehr lernen kann, und wir überlegen, dass ich eventuell mit Textbuch auf die Bühne gehe; außerdem ist das Umziehen auch unklar, also steigen wir erstmal hoch auf den Dachboden zum Kopieren, wobei es in der Gegend des Gebälks {das riesige Haus mit dem gigantischen Treppenhaus, den weit ausladenen, geschwungenen Treppenübergängen zu den Stockwerken}, wo ich mit Text in der Hand klettern soll, gefährlich wird, aber Redl hilft mir, und dann ist der Kopierer besetzt –

      – nach einer »endlicher Sieg«-Lesung in Berlin, bei der viele Leute waren, soll diskutiert werden; erst gehen wir spazieren und reden, über Dialektik, danach sind aber die Leute weg und wir gehen erstmal essen, wonach wieder mehr Leute da sind, eine Frau neben mir fasst mir unterm Tisch ans Knie, während Nata mit einem Typ woanders hin geht {das raumschiffartige Flugzeug, das flach und groß wie ein Fußballfeld, fünf Meter über dem Boden schwebte, in Brasilien}; draußen steht unterhalb der S-Bahn ein Hund auf zwei Beinen und gibt sich intellektuell, aber dann kommen wir zu dem Abhang, auf dem Menschen herabgeschwebt kommen, eine Frau sogar in wehendem Gewand, es ist wie völlige Glückserfüllung, »paradiesisch«, wir lassen uns den Abhang runterrollen, ich traue mich erst nicht, dann aber doch, es macht doll Spaß, aber zurück in der zellenartig angeordneten Kneipe herrscht großes Gedränge, Nata kommt mit Fahrrad und Koffer und drängt, dass der Zug gleich fährt, ist besorgt, weil ich angeblich merkwürdige Sätze gesagt habe, die sie zitiert »besoffen«?, ich kann mich aber an nichts erinnern, ich weiß auch nichts, dass wir zusammen weg gewesen seien, was sie behauptet − ich war ja auf dem Abhang! −, und alle anderen bestätigen, dass ich nicht mit ihr weg gewesen sei, die Sätze also nicht gesagt haben kann, obgleich mich ein leiser Zweifel beschleicht, ob ich nicht doch ein Blackout gehabt haben könnte, und ich bin etwas beschämt, es so rigoros zurückzuweisen, wobei alle mich auch noch unterstützen!, aber Nata beharrt verzweifelt auf ihrer Version –

      – zwei Vögel haben sich ins Wohnzimmer verirrt, und der Norbert-artige Mann, der da ist, fängt den einen, während ich den anderen auf meine Hand locke, und Nata bewundert, wie zahm er ist; dann aber springt er auf meine Nase, was alle erst komisch finden, was bald aber bedrängend wird, weil er nicht mehr runter will; ich gerate geradezu in Panik, renne zum Fenster, will ihn abschütteln, aber er krallt sich an meiner Nase fest, so dass ich ihn schließlich panisch von der Nase reiße und in den Garten werfe, sofort das Fenster schließe, aber dann blutet die Nase, und sie blutet entsetzlich, ich bin verzweifelt und heule, Nata ist verängstigt und ratlos, und ich knie mich vor die Badewanne und lasse das Blut rauslaufen –

      – wir sind mit einer großen Gruppe in Wales unterwegs, und Nata hat Shit bestellt, den ich abholen will, in einem länglichen, dunklen Raum, es ist noch nicht alles da, aber schon ein ziemlich dickes schwarzes Piece, das mir einer der Dealer anbietet, da prüft Ebby es, der lässig mit dem Kopf an einen Puff gelehnt auf dem Boden liegt, und sagt verächtlich-gelangweilt: »das ist kein Shit, das ist bayrischer Zigarettentabak«, und im selben Moment merke ich, dass er Recht hat, was mir sehr peinlich ist, weil ich es auch längst hätte merken müsen, aber nachdem wir den Shit nicht wollen, wird es plötzlich sehr uncool, die Dealer sind sauer, und als ich auf den Hof geführt werde, sehe ich, dass die anderen alle sich auf den Boden legen müssen, während ich mich vor einer riesigen, altertümlichen Blitzlichtlampe von mindestens einem Meter Durchmesser aufstellen muss, um angeblich fotografiert zu werden, in Wirklichkeit jedoch exekutiert, und nach mir wahrscheinlich die anderen auch; ich stehe bereits nur in der Unterhose da, wohl, um gleich verscharrt werden zu können, da kommen wir doch noch alle weg und laufen durch eine fruchtbare arabische Gegend mit Olivenbäumen und vereinzelten Häusern, bis wir an die Küste kommen, worüber wir uns sehr freuen, große Erleichterung, das Meer zu sehen, der frische Duft der Brise vom Wasser ist angenehm, und eine Frau sagt, wir sollten doch unbedingt nackt baden gehen, es finde sich bestimmt irgendwo eine einsame Bucht, und auch ich habe große Lust darauf, mich nackt im Wasser zu tummeln, aber die Küste wird immer steiler, auch das Wasser immer aufgewühlter, die Gegend zwar einsam, aber ungemütlich, und ich frage mich {und die anderen}, ob es denn im Mittelmeer keine Flut gibt und was wir dann machen, denn die Steilküste ist völlig glatt und sogar noch nach innen gebogen, außerdem ist die Frage, ob wir nicht in militärisches Sperrgebiet kommen könnten, wo wir bestimmt sofort standrechtlich erschossen würden, und das Wasser steigt tatsächlich, so dass wir nur noch auf einzelnen Felsen − und auch noch in einer Bucht …− stehen, da sehe ich eine Jacht und rufe sie auf Französisch an; tatsächlich ist darin ein älterer Franzose, dem ich unsere missliche Lage erkläre; er wirkt etwas verwundert, findet die ganze Sache aber offenbar witzig, sagt freilich keinen Ton, und auf der Jacht, die mehrstöckig ist, an sich ein richtiges Schiff, entdeckt Gert auf dem Oberdeck eine Düsseldorfer Konsular- oder Botschaftsangehörige, die uns offenbar nachspioniert, aber jetzt da oben so steht, als hätte sie mit dem Ganzen nichts zu tun, und zurück in der Stadt, Nata will ihr Geld für den Shit zurück, ganz sachlich, ohne Bullen und Theater, da kommen Abgesandte des Dealers und schon haben sie uns mit Geschenken überhäuft, dass wir es kaum fassen können, einer Flut von Geschenken, und die beiden Frauen des obersten Dealer-Bosses, zwar klar arabische, aber europäisch gekleidete, unverschleierte Frauen, führen uns in einer nach vorne offenen Höhle an einem Berg in einer Hochlandschaft, eine offene Bucht mit Blick auf das Tal, in der wir Tee trinken zusammen mit dem Dealer-Boss, einem vornehmen Araber, der mir, als die anderen alle rausgegangen sind, sagt, dass er es von Nata so toll fand, dass sie so nüchtern nur ihr Recht wollte, das ihr ja auch zustehe, dass er geradezu erschüttert gewesen sei, wie sachlich und gerecht sie das gemacht habe, zumal es auch gerechtfertigt gewesen sei, woraufhin ich wiederum zu einer Rede ansetze, wie überwältigend seine Reaktion mit den Geschenken gewesen sei, wir geradezu beschämt, »wie eine Lawine«, versuche ich es zu beschreiben, aber er versteht es nicht, und ich erkläre, beschreibe, was eine Lawine ist, aber dann kommen die anderen wieder zurück und es wird eng in der Höhle, es geht ziemlich steil und sehr tief in das weite Tal runter, in dem Löwen umherrennen, aber auch Gazellen, Antilopen, Hunde und Katzen, die alle tobend miteinander spielen, die Löwen, die ziemlich groß sind, laut brüllend auch sich spielerisch beißend; sie selber tun sich untereinander nichts an, aber ich möchte nicht zwischen ihnen sein, zumal sie ziemlich wild übereinander herfallen und es auch ziemlich große Löwen sind, die zudem noch genau unter unserer Höhlenbucht in einer Weise übereinander herfallen, dass man es auch als Liebesspiel verstehen könnte, sie umkugeln sich, beziehungsweise muss man damit rechnen, dass es gleich zum Fick kommt, was die Araber etwas pikiert, sie peinlich berührt, weswegen wir aufbrechen und zu einem Fest des Dealers gehen, einen Empfang, wie der in dem länglichen Raum, wo an längs hintereinander gestellten Tischen jeweils drei bis vier Araber sitzen, in höchstfeierlichem Ornat, roten Brokatumhängen mit Goldbesatz, strotzende Pracht, und sie rauchen aus großen Narghilas und reden kaum etwas; wir sitzen am hinteren Ende des Raumes, wie am