Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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überall kleine Seen von verschütteter Milch, frisch von gerade jetzt, aber nicht von mir, und wir lachen uns bei der Frage halb tot, wie wir beweisen wollen, dass die Milch nicht von uns ist??? • ein Kind wird wahnsinnig, legt sich schreiend und lachend auf dem Dach auf den Rücken, die Tagesschau-Erkennungsmelodie ertönt überlaut und dazu sind rasende Flugfahrten auf Berge, Schluchten und Abgründe in Peru, den Alpen und China zu sehen, deutlich voneinander zu unterscheiden, im Rhythmus der Tagesschau, immer bis kurz vor den Crash • in einem Seminarraum einer neuen Uni am Hang reden zwei Hochbegabte mit einem Professor und beteuern, dass sie keine Zeit haben, aber der Professor kann nicht mit den normalen Schullehrern reden, weil die Komplexe gegenüber den Profs haben, da fährt der Bus mit den Schülern schon los, nach Frankreich, und ich setze mich zu den beiden aufs Dach, weil das Ganze ziemlich schlecht organisiert ist, aber als wir losfahren, merken wir trotz des Geplauders gerade noch rechtzeitig, dass die Torausfahrt nur so hoch ist wie der Bus, und springen in letzter Sekunde runter und fragen uns unten, neben dem hohen, düsteren Gemäuer, wie das denn wohl dann in Frankreich sein wird, wo ich mich von den anderen abseile und in einer Bretterbude auf einem kleinen Dachgarten pennen will, aber noch pinkeln muss, weswegen ich die ziemlich lange, schmale, zum Teil schneebedeckte Holztreppe zwischen den flach abfallenden Dachgärten runtertapse, barfuß, es darf mich niemand erwischen, und prompt begegne ich unten einer Frau, die wohl zur Frühschicht geht oder von der Spätschicht kommt und misstrauisch guckt, aber dann bin ich schon weg und komme rechts in eine weitverzweigte Unterführung, nachdem ich vorher kurz in der Wohnung einer Frau war, mit der sich aber nichts entwickelte, und die Wohnung war voll mit Möbeln, alten sperrigen, in der ich Geld finde zwischen all den Arbeitern und Berbern, die dort morgendliche Aufbruchstimmung haben, lauter, auch noch deutsche, Münzen {Mark und Fünfmarkstücke}, die ich handvollweise in die Tasche stecke, bis aus einer das meiste durch ein Loch wieder rauskommt; ich schließe aus den deutschen Münzen, dass wir wohl im Elsass sind, und ein freundlicher junger Berber lädt mich für morgen zum Frühstück ein und zeigt mir den Weg zu einer Stelle, wo ich pinkeln kann, und da treffe ich die Schülergruppe wieder, wo die beiden, mit denen ich zusammen war, sich mit anderen prügeln, auf einem Vorsprung, einem Absatz am Fluss, hinter dem ein kleines Haus steht, in dem wir uns umziehen, sozusagen auf einer Insel im Fluss, eine Frau steht nackt am Fenster und kratzt sich an der Möse, da sehe ich, dass eine Lampe so steht, dass sie den Schatten der Frau riesig auf eine Mauer neben dem Fluss wirft, wo es so aussieht, als hole sie sich einen runter, dabei steht sie nur eher gedankenverloren da und kratzt sich an der Möse –

      – eine Vorstellung vom »Endlichen Sieg« vor riesen Publikum; ich spiele mit und bin so aufgeregt, dass ich mich hinterher an gar nichts erinnern kann, was ich schade finde, weil ich dann ja gar nichts davon habe, und Nata fand mich an sich gut, meint aber, es sei Scheiße, und man habe es gemerkt, dass ich meine Rollen nicht aufgeschrieben habe, was fast bis zu einem Krach ausartet, den Marquard einem Vorbeikommenden erklärt: »Christof muss sich jetzt erstmal beruhigen, weil er angeschuldigt wurde«, während ich in eine Kollektivküche gehe, die ziemlich verdreckt ist, Nudelreste stehen rum – ich besuche Fips in seinem Schloss, habe es aber eilig und muss gleich wieder weg, er zeigt mir seine Räume, zum Teil mit Instrumenten, auch Büchern, erst sind nur zwei andere Leute da, dann kommen noch mehr, ein jüngerer namens Christoph, der Musiker ist, weiß gleich Bescheid, dass ich ein alter Freund von Fips bin, und will einen Verstärker kaufen, aber dann drängt Fips darauf, dass ich mit zum Vordergebäude komme, zum Frühstück, obwohl es für mich inzwischen längst zu spät ist; er fährt in einem alten Rollstuhl, und ich schiebe ihn nicht, was ich mit meinen Erfahrungen mit Magda erkläre und er akzeptiert, in seiner Vertrotteltheit aber gegen einen Pfosten fährt, und wir kommen an einen Open-air-Unterricht für Fast-Abiturienten vorbei, immer mehr Leute stehen rum und wir sehen rum und beginnen mit einer konzertartigen Aufführung von »This is a man’s world« in riesiger Instrumentierung, sehr langsam und melancholisch gespielt, in gezupft-gestrichenen Akkorden, die in Dreiklang-Etappen auf- und abgespielt werden; ich verabschiede mich von der Dirigentin, weil ich es wirklich total eilig habe, muss aber dann doch nochmal zurück und sehe, wie das Konzert, das wirklich eine sehr schwere Partitur ist, abgebrochen wurde, und die Lehrerin den Musikern, die an einem Kaffeehaustischchen auf dem Platz sitzen und von denen die Männer alle dunkle Hornsonnenbrillen tragen, etwas erklärt –

      – ich stehe mit Georg-Martin Bode und einem weiteren Kollegen auf der Bühne und Georg-Martin hat den totalen Hänger, das völlige Blackout; ich habe Angst, dass es an meiner Ausstrahlung liegt, weil ich nicht weiß, welches Stück wir spielen und ob und welchen Text ich habe, und weil er den Hänger in dem Moment bekam, als er mich ansprach, aber ich bin nicht dran; er geht zum Souffleurkasten, versteht aber nichts; das Publikum hat längst was gemerkt, hält sich aber ruhig, und Beiderbeck kommt mit einem kleinen Sony auf die Bühne, um Georg-Martin die Stelle vorzuspielen; währenddessen dieser ihm zuflüstert, dass er ihm dafür eine Flasche Wein ausgeben wird; als er weitergeht, richtet er tatsächlich die Rede an mich und ich improvisiere einfach, auch ein zweites Mal klappt es, und dann ist die Szene endlich fertig, und in der Garderobe, die wie eine Fete in einer Kirche sich darstellt, reden alle aufgeregt darüber, verwundert –

      – Pit vermittelt den Kauf eines alten Citroën-Break, wobei wir mit einem noch älteren Opel Diplomat hinfahren, und der Break ist ziemlich verrottet, mir wird melancholisch beim Gedanken an unseren alten, während sie am Rost herumhämmern, hintenrum gehen, ins zweite Stockwerk hochgehen – der Wagen ist hinten so hoch wie das Haus, neben dem er steht, und insoweit noch alles dran – und Ebby, der daneben an der Hauswand sitzt und etwas bastelt, seufzt, dass er damals nicht dabei war und mit in den Motor schauen konnte; ich erzähle von Peter Schmidts Heldentat mit dem Ausbau des querliegenden Motors und sage: »ja ja, du hättest damals ja dabei sein können, wir kannten uns ja schon vorher«, aber er sieht mich verwundert an und versteht meine Anspielung, die leicht vorwurfsvoll ist, nicht, und ich dann auch nicht –

      – auf einer Raumstation, die schräg an einem Planeten zu liegen scheint, breitet sich die Angst aus, die letzten Menschen zu sein, es ist wie ein Bann, der über allen liegt, man rennt ziellos kreuz und quer durch die hohen, blechernen Räume, die von Geländern umsäumt sind, es gibt Zusammenballungen von Leuten, die meinen, es klärte sich etwas, alle reden seltsam, gezogen, mit fremdem Blick, aneinander vorbei, dauernd rennen sie irgendwohin und suchen etwas, man denkt, hofft, glaubt, es kommen gleich noch welche, die Bescheid wissen: »die wissen Bescheid«, aus Türen, und von draußen, wo man durch die hohen Fenster dunkles Grün sieht, kommen dauernd Neue, es ist bleiern, traurig, ausweglos, dann werden es weniger und ich denke, dass Sabine irgendwo ist, und renne voller Optimismus und mit neuem Mut hin, aber sie ist verwandelt, ganz anders, vielleicht ist sie es auch gar nicht und doch denkt man, also nicht nur ich, sondern es ist bei anderen zu sehen, alles sei gut, man sei gerettet, alles war nur Spiel, aber dann stellt sich raus, dass es alles nur noch viel schlimmer wird, am Schluss sind nur noch drei Herren in Anzügen da, und sie reden verquollen, als ob ein Tonband zu langsam liefe, alles ist zu spät, und unsagbar traurige Musik ist zu hören, da tauchen auf dem Rundgeländer in dem großen Raum über uns Wesen auf, nette, freundliche Wesen, zwei haben Spitzköpfe wie Zuckerkegel, auch die anderen unbekannte, aber liebenswürdige Formen, sie lächeln und winken und eine unsagbare Erleichterung weitet sich aus: alles ist normal –

      – die Leichenteile müssen weg, bevor die Bullen kommen, und ich renne in ziemlicher Panik zwischen dem Dachgeschoss und dem abschüssigen Garten hin und her; die zwei kleinen Teile − wohl Arme, in Zeitungspapier gewickelt − sind schon in Sicherheit, aber wenn sie den – auch in Zeitungspapier gewickelten – Rumpf finden, denken sie, ich sei der Mörder, aber ich finde das Teil in den Büschen nicht, ist es doch auf dem Dach, aber da findet es sich auch nicht, weswegen ich alles auf den Hund abwälze, es ist ein Drama und ungerecht, und man sieht, wie er darunter leidet, sich quält, zumal er nichts dafür kann, sich auch nicht wehren kann, aber als die Bullen dann kommen, ist gar nichts, kein Verdacht, nichts – sind sie eingeweiht? • in einem Flughafenrestaurant erwarten wir die Politikerdelegation, und als sie kommen, wird erstmal wild getanzt, es sind junge Politiker, und dann setzen wir uns – der Schwarze, seine Assistentin und ich – an die Bar, und der Barkeeper macht Conferencier, stellt uns vor, die Assistentin sei »ein alter Fan von Christof Wackernagel«, was mir schmeichelt, und der Schwarze auch registriert –

      – wir kommen nach Hause, und die Tür steht offen; ich denke,