Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
Скачать книгу
vergessen, denke, dass, wenn ich so früh da bin, der Fahrer es noch holen kann, und an einer Ecke kommen uns von der Seite so viele Menschen entgegen, dass man kaum durchkommt; es ist wie Gegenwind, oder Flussströmung, und weil da auch eine Bude ist, fragt Nata einen Mann für ihr Feature, aber der will erstmal wissen, für wen sie arbeitet, was sie verweigert, bis er sich abwendet, den Rücken zeigt und ich ihr zurede, es zu sagen, zumal auch die Zeit drängt, und dann sagt sie es ihm und gleich um die Ecke ist endlich das Hotel, aber sie bleibt an einem Platz zurück, ich eile, und als ich zurückschaue, sehe ich, dass sie eine Zigarette im Mund hat, und ich überlege, ob wir draußen frühstücken, aber es sind nur zwei Tische da und es regnet, also setzen wir uns in den Vorraum; plötzlich höre ich »Christof« – drehe mich um, da sitzt der, mit dem ich die Nacht durchgezecht habe, und ich freue mich; er hat sein Drehbuch, und ich will meines von oben holen, aber erst bestellen, es blickt nur keiner von uns bei der Karte durch, man kann nicht erkennen, was draufsteht; Frühstücksbüfett gibt’s auch nicht, drei Kellner stehen rum und warten; Marmelade, drei Toast und ein Graubrot sind auch da, es ist unklar alles, bis Nata die Initiative ergreift und für Robert was bestellt; der Kellner schreibt mit – und ich bin total unter Druck, weiß kein Wort von meinem Text, während Robert in dem alten, fast schon morschpapierernen Text blättert, A4 quer, hinten irgendwie gelocht und mit altem Tesafilm, ganz vergilbt –

      – ich bin in einer Klinik, in der gestorben wird, eventuell auch umgebracht, in den Gängen und Warteräumen eilen dauernd Leute herum, die ich meist nur von hinten sehe, und wenn von vorne, haben sie irre, besessene Blicke; Heiner, dünn und jung, wird von allen Seiten beschimpft und haut wütend ab; Gabi Wight rennt vorbei, Ebby, dünn, käsig, huscht vorüber; ich setze mich zu einer Frau an den Tisch und beginne, mit ihr zu reden, leise, da mischt sich eine danebensitzende Frau ein und fühlt sich gestört – sofort stehe ich auf und gehe, stinksauer, obwohl es mir leid tut um das Gespräch; ich hoffe, die Frau kommt mir nach; vor einer Glastür sammeln sich Leute, es wird spekuliert, wer hinter der Tür stirbt oder ob er oder sie noch lebt; ich erzähle von Erikas Irrewerden, und Nata verweist auf eine Frau, bei der es teuer wurde; auf der Wiese vor der Todesklinik herrscht geschäftiges Treiben, die Sonne scheint, und die Leute gehen meist hektisch ziellos auf und ab, einige wenige flanieren, zum Beispiel ein menschengroßer, aufrecht gehender Setter, der einen kleinen Hund an der Leine führt, auch ein anderer aufrecht gehender Hund spaziert herum; eine Bude wird aufgebaut mit einem großen Schild über sich WHIPER + WITTER, in das ich mich vertiefe, dann aber gehe ich die Wiese abwärts, bis ich alleine bin; neben mir verteilen zwei Lastwagen gleichmäßig Dreck neben der Straße, ziehen einen schmalen Streifen hoch zur Todesklinik, und danach planieren sie ihn mit Kohle zu, was die Sache für mich verständlich macht; danach wiederum steigen Kolonnen von Arbeitern aus dem LKW, ziehen mit irren Blicken an mir vorbei, jeder einzeln; viele begrüßen mich, einige mit überwänglichem Handschlag, weit ausgeholtem, und der Kasernenkeller, in dem wir uns befinden, hat nur einen Eisentürausgang, ist geduckt und beige-gräulich, eine Stechuhr –

      – ich rutsche mit Gert Treppen runter in eine umgebaute Kneipe, in der nur Frauen da sind, die uns nett begrüßen und ein Stockwerk tiefer führen {eine ähnliche Kneipe gab’s schon mal}, wo sie uns den Aufzug zeigen, der seitlich eingebaut wurde, und da wache ich auf von Geräuschen in der Wohnung, rufe etwas runter, aber es ist nur der Monteur, der Sicherungen oberhalb der Wohnungstür einbaut, wobei ich mich wundere, dass ich nichts gehört habe, obwohl er schon ein riesiges Loch gebohrt hat; es ist allerdings zu weit außen, dicht daneben muss nochmal gebohrt werden, weswegen ich mich frage, ob das dann auch hält, aber es ist eh zu spät, und der dicke Querbalken macht die Tür eh dicht; oben im Saal unter dem Dach frage ich Troller, was er von dem Steckel-Brief hält, aber er hält natürlich zu Steckel und schlägt vor, dass ich meine Lesung diesem Thema widme, was ich mit Renate bespreche, die skeptisch ist, aber damit könnte man eineinhalb Stunden lang die eigene Position klären; Problem ist nur, dass es durch’s Dach regnet, und Troller packt gut mit an, Stühle dahin zu stellen, wo es tropft; Nata und ich fahren mit Gert zur Endhaltestelle, mit der letzten Straßenbahn, Gert wartet dort, wir steigen vorher aus, gehen aus Versehen in die Straßenbahn, die in die falsche Richtung fährt, steigen wieder um, halten vor der Endhaltestelle, laufen dorthin; Gert ist aber weg, was zu einer langen, teuren Taxifahrt führt; Anzenhofer soll beim »blinden Fleck« die Hauptrolle spielen, es ist Gert, aber man muss danach den Wecker mehrmals überprüfen, weswegen Nata fragt, ob ich meine, dass ich immer Recht habe und ich antworte: »wie im Leben« –

      – wir leben mit Familie Mika in einer Wohnung, und während ich weg bin, macht Erika Putzterror, so heftig, dass Mikas ausziehen wollen, und ich ihre beleidigten Gesichter sehe, als ich zurückkomme, während eh alles im Chaos ist, weil zu allem noch Ulrike Obermüller völlig verliebt ist und verzweifelt, wegen des Umzugs nach Bonn, während sie hier bleiben muss; Sabine steht heulend auf der Leiter am Fenster hinter der spanischen Wand, ich tröste sie oder versuche es zumindest, da klingelt das Telefon und keiner geht ran, aber als ich dann komme, hat doch jemand abgehoben und den Hörer hängen lassen; ist es Ronald?, aber Erika ist immer noch im Putzwahn, der Tisch ist gedeckt, wir sitzen zu acht am Tisch, und sie fragt, ob ich noch was zu waschen habe »wegen der Einbrecher: es bleibt immer was«, behauptet sie, und ich frage mich, ob meine Klamotten davon verdreckt sind, und sehe auf die Gnocchi in roter Soße, finde sie verstaubt und will ausziehen –

      – ich bin mit Magda in Paris, bei Nacht und wir probieren in einem Zug auf einem breiten Bett in einem riesigen Abteil eine Liebesszene und weil uns das so viel Spaß macht, wiederholen wir es immer wieder; zuhause, im großen Atriumbau steht Heiner auf der anderen Seite des Gartens, völlig desinteressiert, und neben Magda und mir liegen Schriftproben der neuen Schreibmaschine mit Computer; ich wundere mich, dass sie das hier alleine konnten, und finde es gut – Nata und ich gehen nachts in München, Gegend Münchner Freiheit, einkaufen und sie will unbedingt noch wo hin, so dass ich sie verliere; ich gehe aber schon mal nach Hause und warte in unserem Knast, wo wir zwei riesige Appartementzellen haben, und als sie kommt, sage ich: »es ist schon viertel vor eins«, und um die Zeit sind wir verabredet mit Wanda etc., aber sie antwortet: »es ist viertel vor zwei« – und wir haben noch nicht einmal das Lamm aufgegessen, was alleine zwei Stunden dauern wird!, da kommt Ronald mit zwei Frauen, die zwei von den Langhausfrauen sind, und alle wollen über meinen Steckel-Kirchhoff-Brief diskutieren; Ronald macht aber nebenbei ein Video mit Kroetz, der auf einer alten Kommode sitzt und wixt, dabei vor Wonne jodelt und nur seinen Schwanz nebst Sack, der dick und prall ist, aus der Hose geholt hat; ich will über einzelne Punkte des Briefes diskutieren, aber da eilt Ronald erstmal die kleine Treppe zum Gang hoch und will alles Weitere verschieben, also nehme ich mir noch etwas von den Schnittlauchnudeln, die auf dem Herd stehen, sehr viel Schnittlauch haben, fast fünfzig zu fünfzig, und sich bewegen, atmen; Nata will noch mehr kochen, auch anderes, während ich erstmal scheißen gehe, und als ich mir die Scheiße abputzen will, kommen gerade vier Leute, die ich durch das Fenster vom Bad zum Wohnzimmer hereinkommen sehe, und während Nata sie begrüßt, es sind Verwandte von ihr, überraschend zu Besuch, stelle ich fest, dass ich Scheiße an den Fingern habe, aber als ich sie mir abputzen will, kommen gerade alle rein und wollen mir die Hand geben, wodurch ich hektisch werde und noch mehr Scheiße an die Hand bekomme; Nata gibt mir ein weißes Handtuch und sagt: »das kommt davon, wenn man so schnell macht«, die Verwandten machen sich nichts draus, mir ist es entsetzlich peinlich, zumal am Handtuch dicke Klumpen Scheiße kleben, also gehe ich erstmal schlafen, und wie ich, etwas erhöht, neben dem Kaffeetisch, an dem Nata mit den Verwandten sitzt, aufwache, und durch das erhöhte Souterrainfenster hinaussschaue und die Verwandten davon reden, dass wir den Viererständer kaufen sollen, der werde teurer, denke ich, dass ich die peinliche Situation mit der Scheiße nur geträumt habe, bestimmt nur geträumt habe, aber dann ist alles wieder so real, ich zwicke mich, dass ich nicht geträumt haben kann und auch jetzt nicht träume, und Schamwellen durchfließen mich, aber dann bekomme ich Kakao und Nata erzählt, dass Ronald und die Frauen hier pennen wollen, was sie abgelehnt hat; was mir etwas peinlich ist, aber auch pervers wäre im Knast; es sieht so aus, als wollte ich mich vor der Debatte drücken, da verabschieden sich die Verwandten, und eine Frau weist mich darauf hin, dass an einer Hand immer noch etwas Scheiße hängt: ich habe es also doch nicht geträumt, alles ist real; und draußen auf der abschüssigen Wiese vor dem Schloss will ein altes Ehepaar wegfahren, muss aber erst an einer riesigen Diatuchwand vorbei, und ich renne dazu, um ihnen dabei zu helfen •