Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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hinaus sind, in der Luft hängen und durchdrehen, der Wagen rollt wieder runter und reibt die Reifen ab, es stinkt vom Abgas und Gummi, ich fliehe aus dem Raum, auch die anderen schimpfen, das Afghanistankomitee nebendran könne doch nichts dafür, das ertragen zu müssen, das sei unzumutbar, aber der Typ versucht es verbissen weiter mit dem Wagen und der Qualm wird immer schlimmer, ich schreie, dass das alles Gift sei, und lande in einem Nebenraum, wo ich aus dem Fenster schaue • wir haben uns einen riesigen alten roten Cadillac gekauft, mit tollen, ausschwingenden Kotflügeln und verschiedenen Ebenen von glänzenden Stoßstangen, drei Sitzreihen und ein flach abfallendes Hinterteil, wir fahren fast zu zehnt darin, und gehen in München erstmal essen, das Lokal ist gar nicht so toll, aber schon fein, das Essen eher normal, aber die Rechnung etwas unerwartet hoch: 1024,80; ich frage mich, ob ich das vielleicht alles zahlen soll, beziehungsweise das von mir erwartet wird, aber die anderen, die auch ziemlich geschockt sind, fangen schon an, in ihren Taschen zu kramen, um zusammenzulegen; das Tolle ist, dass das Essen so gut gar nicht war, und dann kommt auch noch der Wirt und fragt, ob alles klar sei und dass wir uns ruhig Zeit lassen können mit dem Bezahlen − dass er sich nicht geniert, ist ungeheuerlich −, und einigen muss ich was leihen, und weil Bernie Zimmermann behauptet, woanders könne er was auftreiben, fahren wir mehrmals von einer Stelle zur anderen − jedesmal schwer zu parken! −, und wann wir je zurück nach Bochum fahren, wird immer unklarer – wieder mit dem roten Cadillac unterwegs, will ich hinten in das letzte weite flache Teil, aber der Deckel geht hoch und wir müssen halten, es ist ein Industriegelände in Halle /Saale, und während die anderen mit dem Wagen eine Runde fahren, warte ich in einer Halle neben umgeschulten DDR-Managern, die sich über ihre Arbeitsbedingungen unterhalten, und ich denke, dass die bloß nicht unseren Wagen sehen dürfen, weil sie ihn sonst haben wollen, und wir sie abwimmeln müssen, da kommt der Wagen und Renate beklagt sich, dass alle fahren wollen, obwohl nicht jeder mit dem großen Fahrzeug umgehen kann, weshalb ich sage, dass ich ans Steuer will, wovon Micha frustriert weggeht, und ich sitze in der dritten Reihe auf einem harten und zu kleinen Kissen –

      – ich spüle mit Nata ab, da sehe ich einen Brief von einem Knacki, der ¾ des Blattes kreisrund anordnet, auch Zeichen malt und sich beim Bochumer Museum bewirbt, aber die Zeichen sind ganz anders als meine, und vor dem Abend will ich noch schnell den »Großen Bellheim« besteigen, diesmal aber von der anderen Seite, ich gehe ein Stück in Richtung der Hütte, die auf halbem Weg liegt, bis ich den Gipfel sehe und denke, dass ich dann die Wanderkarten noch rausholen muss, und es ja eh schon schneller geht, als man denkt, auch wenn der Gipfel imponierend weit weg ist • Mirjam macht noch zwei Videokopien und kommt damit zum Auto, lose in Papptüten, auch die Aufkleber hängen lose davon, aber der Song spinnt, egal, was ich drücke, er läuft schnell vor oder zurück und ich denke: »jetzt ist er endgültig kaputt«, aber dann geht er doch wieder, und ich lausche am Kopfhörerausgang vorne, ob auch Musik kommt, die tatsächlich zu hören ist, große Erleichterung –

      – ein öffentliches Gebäude mit vielen Treppen, auf denen wir teilweise sitzen und reden, oben im Hotel stehen wir im Gang vor dem Zimmer mit zwei Frauen, denen das Zimmermädchen Handtücher aus einem Schrank gibt, da geht gegenüber die Tür auf und ein nackter Mann kommt heraus, geht an mir vorbei und macht eine der Frauen, mit »na, kleine Frau« an, worüber sich alle empören, ich auch, was mich dazu anregt, die Geschichte zu erzählen, wie Angela mir eine runterhaute, gleich zwei mal, wobei ich betone, dass sie Angela hieß, nicht wie die eine Frau, Angéla, aber wie der Dreh laufen soll, ist unklar {der Ami-Schlitten, den ich vom fünften Stock aus unten einfahren sah}, es sind Massenszenen, die Leute stehen im Hof rum, man muss noch warten, es wird ein Nacht-Dreh werden, das heißt, ich bekomme die letzte Maschine von Berlin nach Düsseldorf kaum mehr, die Bullen stehen herum, haben Tiere dabei, auch Pferde, die zum Teil von Irren beziehungsweise Debilen betreut werden, die selbst geführt werden müssen, aber wie wir dann in zwei Autos hintereinander am Straßenrand stehen, frage ich mich, ob uns die Aufnahmeleiter vergessen haben, aber es sind drei Schauspieler, und die können nicht vergessen sein, außerdem sitzt einer auf der Straße, mit dem wir was dealen, und der das Geld in Plastiksäcken, die wie Birnen aussehen, über das Trottoir schiebt –

      – Krach in der Gruppe, die ich gerade besuche, einige gehen frostig, und ich gehe runter in die Werkstatt, wo ein Typ, leicht Ebby und Bert ähnlich, seinen Shit-Kuchen anpreist, verschiedene Größen und Stärken; bei den mittleren Teilen ist, sagt er: »so’n Piece« drin und deutet mit den Fingern ein fünf Zentimeter großes Stück an, aber ich kaufe von einem anderen ein Piece für zwanzig Mark, was ich morgen kriegen soll, er schaut aber so gierig auf meinen Zwanziger, dass ich ihn ihm schon jetzt gebe, wobei er erzählt, dass, wenn er fünfhundert hätte, er »Schnee kaufen könnte, reinstes Kokain«, und verdreht die Augen, auch »Bert« stimmt zu, offensichtlich denken sie, ich hätte das Geld, muss aber passen und gehe ins Wohnzimmer, weil Gäste gekommen sind, mit Kindern sogar, rufe Nata und ich trete ein und begrüße Julia und Angela mit Kuss auf den Mund und setze mich dazu, wie viele andere noch, und Julia lästert über die Wohnungseinrichtung, was mir aber nicht viel ausmacht, und wie ich auf die lange Bücherwand sehe, sage ich: »ist halt wie in der Lützenkirchenstraße und da fühlst du dich ja nicht so wohl«, wozu sie nickt –

      – Proben zu einer Dreh-Szene mit Zelt im Studio, wo wir alle drumrumstehen, die Regisseurin und der Produzent tun so, als wäre alles ganz schwierig, ich finde es aber leicht, und in der Pause latsche ich im Studiogebäude rum und treffe in einem Raum Fips, der auf einem hohen Podest Schlagzeug spielt, einer begleitet ihn auf einer Orgel, ich will mitspielen, muss dazu aber erst einen Stecker wo reinstecken, finde aber den Anschluss nicht und komme in einen anderen Raum, einen länglichen neben dem Klo, wo ein Mann steht und sich die Hände wäscht und eine Frau herauskommt, eine Aktenmappe unterm Arm, und sagt: »ich bin jetzt Sozialfachfrau« und sich freut, und bei der Rückfahrt müssen Nata und ich uns bei der Bushaltestelle trennen, weil wir in verschiedene Richtungen fahren; mein Bus nach beziehungsweise in Richtung Nürnberg ist auch schon da, wartet aber noch, weswegen ich schon mal mein ganzes Zeug, Taschen etc. über den Sitz hinter der Fahrerin stelle, die gerade aussteigt und erstmal Pause macht, sehr freundlich ist, weswegen ich ihr anbiete, mich nachher neben sie zu setzen und ihr Geschichten zu erzählen, damit sie nicht einschläft, weil ich es sowieso einen Skandal finde, dass die Busfahrer die ganze Nacht allein durchfahren müssen, aber sie soll dann immer Kommentare geben, damit sie nicht von meinen Erzählungen einschläft • eine Frau ruft über den Zaun: »München 33 09 84« • ich besuche die Alten im Krankenhaus, sie liegen zusammen in einem großen Zimmer ums Eck, und als die beiden Putzmänner kommen, gibt es eine lange Diskussion, ob sie auch richtig putzen, und sie leugnen alles, weisen alles zurück, sitzen auf ihren Stühlen und sind stur in ihren Blaumännern und bevor sie dann endlich zu putzen anfangen, legen sie sich mit aufs Bett, bei je einem und die beiden Alten lassen sich das gefallen, scheinen es gewohnt zu sein; ich bin empört, schimpfe und tobe, aber die beiden Typen machen es sich bequem und scheinen erstmal zu schlafen, während sich Erika und Heiner zur Seite drücken – ich laufe durchs Krankenhaus, gehe auch ins andere Zimmer, wo Knackis auf Matratzen am Boden rumlungern und als ich über einen weiten Gang wetze, sehe ich im gegenüberliegenden Haus in einem großen Zimmer viele Leute, darunter Fips und, auch zu mir hinüberschauend und mich gleichzeitig erkennend, Olga, weswegen ich sofort in dieses andere Haus rüberrenne, wo sie auch alle schon auf mich warten, ich bin aufgeregt, und die Begrüßung mit Olga ist steif, aber ohne Vorwürfe oder alte Animositäten, wir küssen uns förmlich auf die Backe, lachen verlegen und sagen dass das ja »filmreif« war, wie wir uns durch die Fenster der Häuser gesehen haben, und ich denke auch, dass man das mal verwenden müsste, »wie geht’s?«, »was machst du?«, alles eher rituell-ratlos, sie beginnt zu erzählen, dass es ihr ganz gut geht, da ist es mir unangenehm, wenn alle zuhören, was sie auch neugierig wohlwollend tun, und ich will erstmal einen Tee, woraufhin sie verschwindet, Fips spielt ein Brettspiel und raucht dazu einen riesigen Joint, an dem ich mitrauchen will, andere auch, er ist gleich runter und Fips schimpft lachend, es solle jeder was abbekommen, während ich verwirrt meine verstreuten Sachen suche, und eine Frau aus der Gruppe etwas von mir will in Sachen RAF, neugierig ist, bis Fips lachend sagt: »die lässt keine Ruhe, bis sie erzählen kann, dass sie dich getroffen hat und jetzt weiß, wann der nächste Anschlag ist«, aber dann kommt Olga zurück und beginnt, etwas steif lächelnd, aber mich anrührend, davon zu erzählen, dass sie in Tunesien war, sechs Jahre lang, »in dieser Diktatur«, aber wieder finde ich