Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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Atmen, berühre meine Hände, bin wach und höre, wie Nata aus dem Zimmer nebenan, früher Claudijas, aufs Klo geht, sehe Licht und durch die Ritzen von drüben, träume also doch, oder was?, und gehe auf den Gang raus, aber als ich wieder rein komme, ist das Bett und alles wieder da, also war das davor doch nur geträumt –

      – in einer ziemlich vollen Straßenbahn, die überhaupt ziemlich groß ist, so groß, dass zum Fahrer eine schmale Treppe runtergeht, wie in einer Maisonette-Wohnung, und dann kommt man geradezu in ein Cockpit, wo ich schließlich bin und die Straßenbahn bis zur Endhaltestelle fahre; es ist dunkel, die Leute steigen aus und ein Straßenbahntechniker schließt die Türen, klappt Seitenteile hoch, etc., so dass ich schließlich alleine am Fahrersitz sitze; eine uralte Konstruktion mit Drehhebel etc., die ich nicht bedienen kann, aber ich muss damit zurückfahren, und plötzlich rollt sie los, erst langsam, dann schneller, obwohl es gar nicht bergab zu gehen scheint, und sie rollt und rollt und schneller und schneller und rast auf andere Straßenbahnen zu, hoffentlich sind die Weichen so eingestellt, dass wir nicht ineinander rasen, haarscharf sausen wir aneinander vorbei mit den langen Zügen und in dem Kulturzentrum sind bereits heute schon die meisten Beteiligten pleite, einer zeigt mir den geschlossenen Vorhang der Theatergruppe, aber es ist proppenvoll, die Leute drängeln sich und man muss sich hintereinander durch enge Gänge hinauszwängen, fast wie in Träumen manchmal, bloß in Wirklichkeit nie so bedrohlich wie in einem Traum, auch wenn hinter mir einer mich bedrängt, mir seinen Finger in den Arsch stecken will, wogegen ich mich heftig wehre; vor mir sind auch Schwule • wir sind bei Grotjahn und sollen dort auf einer Matratze in seinem Arbeitszimmer pennen, hoffentlich schläft er bei seiner Frau, sonst würde es peinlich zu dritt in einem Raum, man könnte sich nicht ganz ausziehen, und er kritisiert mein Verhältnis zu Nata, wogegen ich heftig protestiere und weshalb ich von unseren Knastbriefen erzähle, was er natürlich kaum glauben kann, und er nimmt alles zurück, viele andere Leute sind auch da und ich hole noch was von meinem Shit, versichere mich, dass ich ansonsten noch genug habe –

      – eine Riesenparty in mehreren Räumen, foyerartig ineinander übergehend mit großem Büffet und ich bandele mit einer Frau an, beziehungsweise sie mit mir; ein nettes Techtelmechtel und wir wandeln durch die Räume, wobei wir an Kalle Drähn vorbeikommen, der etwas mit Pamer bastelt, ganz versunken an einem Seitentischchen sitzt und in dem Packpapier herumschneidet, ich erinnere, dass wir bald gehen müssen und er nickt abwesend, bis wir in den letzten Raum kommen, wo die Frau von einem Typen angequatscht wird, den sie von früher kennt, und der sie vollquatscht, total volllabert, in Beschlag nimmt, bis sie mit ihm und noch einer anderen Frau auf der Bank ganz hinten sitzt; der Typ quasselt immer noch, sie hat einen leeren Blick, als stünde sie unter seinem Bann, aber ich möchte sie nicht ansprechen oder rufen, so gut kennen wir uns nicht und dazu bin ich zu stolz und so renne ich wieder nach vorne; da ist aber keiner mehr, das Büffet wird abgeräumt und ich renne wieder nach hinten, wo inzwischen auch keiner mehr ist, überhaupt kein Mensch mehr, aber Musik, in deren Rhythmus ich laufe, und dazu eine Stimme am Lautsprecher: »alle Kultur begann mit der Fangemeinde von Jesus Christus«, nicht Jesus selbst sei es gewesen, sondern seine Fangemeinde, betont der Sprecher, und auf dem Weg raus bittet mich der letzte Kellner, den Grafen noch mitzunehmen, der in einen Teppich gewickelt irre vor sich hinkichernd auf einem Wägelchen liegt, das ich dann mitziehe; ich weiß aber nicht, wo es rausgeht, da hinten ist eine Tür, aber als ich sie aufmache, ganz gebückt, um das Wägelchen, das nur eine Platte auf vier Rädern ist, mit dem Grafen im Teppich, zu ziehen, steht hinter der Tür ein Wolf, und ich greife blitzschnell nach der Maus, die auf dem Wägelchen hin und her flitzt, packe sie am Schwanz und biete sie dem Wolf an, der danach schnappt; aber weil ich Angst habe, dass er in meine Finger beißt, zucke ich zurück, sodass er sie nicht erwischt, und die Maus quiekt in Todesangst mit weit aufgerissenen Augen, aber es klappt auch beim zweiten und dritten Mal nicht; es zieht sich mir alles zusammen und ich denke: »diese Quälerei muss doch nicht sein, wieso das arme Tier so quälen?« – und dann hat der Wolf sie, schluckt sie ohne zu kauen runter und dann sieht er mich an, versperrt immer noch die Tür und ich sehe ihn an und er sieht mich interessiert an • ich stehe mit Andi und Hans in einem Villenviertel herum und fresse Steine, schlucke so viele, dass der oberste dicht unter meiner Gurgel sitzt; ich mag ihn aber nicht auskotzen, weil es vielleicht weh tut, und wir reden über Angela und Andreas, die im Glashaus auf der anderen Seite wohnen, wo man schemenhaft Andreas mit seinem Kind spielen sieht; aber ich muss drehen und rutsche den Grasabhang runter, wo mich ein Bulle empfängt, bremst, an den Schultern packt und rüber auf den ordnungsgemäßen Weg schickt, von wo aus ich zwischen zwei Holzhäusern auf einem schmalen Weg inmitten von vielen Leuten gehe und mir eine Frau entgegenkommt, die mir bekannt vorkommt, in einem leichten Sommerkleid, mit einer Tasche, und gerade, als sie vorbei ist, drehen wir uns beide um und sehen uns an: es ist Angela Speitel, wir sehen uns etwas unsicher an, da sagt sie: »Man kommt sich näher« und lacht, was mich verwirrt und was ich der Kostümbildnerin erzähle, deren Assistentin Angela wohl ist, die das nicht tragisch nimmt und meint: »du hast doch meine Tina«, aber ich muss mir erstmal Wasser ins Gesicht schütten, gehe in ein Holzklo; auf einem Podest auf der anderen Seite sitzt Angela auf einer Eckbank an einem Tisch und blättert in einer Zeitung, das Klo hat zwei Türen – die »Endlicher Sieg«-Vorstellung beginnt zwar bald, aber als Nata in das zwar schlammige, grün vermooste, aber große Becken springt, will ich auch baden, man kann sogar mit Kopfsprung rein, und es wird zeitlich knapp, ich finde meinen Text nicht und es dauert ewig, bis der Bus endlich in den Hof fährt, an dessen Seite mit den Arkaden ich stehe; gleichzeitig wird auch gedreht und Sigrid hilft mir bei meinem komplizierten Kostüm, vor allem an den weißen Spitzenärmeln • und nach seinem diplomatischen Sieg fährt ein amerikanischer Präsident übers Meer, rückwärts auf Deck sitzend, genießt seinen Triumph, der Wind pfeift ihm um die Ohren und er sieht in einer Weise um sich, dass ich denke, dass er denkt: »mir gehört die Welt«, und ich das Gefühl habe, der Mann hat rein faktisch gesehen recht und dann sagt er auch noch: »von nun an mache ich meine Staatsbesuche nur noch mit Virtual-Reality-Chips und Schauspielern« • ich fahre mit einem Techniker im Aufzug bis in die höchsten Etagen und über das Dach des Theaters hinaus, eines mächtigen, quadratischen Baus, der oben noch einen Aufbau hat, von dem aus man die Stadt sehen kann, in windiger Höhe, und wie ich die Gittertreppe wieder runtergehe, sehe ich an einem anderen Aufgang Gert mit Hut verschmitzt hochsteigen und auf der Feier in einer Probebühne, ziehe ich mir erstmal einen Spreißel raus und bekomme zum Trost von einem Dramaturgen einen Osterhasen; Marion Arnold sitzt am Tisch und erzählt, dass sie vor Bärenbach eine schwere Psychose hatte, jetzt aber am Schauspielhaus Bochum fest angestellt bleibt –

      – Familienfeier, auf der prozessionsartig gegangen wird, einzeln hintereinander, sehr fein; beim dritten Abschnitt Büffet, von dem ich Pudding will, die Ausrichterin sagt, dass es noch bessere Sachen gibt, ich aufpassen soll, nicht schon zu satt zu werden –

      – die Puppe Robert Butterblume –

      – ich sehe beim Autohändler, wie ein junger Typ ein VW-Käfer-Cabrio kaufen will, sich reinsetzt und mit grimmig zufriedenem Lächeln die Versenkbarkeit des Innenraumes ausprobiert, sich immer wieder runtersinken lässt, dass nur sein Blondschopf mit seinem blöden, befriedigten Grinsen zu sehen ist, dann wieder so hoch, dass sein ganzer Oberkörper erscheint, das dümmlich satte Grinsen aber bleibt –

      – ich liege mit Inge und noch einer Frau mit wunderschönen Lippen so: am Straßenrand; im Hintergrund mehrstöckige Häuserzeilen einer Siedlung; die Frau mit den wunderschönen Lippen will mich küssen, aber wir liegen weiter stumm, sehr ruhig und schön atmend und dann mache ich Kakao –

      – im Laden: ich erzähle, dass es uns gut geht, Nata widerspricht heftig –

      – ich stehe im Dachzimmer am Fenster mit Blick auf die Stadt und sehe Gensicke, wie er von einem etwas tiefer liegenden Dach einen Vogel, eine Meise oder Ähnliches; die er in den Händen getragen hat, ein wenig freilässt, testweise, und die Meise flattert ein paar Meter in die Höhe, bleibt dort, heftig flattend an einem Platz stehen, will aber nicht weg und Nata hat die Post vom Nachttischchen im Dunkeln geholt: ein dickes blaues Reclambändchen: »die Worte der großen Vorsitzenden Rosa Luxemburg«, mit einer Karte von Luxemburg vorne drauf • Samelind Rießschneider • am Fahrkartenschalter: ich will zurück von Basel über München, aber die Verkäuferin überzeugt mich, dass es über Frankfurt kürzer ist–

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