Taunusschuld. Osvin Nöller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Osvin Nöller
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Gramberg-Reihe
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347100527
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Basti bereits ausgeführt hat, kümmere ich mich um die großen und vor allem internationalen Fälle. Dabei haben wir einen Diamantenschmugglerring in der Beobachtung, der von Antwerpen aus quasi in ganz Europa aktiv ist. Eine Person, die wir in diesem Zusammenhang auf dem Radar haben, ist Dirk ­Jühlich. Genau der ­Jühlich, der gestern überfallen und angeschossen wurde. Ich darf das eigentlich gar nicht verraten, halte es aber für wichtig, damit ihr unsere Entscheidung versteht und gehe davon aus, dass es hier im Raum bleibt.“

      ­Melanie ahnte, was jetzt kommen würde, und glaubte neben sich die geflüsterten Worte „Du Arsch“ zu hören. Sie schielte zu ­Schubert, der aussah, als wäre er kurz vor dem Platzen.

      „Wir glauben nicht, dass der versuchte Raubüberfall etwas mit dem Schmuggel zu tun hat. Deshalb habe ich die Verfügung mitgebracht.“ Er zeigte auf ­Wolrichs Zettel. „Dass ihr ab sofort ausschließlich nach eurem Täter sucht und euch aus allem, was nach Diamanten aussieht, heraushaltet. Ich werde die Diamantenlieferung, die vorgestern angekommen ist, beschlagnahmen. Falls ihr den Eindruck haben solltet, doch an unseren Zuständigkeitsbereich zu stoßen, meldet ihr euch sofort und ausschließlich bei mir persönlich, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Die Betonung liegt auf sofort!“ Er legte eine Visitenkarte auf den Tisch. „Ich hoffe, wir arbeiten reibungslos zusammen.“

      ­Schubert holte hörbar Luft. „Darf ich etwas dazu sagen?“

      „Jetzt nicht“, entgegnete ­Wolrich. „Komm nachher in mein Büro. Ich glaube, die Anweisung aus Wiesbaden ist eindeutig. Frohes Schaffen noch.“ Er rauschte mit dem Gast aus dem Raum.

      ***

      „Der Typ hatte einen Beschluss der Staatsanwaltschaft, mit dem das BKA die Ermittlungen einschränkt?“ Siggi fuhr sich durchs Haar und lehnte sich auf dem Besucherstuhl vor ­Melanies Schreibtisch in der Detektei zurück.

      ­Melanie zuckte mit den Schultern. „­Wolrich hat das Papier zumindest akzeptiert.“ Sie grinste. „Du hättest ­Schubert sehen sollen. Der stand kurz vor der Explosion. Ich hatte ohnehin den Eindruck, dass er und dieser ­Pränger damals nicht die besten Freunde waren.“

      Er verschränkte die Arme. „Ist etwas ungewöhnlich. Der Diamantenschmuggel liegt zunächst einmal nicht im natürlichen Zuständigkeitsbereich des Bundeskriminalamtes, wenn dann eher beim LKA. Also muss etwas Besonderes an dem Fall sein, wenn ein Staatsanwalt die Ermittlungen nach Wiesbaden verlagert. Zudem müssen die Herrschaften sehr schnell von dem Überfall erfahren und dann blitzartig einen Staatsanwalt gefunden haben, der ihnen die Beschlüsse zur Verlagerung und der Beschlagnahmung der Diamanten unterschrieben hat. Das alles in den paar Stunden. Sehr, sehr ungewöhnlich! Zumal die Beschlagnahme unter dem richterlichen Vorbehalt steht. Ich wüsste zu gern, was da dahintersteckt.“

      ­Melanie überlegte. „Glaubst du, da ist was faul?“

      „So weit will ich im Moment nicht gehen. ­Wolrich wird das geprüft haben. Ich bin aufgrund meiner eigenen Erfahrungen halt nur überrascht. Ich habe solche Anordnungen zu meiner Zeit nur in absoluten Ausnahmefällen getroffen. Da mussten die Ermittler mit sehr überzeugenden Argumenten kommen. Muss aber zugeben, dass das mehr als fünfzehn Jahre zurückliegt. Was haben sie zu deiner anonymen Nachricht gesagt?“

      ­Melanie verzog das Gesicht. Sie erzählte, dass ­Sandro mit ihr bei einem Kripobeamten war, der die Anzeige mit kaum erkennbarem Elan aufgenommen habe. „Ich glaube nicht, dass der sich ein Bein ausreißen wird“, schloss sie den Bericht ab und stand auf. „Sei mir nicht böse, aber ich will mich in der Wohnung noch kurz frisch machen und zu Anja nach Oberursel fahren.“

      Er erhob sich ebenfalls. „Kein Problem. Bis bald.“

      ­Melanie fuhr ihren Laptop runter, schaltete die Kaffeemaschine und die Lampen aus. Schließlich verließ sie die Detektei und schloss die Eingangstür ab. Langsam und in Gedanken versunken stieg sie die Treppe hoch. Ihr ging ­Pränger nicht aus dem Kopf. Einmal abgesehen davon, dass sie ihn für einen Kotzbrocken hielt, gaben ihr Siggis Worte zu denken. Was wurde hier gespielt? Es war natürlich nicht ihre Baustelle. Damit hatten sich ­Schubert und ­Sandro herumzuschlagen, aber dennoch hätte sie zu gern gewusst, wie die Sache sich entwickelte. Vielleicht war es mal wieder an der Zeit, sich auf einen Kaffee zu treffen.

      Sie betrat den Flur ihrer Wohnung, hängte ihre Strickjacke auf einen Bügel an die Garderobe, schlüpfte aus den Sneakers und schob diese unter ein Schuhregal. Auf Strümpfen lief sie in die Küche, öffnete den Kühlschrank, um eine Flasche Almdudler herauszunehmen. Den Deckel entfernte sie mit dem an der Kühlschranktür befestigten Öffner.

      Ihr nächster Weg führte sie ins Wohnzimmer, in dem die Möbelstücke völlig verschieden waren, aber trotzdem zusammenpassten. Erbstücke und Teile vom Flohmarkt ergänzten sich in ihren Augen prima, hier fühlte sie sich wohl.

      Sie ließ sich aufs braune Stoffsofa fallen und stutzte, als sie das Kontrolllicht ihres privaten Laptops entdeckte. Er befand sich im Standby-Modus, obwohl sie davon überzeugt war, ihn am gestrigen Abend ausgeschaltet auf dem Couchtisch zurückgelassen zu haben. ­Melanies Haut kribbelte plötzlich, ein sicheres Zeichen der einsetzenden Alarmbereitschaft.

      Ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Sie öffnete ihr Postfach und las einige unbedeutende Mails, um anschließend das Notebook auszuschalten.

      Das Gefühl, dass jemand in der Wohnung gewesen sein könnte oder sogar noch anwesend war, wollte nicht verschwinden. Sie horchte. Bis auf das Surren der Zeitschaltuhr, an die eine Stehlampe angeschlossen war, herrschte totale Stille.

      Sie schlich zurück in den Flur und schob die angelehnte Schlafzimmertür vorsichtig auf. Alles war wie immer. Dennoch stieß sie die Tür bis zum Anschlag auf, um sicherzugehen, dass sich dahinter niemand versteckte. Auch im Bad und dem anderen Zimmer gab es keinerlei Hinweise, dass sich hier eine Person aufgehalten hatte. Allmählich löste sich die Anspannung.

      In diesem Moment hörte sie das Signal einer eingehenden Mitteilung auf ihrem Smartphone. Sie hatte es im Wohnzimmer auf dem Couchtisch zurückgelassen.

      Die Nummer des Absenders verursachte bei ihr sofort Gänsehaut.

WA-S28

      ***

      Pascal ­Wolter saß in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Winterhude in seiner Zelle, tippte die Worte „Es geht los“ in ein Smartphone und schaltete es aus. Schnell steckte er es in die Hosentasche. Er nahm das Tablet vom Tisch und verstaute es unter dem Anstaltshemd im Hosenbund.

      Die Gedanken umkreisten eine Person: ­Melanie ­Gramberg! Die Frau, die dafür verantwortlich war, dass er vermutlich nie wieder frei sein würde. Alles, was ihm blieb, war der Versuch, das Leben im Gefängnis so angenehm wie möglich zu gestalten. Glücklicherweise war ihm das bisher gelungen, auch wenn ihn das sehr viel Geld kostete.

      Rachegelüste hatten sich bei ihm eingebrannt, schrien unentwegt danach, endlich befriedigt zu werden. Sein Plan war perfekt, da war er sich sicher. Er würde die ­Gramberg zunächst quälen, bis sie den Verstand verlor, um sie am Ende auszulöschen. Die Vorkehrungen waren getroffen, der Startschuss gegeben. Seine Helfer standen bereit. Wahrscheinlich brachte ihm das Vergnügen eine zusätzliche Strafe ein. Das war ihm egal, was sollte ihm schon passieren? Mehr als lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung war nicht möglich! Es war ihm klar, dass das Urteil im demnächst anstehenden Prozess nur so lauten konnte.

      Es klopfte, der Riegel der Zellentür wurde zurückgeschoben. Zwei Justizbeamte betraten die Zelle.

      „Es geht los. Ihr Anwalt erwartet Sie im Besucherraum.“ Der Ältere hielt ihm Handschellen entgegen.

      Unaufgefordert hob ­Wolter die Hände nach vorne, um sich fesseln zu lassen. Normalerweise hätte man ihn durchsucht. Diese Prozedur hatte er längst mit überzeugenden Argumenten abgeschafft und dafür gesorgt, dass in solchen Fällen stets dieselben Wachhabenden erschienen.

      Sie waren im Besucherraum allein mit einem Justizangestellten, ein Umstand, der ihnen sehr recht war. Zumal der Beamte die ganze Zeit mit seinem Handy spielte.