Die Mähne war durch ein Gummi kaum zu bändigen. Sie hatte einen dunkelbraunen Teint und trug ein eng anliegendes, ziemlich knapp sitzendes Kleid, das die perfekten Kurven ihres aufregenden Körpers sehr exakt nachzeichnete. Es enthüllte mehr, als es verbarg.
Ich nahm an, dass es sich um Dustin Jennings’ Freundin Rita Aldosari handelte.
Ich hoffte, dass wir von ihr mehr erfuhren, bezweifelte es aber.
Ihr Blick traf mich, dann sah sie zur Seite.
Ein paar Minuten später stand ich zusammen mit Milo vor ihrer Apartment-Tür.
Es gab keine Klingel. Ich klopfte. Sie öffnete zögernd.
„Jesse Trevellian, FBI!“, mit diesen Worten hielt ich ihr meine ID-Card entgegen. Ich deutete auf Milo. „Dies ist mein Kollege Agent Tucker. Sind Sie Miss Rita Aldosari?“
„Ja, die bin ich“, sagte sie mit einer dunklen, warm klingenden Stimme. Sie nahm die Kette von der Tür und öffnete sie nun ganz. „Kommen Sie herein, bevor Sie mir die Tür eintreten. Das ist es doch, was Sie als nächstes versucht hätten, oder?“
„Nur im Notfall“, verteidigte ich mich.
Mein freundliches Lächeln erwiderte sie nicht. Sie wirkte kalt und abweisend. Aber in gewisser Weise konnte ich das auch verstehen. Schließlich jagten wir den Mann, mit dem sie nach Angaben von Lucas Fielding liiert war.
Wir traten ein.
Sie bot uns erst einen Platz in der Sitzgarnitur aus Kunstleder an und dann einen Kaffee. Wir lehnten beides ab.
„Dustin Jennings soll in der letzten Zeit bei Ihnen gelebt haben. Trifft das zu?“, fragte ich.
„Und wenn schon!“, erwiderte Rita Aldosari mit einem deutlich von Trotz gekennzeichneten Unterton. Meine Befürchtungen sollten sich bestätigen. Sie war nicht bereit, mit uns zu kooperieren.
Noch nicht, wie ich hoffte.
Schließlich würde es zweifellos ziemlich schwierig werden, Jennings zu fassen. Zumindest so lange er klug genug war, im Revier der BRONX DEVILS zu bleiben. Hier war sein Revier, hier kannte er sich aus wie in seiner Westentasche und würde vermutlich auch immer irgendwo Unterschlupf finden, sodass die Sache ziemlich kompliziert für uns werden konnte.
„Wir nehmen an, dass Jennings einige seiner Sachen in Ihrem Apartment zurückgelassen hat“, stellte Milo fest. „Die müssen wir beschlagnahmen.“
Diese Ankündigung nahm Rita Aldosari schweigend hin. Milo ging in das zum Apartment gehörende Schlafzimmer. Die Wände waren in diesem Gebäude sehr hoch.
Mindestens drei Yards schätzte ich auf den ersten Blick. Es musste ein Vermögen kosten, diese Wohnungen zu heizen.
Auf dem Bett standen zwei offenbar in großer Eile gepackte Reisetaschen. Es lag auf der Hand, dass sie Jennings gehörten. Er hatte auf Grund unseres plötzlichen Auftauchens und seiner überstürzten Flucht wohl keine Gelegenheit mehr gehabt, die Gepäckstücke mitzunehmen.
„Haben Sie eine Ahnung, wo Jennings jetzt sein könnte?“, fragte ich an Rita gewandt.
„Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen bestimmt nicht sagen, G-man!“
„Wir suchen eine Waffe, die Jennings in seinem Besitz haben soll und mit der ein Staatsanwalt ermordet wurde. Es handelt sich um eine 45er Automatik. Wissen Sie etwas darüber?“
„Nein.“
„Sie werden sich allerdings gefallen lassen müssen, dass wir diese Wohnung nach der Waffe durchsuchen.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust „Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?“
„Nein, aber den bekommen wir sehr schnell.“
Sie schluckte.
„Heißt das, Dusty hat jemanden umgebracht?“
„Das wissen wir nicht“, erwiderte ich. „Aber jemand benutzte die verschwundene Waffe aus einem alten Mordfall, um Staatsanwalt Longoria zu töten.“
Rita seufzte hörbar. „Ja, wenn es so ein großes Tier erwischt, dann stellt ihr alles Mögliche auf die Beine! Aber wehe, irgendein kleiner Wicht wird angegriffen oder umgebracht – dann mahlen auch die Mühlen des FBI sehr viel langsamer, oder?“
Ich hatte wenig Lust, mich mit dieser ziemlich kämpferisch wirkenden jungen Frau auf eine Diskussion einzulassen, dazu hatte ich im Moment einfach zu viel um die Ohren.
18
Der Konferenzraum befand sich im siebzehnten Stock eines Bürogebäudes am nördlichen Ende der Seventh Avenue. Man hatte einen hervorragenden Blick auf den Central Park.
Miles Buchanan erhob sich.
Er klopfte mit dem Kugelschreiber gegen seine Kaffeetasse, um sich der Aufmerksamkeit der anwesenden Mitglieder des Stiftungsrates der LIGA FÜR RECHT UND ORDNUNG zu versichern.
Daraufhin kehrte innerhalb weniger Augenblicke Stille ein.
„Ladies und Gentlemen – diese außerplanmäßige Sitzung unseres Stiftungsrates habe ich in meiner Eigenschaft als 2. Vorsitzender und Stellvertreter des ermordeten James Longoria, einberufen. Sie hat den Sinn, ein paar Dinge zu klären, von der die Wahl eines neuen Vorsitzenden nur einer von mehreren Punkten ist, den ich im übrigen ans Ende der Tagesordnung gelegt habe – einfach schon deshalb, weil ich der Auffassung bin, dass zunächst eine Aussprache erfolgt sein sollte.“ Miles Buchanan ließ den Blick schweifen.
Es herrschte absolute Stille. Die Gesichter wirkten betreten und niedergeschlagen.
„Der Tod von Staatsanwalt James Longoria hat die ganze Stadt New York tief getroffen – aber für unsere Stiftung ist dieser Verlust beinahe unersetzlich. Ich trage Eulen nach Athen, wenn ich all die Aufgaben aufzähle, die Mister Longoria für unsere Organisation übernommen hatte. Das Amt des Vorsitzenden ist da nur eine Facette, die nach außen sichtbar war. Aber wenn sich Hilfe suchende Verbrechensopfer an die LIGA wandten, so war er oftmals auch persönlich anwesend, um den Betreffenden zu helfen. Er hat aus der LIGA FÜR RECHT UND ORDNUNG mehr gemacht, als eine bloße Verwaltungsmaschine von Spendengeldern, die ja inzwischen ziemlich reichlich fließen. Und auch da trug Mister Longoria mit seinen hervorragenden Kontakten zu Handel, Industrie und öffentlichen Einrichtungen zum Erfolg erheblich bei. Gleichgültig, wer auch immer sich unter uns bereit erklären sollte, diesen Posten zu übernehmen, er sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass es sehr schwer sein wird, diesen gewaltigen Fußstapfen zu folgen, die Mister Longoria für seine Nachfolger hinterlassen hat.“ Erneut machte Buchanan eine Pause. „Wir werden die Entwicklung auf dem Spendenmarkt antizipieren müssen. Dazu werde ich Ihnen auch noch ein Konzept vorstellen, in dem ich mir mal aufgeschrieben habe, welche Neuerungen ich auf die Dauer der nächsten anderthalb Jahre für unaufschiebbar halte! Doch darüber können wir später noch reden. Ich möchte jetzt zu einem anderen Punkt kommen. Es geht um die junge Frau, die James Longoria im Anblick seines Todes auf dieser Welt zurückgelassen hat und die eigentlich damit rechnen konnte, noch etliche Jahrzehnte mit diesem einzigartigen Mann in Liebe verbunden sein zu können.
Doch der Tod hat Longoria mitten aus dem Leben geholt. Details der polizeilichen Ermittlungen werde