Ein dicker Schopf aus Rasta-Locken fiel ihm bis auf die breiten Schultern. Dort wurde er durch ein Seidenband zusammengehalten.
Rechts und links gingen seine baumlangen Gorillas. Das Heer seiner Anwälte folgte ihm auf den Fuß.
An Kingsroads Arm hing eine Mulattin mit rotgefärbten Haaren und kurvenreicher Figur. Das Strickleid, das sie trug, war sicher eine Nummer zu klein, stand ihr aber genau deswegen besonders gut. Bei dem Pelz, den sie trug, handelte es sich um echten Hermelin. Das entsprach zwar nicht ganz der Welle der sogenannten politischen Korrektheit, die das liberale New York genauso heimsuchte wie den Rest der Staaten, aber das kümmerte weder die kurvenreiche Rothaarige noch den Mann, der ihr diesen Pelz finanziert hatte.
Marvin Kingsroad.
Er zeigte der Journaille sein Tigerlächeln.
Seine Gorillas schubsten einige der Reporter ein Stück zur Seite.
"Mr. Kingsroad gibt keine Kommentare!", brüllte einer von ihnen zwischen seinen Zähnen hindurch. Aber das wollte keiner der Wartenden glauben.
Als Kingsroad den Fuß der Treppe erreicht hatte, drehte er sich zum Schrecken seiner Sicherheitsleute nochmal um. Er hob die Hand, aber es wurde nicht ruhiger.
Er wartete gelassen.
"Mr. Kingsroad, meinen Sie, dass mit diesem Urteil der Gerechtigkeit Genüge getan wurde?", erkundigte sich eine Reporterin mit einem Gesicht, das ein bisschen zu angestrengt wirkte, um noch richtig hübsch sein zu können.
"Seit heute glaube ich wieder an den Rechtstaat, Ma'am!", erklärte er.
Seine Stimme war scharf und ätzend.
Sein Tonfall war zynisch.
Irgendwo unter den Dutzenden von Menschen, die sich um Marvin Kingsroad drängten befand sich ein untersetzter Mann mit dunklen Haaren.
"Abschaum", flüsterte er vor sich hin und seine Lippen bebten vor Wut und Hass. "Dieser Mann ist Abschaum, nichts als eine Ratte, die man zerquetschen sollte..."
In seinen Augen flackerte es.
Der Griff seiner Hand ging in die tiefe Tasche seines weiten Mantels.
Er fühlte etwas Kaltes, Metallenes.
Eine Pistole!
Jetzt noch nicht!, sagte er sich. Es kommt eine günstigere Gelegenheit...
20
"Sie sind leichtsinnig, Boss!", meinte einer der Leibwächter, nachdem Kingsroad sich mit der rothaarigen Schönen auf der breiten Rückbank seines Rolls Royce niedergelassen hatte.
"Denken Sie an den armen Pitaschwili!"
Kingsroad lachte schallend.
"Der arme Pitaschwili war ein Narr, Cal! Merken Sie sich das."
Cal zuckte die Schultern und überprüfte den Sitz seines Revolvers. Aus einem Fach, das sich unter seiner Sitzbank befand, holte er dann eine kurzläufige Maschinenpistole heraus und lud die Waffe durch.
Jetzt meldete sich die Rotgefärbte zu Wort.
"Cal hat recht, Marvin! Das eben war leichtsinnig!"
"Baby, davon verstehst du nichts!"
"Ach!"
"Niemand würde so dreist sein, mich auf den Stufen des Gerichtsgebäudes abzuknallen - vor den Augen der Kameras!"
Sie zog einen Schmollmund.
Den musste sie oft geübt haben. Sie machte das perfekt.
Und dann sagte sie schneidend: "Es hätte auch niemand geglaubt, dass jemand so dreist sein könnte, Big Vlad Shokolev über den Jordan zu schicken!"
Er sah sie an.
Da war leider etwas dran, obwohl der Mann mit der Rasta-Mähne ihr ungern recht gab.
Ein Schatten fiel über über sein triumphierendes, siegessicheres Gesicht.
Dann blickte er seitwärts.
Er sah eine gute Bekannte auf den Rolls zugehen. Jelena Shokolev in Begleitung ihrer Leibwächter. Kingsroad hatte sie bereits im Gerichtssaal bemerkt.
"Nanu!", meinte er. "Die Lady scheint was von mir zu wollen!"
Summend ließ er das Fenster heruntergleiten.
Die Shokolev neigte sich hinunter. Ein verheißungsvolles Lächeln stand in ihrem hübschen Gesicht. Ihre Augen blitzten herausfordernd.
"Ich möchte Ihnen gratulieren, Marvin!"
"Danke, danke!"
"Ich habe Sie immer bewundert!"
"Ach, ja?"
"Sie sind einer der Größten Ihrer Branche."
Er lachte rau. "Zumindest hier im Big Apple!"
"Wir müssen uns unbedingt treffen, Marvin! Schließlich müssen wir besprechen, auf welche Weise die Geschäfte weiterlaufen sollen... Jetzt, nach Pitaschwilis Hinscheiden!"
"Okay", nickte Kingsroad. "Ein Treffen wäre nicht schlecht..."
"Ich habe einen Tisch im Antonio's reserviert. Ein Gourmet-Tempel in Little Italy..."
"Warum nicht?"
Sie warf ihm eine Kusshand zu und wirkte dabei wie eine billige Bordsteinschwalbe. Kingsroad schien das nicht zu stören. Im Gegenteil. Sein Gesichtsausdruck hatte in dieser Sekunde beinahe etwas Weiches.
"Heute Abend um acht?", säuselte sie.
"In Ordnung!"
21
"Die Witwe wird rund um die Uhr beschattet", erklärte Mr. McKee, während er an seinem Kaffeebecher nippte. "Sie kann ihre Festung in Paterson nicht verlassen, ohne dass sich einer unserer Leute an ihre Fersen heftet und sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Selbst wenn uns das in diesem Fall nicht weiterbringen sollte, bringt es doch nebenbei eine Reihe interessanter Erkenntnisse..."
Ich nickte. Milo und ich hatten unserem Chef einen kleinen Bericht über den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen geliefert.
"Mit Marvin Kingsroad hätten wir uns auch ganz gerne unterhalten", ergänzte Milo meine Ausführungen. "Aber der ist ja heute morgen wieder auf freien Fuß gekommen. Außerdem lässt sich das ja nachholen..."
Allerdings war fraglich,