Sie seufzte hörbar. Dann sagte sie: "Ich habe in letzter Zeit ziemlich oft mit John geschlafen - wenn das Ihre Frage beantwortet, Jesse!"
"Das tut es", nickte ich.
"Ganz gleich, was andere über ihn sagen mögen, er war ein netter Kerl."
Zu dir vielleicht, Miranda!, erwiderte ich in Gedanken. Zu anderen war er dafür um so härter. Aber ich verkniff mir eine Bemerkung in dieser Richtung.
Ich wollte Pitaschwilis Mörder.
"Vor wem hatte er Angst?", fragte ich.
"Vor diesem geheimnisvollen Syndikat, dessen Killer mit dem Drahtbesen durch New York räumen... Ich soll nicht darüber reden, aber heute morgen hat jemand auf ihn geschossen und ihn nur knapp verfehlt."
"Wo war das?"
"Hier, direkt vor der Tür. Seine Leute haben alles mühsam wieder verkleistert, damit man an der Wand kein Loch sieht.
Schreckt die Gäste ab... Vermutlich steckt die Kugel noch im Putz!"
Ich begriff. Pitaschwili hatte deswegen also diese Höllenangst gehabt und sich mit mir treffen wollen.
"Hatte er irgendwen in Verdacht?"
"Sie meinen, wer die Drahtzieher dieses unbekannten Syndikats sind? Nein. Er konnte sich einfach keinen Reim auf die Sache machen."
Ich hob die Augenbrauen. "Und Sie?"
"Ich?"
"Haben Sie eine Meinung dazu, Miranda?"
Sie atmete tief durch und nickte dann. "Ich glaube, die Hexe steckt hinter Pitaschwilis Tod!"
"Wer soll das sein?"
"Die Frau von Big Vlad!"
"Jelena!"
Miranda nickte. "Ja. John nannte sie manchmal so. Er konnte sie nicht leiden und sie ihn nicht!"
"Wussten Sie, was Pitaschwili im Strand Book Store wollte?"
"Sich mit Ihnen treffen, Jesse!"
"Er erwähnte meinen Namen?"
"Ja."
"Wer wusste noch von dem Treffen?"
"Mit Sicherheit Mick Randy."
Ich erinnerte mich daran, dass Pitaschwili mir den Kopf der Witwe versprochen hatte. "Ihr Freund hat mir gegenüber den Eindruck gemacht, als wüsste er, wer Shokolev getötet hätte!"
Sie legte ihre Hand auf die meine. Sie beugte sich dabei etwas vor und gestattete mir einen tiefen Einblick in ihr wohlgefülltes Dekolletee. Ihre Augen waren dunkelbraun. Ihr Blick war geradezu beschwörend.
"Diese Hexe war es, die es auf ihn abgesehen hatte! Ich hatte es ja schon länger geahnt, dass er sich vor der in Acht nehmen muss, wenn Big Vlad mal nicht mehr sein sollte. Und John war schließlich überzeugt davon, nachdem er heute Morgen von diesem Treffen zurückkam und erfahren musste, dass die Witwe Big Vlads Geschäfte weiterführen will. Und nicht nur das! Sie scheint auf Angriff aus zu sein!"
"Das ist unlogisch", sagte ich. "Pitaschwili war doch einer von Big Vlads Männern. Wenn Jelena expandieren wollte, hätte er doch davon profitiert! Und weshalb hätte die Witwe einen Killer auf ihn loslassen sollen?"
Sie bedeutete mir, mich etwas vorzubeugen. Ihr Blick glitt angstvoll durch das Belle de Jour. Fast so, als musste sie sich noch einmal vergewissern, dass wirklich niemand außer mir ihre Worte hörte. Und dann wisperte sie mir leise zu: "Wenn man mit jemandem das Bett teilt, kriegt man alles mögliche mit. Auch Dinge, die man vielleicht besser nicht erfahren sollte..."
"Und was haben Sie über Pitaschwili herausgefunden?"
"Dass er ganz offensichtlich Big Vlad betrogen hat. Er hat in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und der alte Löwe ist in letzter Zeit wohl etwas unaufmerksam geworden und schielte nur nach den Röcken..."
"Und Sie meinen, Jelena hat das herausgefunden?"
"Natürlich! Jedenfalls denke ich das!"
"Verstehe... Vielleicht brauche ich jetzt doch noch einen Drink."
17
Ich ging mit Miranda hinaus auf die Straße, nachdem sie sich etwas mehr angezogen hatte. Schließlich war es ein lausig kalter Tag.
"Es war heute Morgen, so gegen 8 Uhr. John wollte in den Wagen steigen. Ich habe vom Fenster aus dem dritten Stock aus zugesehen. Dort habe ich mein Zimmer... Ein Wagen fuhr sehr langsam heran."
"Was für ein Typ?"
"Mein Gott, da kenne ich mich nicht so aus. Er war fast weiß. Champagnerfarben. Fragen Sie mich nicht nach der Nummer!"
Ich zeigte ihr das Polaroid von dem Wagen der Killer, die Pitaschwili auf dem Gewissen hatten.
Sie sah es sich genau an.
Dann nickte sie.
"Der könnte es gewesen sein", bestätigte sie. "Aber sicher bin ich nicht..."
Aussagen von diesem Präzisionsgrad waren nicht gerade, was ein Ermittler sich wünschte. Aber es gibt schlimmere Dinge, mit denen man in unserem Job leben muss.
Immerhin konnte ich die Kugeln aus der Mauer kratzen.
Das Kaliber kam hin. Vielleicht waren das die Leute, die wir suchten.
Ich sah sie an. Sie zitterte leicht. Vor Kälte, wie ich annahm.
"Ist noch was?", fragte sie.
"John Pitaschwili scheint ein sehr gut informierter Mann gewesen zu sein."
Sie hob die dunkel nachgezogenen Augenbrauen, die ihre braunen Augen gut zu Geltung brachten. "Offenbar wusste er nicht genug", meinte sie dann. "Sonst würde er jetzt noch leben."
"Woher kann er meinen Namen haben?"
"Sie sind doch der New Yorker Cop. Natürlich hat er von Ihnen gehört, so wie Sie auch schon von Big Vlad gehört hatten, bevor er eine Leiche war..."
"Das meinte ich nicht."
"Ich weiß."Ihr Tonfall war jetzt gedämpft. Sie lächelte auf eine Weise, von der man nicht genau wusste, ob sie geschäftsmäßig oder ehrlich war. Eine Mischung aus beidem.
Man konnte es sich sozusagen aussuchen. "John hat einen Spion in Jelenas unmittelbarer Nähe."
"Wissen Sie, wer das ist?"
"Nein. Aber von ihm wusste er, dass Sie an dem Fall Shokolev dran sind."
Bevor wir wieder ins Belle de Jour gingen, hielt sie mich am Arm. Sie sah mich ernst an.
"Sie kriegen sie, nicht wahr? Die Hexe..."
"Wenn sie wirklich etwas damit zu tun hat, ja!", versicherte ich ihr.
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