Ich rannte in geduckter Haltung voran, während Milo auf das Fenster feuerte, aus dem zuvor auf uns geschossen worden war.
Eine zaghafte Erwiderung krachte los, aber Milo schien ziemlich genau zu zielen. Und der Killer dort oben ging lieber auf Nummer sicher.
Rechts und links neben mir kratzten die Kugeln am grauen Asphalt. Dann hechtete ich mich hinter einen Mercedes-Lieferwagen von uraltem Baujahr. Er war mindestens so ausgeschlachtet wie die Lastwagen.
Immerhin...
Ich hatte einige Meter gewonnen. Und der Eingang war jetzt in einer Entfernung, die vielleicht erreichbar war, wenn der der Kerl am Fenster mal nicht so hundertprozentig auf dem Posten war.
Ich feuerte ein paar Mal hinauf zu ihm und kauerte mich dann zum Nachladen hinter den Lieferwagen.
Milo machte mir ein Zeichen.
Alles in Ordnung.
Wieder herrschte einige Augenblicke lang diese eigenartige Ruhe vor dem Sturm. Jeder Muskel und jede Sehne meines Körpers waren angespannt.
Ich atmete tief durch und ließ den Blick die Fassaden auf der anderen Seite entlanggleiten.
Als ob ich es geahnt hätte...
An einem der Fenster bemerkte ich eine Bewegung.
Einer der Killer hatte sich offenbar auf die andere Seite begeben, um uns in aller Ruhe abschießen zu können. Ich ballerte zweimal in seine Richtung. Für den Moment schien er sich nicht aus seiner Deckung herauszutrauen.
Dafür war der Kerl mit der MPi um so aktiver. Er feuerte wild drauflos.
Ein unheimliches, zischendes Geräusch folgte, anschließend eine mörderische Hitzewelle.
Ich musste zur Seite hechten, als die Kugeln den Tank durchsiebten, der offenbar noch genug Kraftstoff enthalten hatte, um eine Explosion auszulösen.
Die Flammen schlugen hoch aus dem Lieferwagen heraus, während ich mich am Boden herumrollte und die Augen zusammenkniff. Die Hitze war furchtbar. Ich hatte das Gefühl, buchstäblich bei lebendigem Leibe geröstet zu werden.
Wieder schoss eine Flamme aus dem Lieferwagen heraus. Die wenigen Scheiben, die noch ganz waren, zerbarsten mit einem Klirren.
Der MPi-Schütze ballerte von oben in meine Richtung. Die Kugeln schlugen links und rechts von mir ein.
Es war die Hölle.
Mit einer heftigen Bewegung riss ich die Waffe hoch und feuerte zurück. Dann rappelte ich mich hoch, feuerte ein weiteres Mal dabei und hastete in Richtung des Eingangs. Ich schoss wild drauflos. Ein paar Dutzend Schritte nur trennten mich von der bröckelnden Hausfassade...
Ich setzte alles auf eine Karte. Und etwas anderes blieb mir auch gar nicht. Ich musste so schnell wie möglich aus dem Schussfeld kommen.
Ich keuchte.
Den letzten Schuss feuerte ich aus der Waffe und dann hatte ich es geschafft. Ich presste mich an die Fassade.
Der herausrieselnde graue Staub setzte sich in meinem Mantel fest. Ich atmete auf. Für den MPi-Schützen war ich jetzt unsichtbar. Der Winkel war zu spitz. Er konnte mich von oben weder sehen noch gezielt beschießen.
Bis zum Eingang hätte ich mich noch einige Meter an der Wand entlangdrücken müssen.
Aber dafür blieb keine Zeit, denn jetzt wurde von der anderen Seite geschossen.
Das war der Kerl mit der Schalldämpferwaffe und der Spiegelbrille. Jener Mann, der meinen Informanten getötet hatte. Jedenfalls schloss ich das aus der Tatsache, dass ich kein Schussgeräusch hörte. Ohne Vorwarnung drang die Kugel dicht neben mir in das poröse Mauerwerk und ließ noch mehr Putz herunterrieseln.
Meine Waffe war leergeschossen. Ich konnte nicht zurückfeuern.
Als der nächste Schuss dicht über meinen Kopf strich, stand mein Entschluss fest. Ich hechtete in das nächste Fenster hinein. Die Scheiben waren zerschlagen, aber es ragten noch scharfe Splitterstücke in die Fensteröffnung hinein. Wie Messer.
Und ich wusste nicht, was mich auf der anderen Seite, im Halbdunkel dieser verfallenen Ruine erwartete. Hart kam ich auf den Boden und rollte mich auf die Weise ab, die man mir im Nahkampftraining beigebracht hatte.
Meine Schulter schmerzte höllisch, aber ich biss die Zähne zusammen. Ich lud die Waffe in Windeseile nach. Dann sah ich das Blut an meinem Arm.
Das Glas war wie ein Messer durch meinen Mantel gefahren.
Hoffte ich.
Ich glaubte einfach nicht, dass es eine Kugel war.
Innerlich fluchte ich.
Aber ich war nicht bereit, jetzt auf diese Verletzung Rücksicht zu nehmen. Ich packte die Waffe fester und durchquerte den halbdunklen Raum.
Wenig später hatte ich die Tür erreicht und arbeitete mich durch den Flur vor. Eine Treppe führte hinauf. Der Aufzug war nur noch ein Schrotthaufen, und ich hatte keine Lust, ihn auf seine Funktionstüchtigkeit hin zu testen. Außerdem gab es vermutlich auch keinen Strom.
Vorsichtig ging ich die ersten Stufen hinauf. Das Geländer war schadhaft, der Handlauf teilweise abgebrochen.
Eine Bewegung ließ mich herumfahren, und ich sah eine riesige Ratte von einer Tür zur anderen huschen.
Nur den Bruchteil einer Sekunde später sah ich über mir etwas aufblitzen.
Das Mündungsfeuer einer MPi.
12
Der Killer stand auf einer der oberen Treppenabsätze und ballerte in die Tiefe - auf mich.
Ich ließ mich seitwärts fallen, während die Geschosse den ohnehin morschen hölzernen Handlauf zerfrästen. Ich drückte mich an die Wand. Draußen, im Innenhof waren jetzt Polizeisirenen zu hören.
Über mir hörte ich schnelle Schritte und so wagte ich es, die Treppe hinaufzurennen. Ich nahm zwei bis drei Stufen mit einem Schritt, bis ich den fünften Stock erreichte, von wo aus der Killer mich beschossen hatte. Immer wenn ich einen Absatz erreichte, erwartete ich, von einem Bleihagel begrüßt zu werden.
Aber von dem Killer war nichts zu sehen.
Von draußen krächzte jetzt ein Megafon und forderte die Killer zum Aufgeben auf.
Milo schien die Beamten der City Police und des FBI eingewiesen zu haben.
Fieberhaft durchsuchte ich den fünften Stock. Zimmer für Zimmer. Die meisten Räume waren kahl wie ein Rohbau. Man hatte alles mitgenommen. Hin und wieder standen da noch ein paar Büromöbel und Kisten mit halbverschimmelten Papieren, aus denen sich die Ratten ihre Nester bauten.
Vielfach fehlten selbst die Türen.
Irgendwer hatte sie offenbar noch einer Verwendung zuführen können. Vielleicht auch nur als Brennholz für ein Feuer, das einem Obdachlosen die eiskalten Nächte wärmer werden ließ.
Ich fragte mich, ob sich auf der anderen Hausseite Feuerleitern befanden. Jedes Haus in New York, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, besitzt sie, denn