Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745204407
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soll man von solchen Frauen halten? Nichts wert sind sie. Ich würde nichts sagen, wenn es wenigstens ein Europäer wäre. Das könnte ich noch verstehen. Aber ein Araber ...“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nee. Ein Araber ist das allerletzte. Selbst dann, wenn er in Erdöl schwimmt.“

      Siebert holte für Dr. Büttner zwei Blutkonserven. Nachdem er sie in der Chirurgie abgeliefert hatte, zog er sich um und verließ die Klinik. Er war, wie Lydia Fersten, im Wohnheim zu Hause, wohnte unter der neuen Krankenschwester, die ihn zutiefst beleidigt hatte, und je länger er darüber nachdachte, desto grimmiger sagte er sich, dass er diese Schmach nicht einfach hinnehmen durfte.

      Der Alkohol, ein wahrer Teufel, ließ ihn auf gemeine Ideen kommen.

      In seiner Wohnung nahm er sich einen großen Drink und schaltete das Fernsehgerät ein, um sich abzulenken. Egal, wann Schwester Lydia nach Hause kam, er würde auf sie warten und nach oben gehen und ...

      Er grinste schmutzig.

      Harald Siebert. war brünett, hatte scharf geschnittene Züge und helle Augen. Er hatte nur eine Mutter. Sein Vater war früh verstorben. Stets hatte ihn seine Mutter für etwas Besonderes gehalten. Arzt hätte er werden sollen. Das Geld fürs Studium wollte sie sich vom Mund absparen. Tag und Nacht hätte sie für ihren Sohn gearbeitet, doch er war nicht bereit gewesen, sich ebenfalls so sehr anzustrengen. Er war immer schon für den bequemen Weg gewesen, und der hatte nicht zum großen Ziel geführt. Schon im ersten Semester war er abgestürzt, und seine Mutter hatte seinetwegen nächtelang geweint. Aber es hatte nichts geholfen. Er hatte ihr geraten, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sich damit abzufinden, dass sie einen Versager in die Welt gesetzt hatte.

      Damals war seine Mutter zusehends gealtert. Sie konnte die große Enttäuschung, die er ihr bereitet hatte, nicht überwinden, wurde immer öfter krank und starb schließlich an Krebs. Sie hatte noch mitbekommen, wie er Krankenpfleger wurde, aber das war kein Trost für sie gewesen. Ihre einzige Hoffnung, ihr größter Stolz, der Sinn ihres entbehrungsreichen Lebens hatte ihr eine Enttäuschung bereitet, die sie nicht überlebte.

      Er trank viel an diesem Abend, denn er wollte so richtig in Fahrt sein, wenn Schwester Lydia nach Hause kam. Was im Fernsehen lief, gefiel ihm nicht. Er schaltete die Stationen durch. Es war nichts im Programmangebot, das ihn interessierte, deshalb drehte er das Gerät ab und legte eine Langspielplatte von Perry Como auf. Ein uraltes Ding mit Seltenheitswert.

      Wenn er sich in eine bestimmte Stimmung versetzen wollte, hörte er sich immer Perry Como an.

      Heute war er beim Auflegen der Scheibe ein bisschen ungeschickt. Der Saphir kratzte über die Rillen, und ein hässliches Geräusch kam aus den Lautsprechern. Er kannte die Texte der Songs alle auswendig, und Perry Como musste es sich gefallen lassen, dass er mitsang.

      Mehrmals beschritt er den Weg zur kleinen Hausbar, und er grinste, während er die Flasche in der Hand hielt. Wenn Dr. Berends ihn jetzt sehen könnte, würde er glatt an die Decke gehen.

      „Prost, Chef!“, sagte Harald Siebert und hob sein Glas. „Ich weiß, dass Sie’s nicht mögen, wenn einer sich den Kopf vollschüttet, aber in meiner Freizeit kann ich machen, was ich will. Darauf haben Sie keinen Einfluss. Was ich in meinen vier Wänden anstelle, geht Sie nichts an. Wissen Sie, wofür ich Sie halte, Chef? Für einen scheinheiligen Bruder, jawohl. Ich wette, Sie hatten auch schon mal einen in der Krone, aber von Ihren Mitarbeitern verlangen Sie völlige Abstinenz. Wasser predigen und Wein trinken - so wird man Chefarzt, was? Ich trinke auf Ihr Wohl, Dr. Berends. Möge Ihr Glorienschein ewig leuchten. Mich stört’s nicht. Und ich trinke auf mein Wohl - und auf das Wohl der süßen Lydia Fersten, die heute Nacht um eine große Erfahrung reicher werden wird. Und ich trinke darauf, dass sich der verdammte Wüstensohn, dieser stinkreiche Kameltreiber, den Hals bricht ... Prost, allseits!“

      Er goss den Schnaps in seine trockene Kehle, und plötzlich kam ihm eine Idee, die er für besonders genial hielt.

      Warum sollte er hier auf Lydias Heimkehr warten? Warum nicht in ihrer Wohnung?

      Er besaß einen Dietrich. Manchmal schlug der Wind die Türen zu, wenn man nicht aufpasste, und dann war es gut, wenn einem irgendjemand mit einem Sperrhaken aushelfen konnte.

      Gedacht – getan ...

      Der Mann verließ seine Wohnung. Die Schnapsflasche nahm er mit, denn er glaubte nicht, dass er bei Lydia einen solchen Muntermacher finden würde.

      „Harald Siebert wird dir zeigen, was ein strammer Landsmann so alles drauf hat“, sagte der Krankenpfleger grinsend. „Du wirst Augen machen, Mädchen. Wozu in die Ferne schweifen ...? Ich garantiere dir, dass du von dem Araber morgen nichts mehr wissen willst.“

      Er schlich die Treppe hoch. Niemand beobachtete ihn, als er sich Einlass in Lydia Ferstens Wohnung verschaffte.

      Peinlichste Ordnung herrschte überall. Er nickte anerkennend.

      „Man merkt sofort, dass hier eine saubere Frau zu Hause ist. Keine Sorge, Lydia. Ich werde keine Unordnung machen. Ich nehme mir nur ein Glas. Bin kein Baby mehr, verstehst du? Nur die trinken aus der Flasche.“

      Er knipste die Leselampe an und setzte sich, und während die Zeit sehr langsam verging, überlegte er sich, was er mit Lydia alles anstellen würde.

      Um zehn hörte er einen Wagen vorfahren und löschte rasch das Licht. Dann eilte er zum Fenster und blickte hinunter. Er sah den weißen Mietwagen und beobachtete, wie die junge Krankenschwester den Sohn des Scheichs zum Abschied küsste.

      „Oho“, sagte Siebert überrascht. „Soweit seid ihr also schon. Schämst du dich nicht, Lydia? Nach so kurzer Zeit ... Kein Nationalbewusstsein ... Kein Schamgefühl ... Kein Ehrgefühl ... Wenn Harun Achbar dir recht ist, wie willkommen muss ich dir erst sein ... Oh, es wird eine wunderbare, eine unvergessliche Nacht für uns beide, das verspreche ich dir.“

      Er sprach mit schwerer Zunge, und seine Augen waren glasig.

      Als Lydia ausstieg, zog er sich grinsend zurück.

      „Gleich kommt sie hoch, meine kleine Honigbiene. Gleich wird sie hier erscheinen und die Überraschung ihres Lebens erleben.“

      Es dauerte nicht lange, da vernahm er ihre Schritte. Schnell versteckte er sich hinter der Tür. Lydia schloss auf und trat ein. Ahnungslos machte sie Licht und seufzte glücklich. Der Abend mit Harun war wieder wunderschön gewesen. Sie zog die Schuhe aus und schlüpfte in angenehm weiche Pantoffel.

      Als sie die Schnapsflasche und das Glas daneben entdeckte, stutzte sie. Dem Krankenpfleger, der sie beobachtete, fiel es auf. Er grinste breit.

      Lydia konnte sich nicht erklären, wie Flasche und Glas hierher kamen. War während ihrer Abwesenheit jemand in ihrer Wohnung gewesen? Ein Vorgänger vielleicht, der noch einen Schlüssel besaß?

      „Guten Abend“, sagte hinter ihr plötzlich jemand, und sie drehte sich erschrocken um.

      Harald Siebert lachte.

      „Aber, aber. Wer wird denn so schreckhaft sein? Ich bin’s doch nur, der liebe, nette Harald Siebert. Vor mir brauchen Sie wirklich keine Angst zu haben. Ich bin Ihr Nachbar, Ihr Kollege, Ihr glühender Verehrer. Und ich bin völlig harmlos.“

      Er sah alles andere als harmlos aus, und er war ziemlich betrunken, das erkannte Lydia auf den ersten Blick.

      „Was suchen Sie hier?“, stieß sie heiser hervor. Ihre Haltung ließ entschlossene Abwehr erkennen.

      „Haben Sie sich gut amüsiert, Schwester Lydia?“, fragte der Krankenpfleger grinsend.

      „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“

      „Ist ein gut aussehender Bursche, dieser Harun Achbar, nicht wahr? Er hat nur einen Fehler: Er ist nicht von hier.“

      „Das ist doch wohl ausschließlich meine Sache, oder? Wie kommen Sie hier rein?“

      „Ich besitze einen Dietrich. Wenn der Wind mal Ihre Tür zuschlagen sollte, leihe ich ihn Ihnen gern.“

      „Sie