Nach dreizehn Jahren. Sofie Schankat. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sofie Schankat
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783748201595
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achtzehn. Ob der Mazda ihm selbst gehörte?

      Er schulterte seine Tasche und steuerte geradewegs auf die Sladowskis zu. »Guten Abend. Da hat wohl jemand meine Lücke gleich vor der Haustür entdeckt«, stellte er fest, doch es klang überhaupt nicht nach einem Vorwurf, sondern eher belustigt.

      Markus ließ Yannicks Koffer auf den Gehweg plumpsen und sah sich um. »Gleich vor der Haustür?«

      »Die Nummer 12. Da wohne ich«, erklärte der Mann, dann weiteten sich seine grünen Augen. »Sie sind doch Markus Sladowski, der neue Trainer der Geparden!«

      Oho, mit Eishockey kennt sich der Typ auch aus! Irgendwie wurde er Yannick immer unsympathischer. Amy hatte sich halb hinter Yannick gestellt und musterte den Typ skeptisch.

      Markus holte Amys Koffer aus dem Kofferraum und lächelte. »Eishockey-Kenner auf der Straße zu treffen, kommt in Deutschland nicht allzu häufig vor.«

      Der junge Mann starrte Markus mit einer Faszination an, die Yannick in Anbetracht von Markus’ mäßigem Erfolg für vollkommen übertrieben hielt, und streckte ihm dann die Hand entgegen. »Ich bin Leon. Leon Brücker. Was führt Sie denn in den Mariannenweg, wenn ich fragen darf?«

      »Wir sind in die 12 eingezogen«, erklärte Markus und erwiderte den Händedruck.

      Leon starrte ihn an. »Sagen Sie bloß, Sie sind der neue Nachbar! Das gibt es ja gar nicht! «

      Markus war sichtlich geschmeichelt. Es kam ja immerhin auch selten genug vor, dass er angehimmelt wurde. »So berühmt bin ich ja nun auch wieder nicht! Das hier sind übrigens meine Kinder, Yannick und Amy.«

      Leon schien die beiden erst jetzt überhaupt wahrzunehmen, musterte erst Yannick und dann Amy, die inzwischen etwas hinter Yannick hervorgekommen war. »Hi. Schön, dass auch mal Gleichaltrige hier einziehen. Leider wohnen hier überwiegend Leute mit kleinen Kindern, wenn sie überhaupt welche haben. Naja, ich war gerade trainieren, und jetzt habe ich einen Wahnsinnsdurst und einen Wahnsinnshunger. Man wird sich ja noch öfter sehen.« Er wandte sich lächelnd um und verschwand mit einem undefinierbaren Blick über die Schulter im Haus.

      »Ein Eishockeyfan, na so was!«, murmelte Markus.

      Ja, und er hat dich auch noch erkannt, dachte Yannick grummelnd.

      Markus schloss mit einem ganz eigenartigen Blick auf Yannick den Kofferraum. »Vielleicht … naja, freundest du dich ja irgendwie mit ihm an …«

      Yannick griff nach seinem Koffer. Er war nicht besonders gut darin, sich mit jemandem anzufreunden.

      »Ich meine ja nur«, fuhr Markus fort, als wäre ihm dieser Gedanke ernsthaft wichtig. »Vielleicht ist er ja sogar auf derselben Schule wie du.«

      Was interessierte sich Markus denn plötzlich für Yannicks Freundschaften? Er drehte sich unwillig um und hievte seinen Koffer zur Haustür. »Kannst du jetzt bitte aufschließen? Ich muss aufs Klo.«

      Sie hatten dieses Mal eine Bleibe der schönen Sorte erwischt. Der Boden war mit hellem Laminat ausgelegt, die Wände schienen noch recht neu tapeziert zu sein und es war auch nicht allzu spärlich eingerichtet. Sie hatten es auch schon anders erlebt. Küche und Wohnzimmer bildeten eine Einheit und vom Wohnzimmer aus gelangte man auf einen großen Balkon, auf dem es sogar einen Tisch und vier Stühle gab.

      Amy ließ ihren misstrauischen, prüfenden Blick durchs Wohnzimmer schweifen, aber sie konnte einfach nicht anders, als das große Balkonfenster zu bewundern. Wie in einem Schloss ein bisschen, so hoch mit den langen Vorhängen … Und dazu der glänzende Boden. Rückte man den Sofatisch etwas beiseite, dann hätte das Wohnzimmer mit etwas Fantasie ein Ballsaal sein können, in dem ihre geliebten Prinzessinnen sich beim Tanz aller Tänze in ihren Prinzen verliebten.

      Vielleicht ist die Prinzessin nach der Hochzeit jetzt gerade erst ins Schloss gezogen. Deshalb ist alles noch so unbekannt und fremd. Sie muss sich hier ja auch erst einmal zurechtfinden und einleben. Was blieb Amy denn anderes übrig, als zu träumen? In ihrer Traumwelt, in der sie das Wohnzimmer in romantisches Licht getaucht sah, überall an den Wänden flackernde Kerzen und vergoldeter Stuck, hinter dem Fenster den Ausblick über unendlich weite Felder, Wiesen und Hügel, fiel es ihr wie immer sofort leichter, die Wohnung zu mögen.

      »Amy«, drang eine Stimme zu ihr durch, es wurde hell im Ballsaal, die Kerzen erloschen, die Hügel vor dem Fenster verwandelten sich in Nachbarhäuser, Amy drehte sich um und sah in Yannicks dunkle Augen. »Das Bad ist nicht schlecht!«

      Amy nahm ihren pinken Koffer wieder auf und folgte ihm aus dem Wohnzimmer durch den schmalen Flur in ein Badezimmer, das wahrhaftig zu den schönsten gehörte, die sie je gehabt hatten. Es war sehr klein, musste aber noch ziemlich neu sein, glänzte und hatte sogar eine Badewanne. Amy liebte es, ein Hörspiel zu hören und in Bergen von Glitzerschaum in der Badewanne zu versinken.

      »Und?«, wollte Yannick wissen und seine dunklen Augen blitzten. »Ist das hier in deinem Kopf schon zum Schloss geworden?«

      »Woher weißt du das?«

      Yannick musste lachen und gab ihr einen Stupser auf die Nase. »Ich kenne dich eben!« Wie oft hatten sie denn die vielen Stunden, in denen sie ganz alleine gewesen waren, fantasiert? Mal waren sie während der Haushaltsaufgaben, die sie immer schon hatten übernehmen müssen, Sklaven auf einem Piratenschiff gewesen oder Diener an einem Königshof oder Mägde; während der Hausaufgaben hatten sie in einer Schule gesessen, in der es für jede erledigte Aufgabe ein Gummibärchen gab; wenn sie ihre Nudeln mit Tomatensoße oder Tiefkühlpommes oder Mikrowellen-Lasagne gegessen hatten, hatten sie an einer festlich gedeckten Tafel gesessen … Sie hatten all das, was oft lästig gewesen war, zu ihren eigenen Märchen und Geschichten gemacht.

      Markus war hinter sie getreten und sah die beiden erwartungsvoll und ein bisschen angespannt an. »Und? Wie findet ihr es?«

      Amy wurde wieder ernst. »Es ist ganz okay …« Wenn Amy sich nach den ersten paar Minuten zu einer solchen Bemerkung hinreißen ließ, dann musste es ihr wirklich ausgesprochen gut gefallen.

      Auf Markus’ Gesicht erschien Erleichterung. »Das freut mich. Ich finde es auch schön.« Er wurde gleich wieder ernst. »Ich weiß, dass das schwer ist, schon wieder ein Umzug …«

      »Aber mit Mamas Dünenhaus kann es nicht mithalten«, fügte Amy hinzu.

      Markus’ Gesicht verdüsterte sich noch mehr. »Ja, das Dünenhaus … Ich weiß …«

      »Wo ist denn unser Zimmer?«, wollte Yannick wissen.

      Markus schien sich zunächst von irgendwelchen trüben Gedanken losreißen zu müssen. »Äh, hier, die Tür rechts. Das da drüben ist mein Schlafzimmer, und das gegenüber mein Arbeitszimmer. Ihr habt das größte Zimmer bekommen. Tja … schaut euch erst mal um. Ich werde … wisst ihr, ich werde schon mal das Abendessen machen. Ihr habt bestimmt Hunger nach der langen Fahrt.« Er drehte sich um und verschwand in der Küche.

      Amy und Yannick gingen auf ihr Zimmer zu. Yannick sah sich kurz um, vergewisserte sich, dass Markus ihn nicht sehen konnte, dann drückte er probeweise die Türklinke zu seinem Arbeitszimmer hinunter. Es war abgeschlossen, wie eh und je. Niemand außer Markus durfte es betreten und er schloss sogar von innen wieder ab, wenn er sich darin befand.

      Das Kinderzimmer war nicht schlecht. Zwei der Wände waren in einem freundlichen, nicht zu aufdringlichen Orange gestrichen und Markus hatte schon ganze Arbeit geleistet und die beiden Betten zusammengeschoben und sogar schon frisch bezogen. Auf ihren Kopfkissen lagen Ü-Eier. Yannick musste lächeln. Ihm war plötzlich warm ums Herz. Amys und Yannicks Lieblingsschokolade war Kinderschokolade und es war so etwas wie eine Tradition, dass sie bei besonderen Anlässen – wie etwa einem Umzug – immer Ü-Eier bekamen, seit sie klein waren.

      Es war wahrhaftig bei weitem nicht immer leicht mit Markus, aber er war doch ein guter Papa. Sie hatten das alles zu dritt doch eigentlich immer gut hinbekommen. Sie waren doch eigentlich immer ein gutes Team gewesen. In Anbetracht dessen, was Markus für seinen Job, der gleichzeitig seine große Leidenschaft war, immer alles gegeben hatte, war er doch