Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Helmut Bode
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347032132
Скачать книгу

      Im Wochenbericht der Abt. XX vom 22. Juni, Abschnitt 3.4. „Sicherungsbereich“ (SB) Hochschulen [2.]26 wird der Inhalt des Rapports vom 15. Juni zunächst in verkürzter Form wiedergegeben. Neu ist, dass sogenannte VSH27-Vermerke über BRD-Kontakte aufgeführt sind und

       »Lt. Ifo des Gen. OSL28 -----------, BdVP29 v. 10.6.80 hatte B. folgende Einreisen aus der BRD:

       1972, 74, 77,78 und 80

       Der B. muß gem. DA 1/80 in Abt. XII30 KK31 erfaßt und in ZPDB32 eingespeichert werden. Dazu ist dem Ref. AuI33 eine aufbereitete Gesamtinformation und MKM-Auskunft34(?) zu übergeben.

       Maßnahmen:

       B. wurde in SLK35 erfaßt und Ehefrau in VSH36 eingelegt.«

      Aus dem o.a. Wochenbericht ist zu entnehmen, dass sich der Genosse Oberstleutnant, er wohnte im gleichen Haus wie wir, als Informant der Staatssicherheit entpuppt, in dem er sich Daten über Besucher von Mitbewohnern beschaffte und diese an die Stasi meldete. Das geschah im Juni 1980, also zu einer Zeit, wo wir eigentlich noch als unbescholtene Bürger hätten gelten müssen. Auch wohnten wir erst ab September 1976 in diesem Haus. Da stellt sich doch die Frage, hatte dieser Oberstleutnant der

      „Deutschen Volkspolizei“ nichts anderes zu tun oder war er aus tiefer Überzeugung ein Denunziant? Wenn ich mich recht erinnere war er später Oberst!

      Er hielt es sicher als guter und aufmerksamer Genosse für seine Pflicht die Anwesenheit von Bundesbürgern zu meldete. Vielleicht war es ihm auch unangenehm, mit solchen Leuten, wenn auch nur vorübergehend, unter einem Dach zu wohnen! Dass er dann, nach der Wiedervereinigung, falls er sie erlebt hat, auch noch Bürger dieser Bundesrepublik Deutschland wurde, muss ihn wohl tief getroffen haben.

      Die Möglichkeiten sich diese Daten zu besorgen, waren sicherlich zahlreich. Eine davon war ja auch der Blick in das Hausbuch. Im Hausbuch waren alle Bewohner des Hauses mit ihren relevanten Daten eingetragen.

      Besucher von außerhalb der DDR mussten sich innerhalb von 24 Stunden bei dem Hausvertrauensmann melden und wurden in das Hausbuch eingetragen. Bei Besuchern aus der DDR war die Staatsmacht etwas großzügiger, denn diese mussten sich erst melden, wenn sie länger als drei Tage blieben. Der Genosse OSL war aber nicht der Hausvertrauensmann.

      Der Hausvertrauensmann hätte eigentlich das Buch dem OSL, als Mitbewohner, gar nicht aushändigen dürfen, falls er es gemacht hat! Der Hausvertrauensmann genoss eigentlich das „Vertrauen der Mitbewohner“, aber das wachsame Auge der Partei ließ solche Bedenken nicht zu, auch kommt hier die Grunddevise der Partei- und Staatsführung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ ins Spiel. Man traute seinen Bürgern nicht und wie sich später herausgestellt hat, traute man auch nicht den Genossen der Volkspolizei, denn auch die waren ja von IMs unterwandert.

      Die Verantwortlichen der hier immer wieder zitierten Hauptabteilung XX der Bezirksverwaltung Magdeburg des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) trauten wohl auch nicht den Genossen und Genossinnen der Sektion Marxismus-Leninismus der Technischen Hochschule bzw. Technischen Universität „Otto von Guericke“!

      Für uns einfache Mitarbeiter der Hochschule galten die Vertreter besagter Sektion als diejenigen, die ohne „Wenn und Aber“ hinter der Politik der Partei- und Staatsführung standen und sie in Wort und Schrift verbreiteten, auch in den zu unserem Verdruss monatlich durchgeführten politischen Schulungen, die wir über uns ergehen lassen mussten! Die Sicherheitsgenossen sahen es so wohl auch, denn ihrer „abschließenden operativen Bewertung“ vom 20. Mai 1989 in [8.] [8.][8.][8.]ist zu entnehmen, dass sie

       »fest zur Partei stehen und schöpferisch versuchen, die Parteipolitik umzusetzen«.

      Dieser doch aus Sicht der Partei- und Staatsführung positiven Bewertung ist aber weiter zu entnehmen, dass die Sektion

       »zur Zeit 50 wissenschaftliche Mitarbeiter«

      hat und dass dort

      »5 IMS des Referats XX/8 sowie 5 IM der anderen Diensteinheiten tätig« sind! [8.][8.]37

      D.h. von den 50 wissenschaftlichen Mitarbeitern, die als „Inkarnation der Lehre des Marxismus-Leninismus“ galten, waren zehn IMs! Ist das nicht toll! Die totale Überwachung kannte eben keine Grenzen.

      Ich denke, wenn sich ein Mitarbeiter des MfS im Spiegel angesehen hat, glaubte er, ihm steht ein Klassenfeind gegenüber! Das MfS war aber letzten Endes nicht, wie fortwährend ausposaunt „Schwert und Schild“, sondern „Haue und Schaufel“ [10.]38 der Partei, wie die Ereignisse Ende des Jahres 1989 gezeigt haben.

      Soviel zum OSL und Co, ich werden später auf einen weiteren „liebenswerten“ Mitbewohner unseres Hauses zurückkommen. Nun möchte ich aber weiter über das unermüdliche Schaffen der Mitarbeiter der unsichtbaren Front, im Volksmund auch „VEB Horch und Guck“ oder „VEB Sicherheitsnadel“ genannt, im Zusammenhang mit unserem Wunsch, von Deutschland nach Deutschland zu verziehen, berichten.

      Nur so viel noch, dass es heute wieder selbstverständlich ist und auch keiner etwas dabei findet, wenn jemand seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt. Höchst verwunderlich ist aber, dass einer von denjenigen meines ehemaligen Wissenschaftsbereiches, die sich am abfälligsten über mein Vorhaben, die DDR zu verlassen, geäußert hat, nach der Wende seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegte! „Was kümmert mich das Gerede von gestern!“ Wir wollten ja nur von Deutschland nach Deutschland!

      Bereits am 28. Juni vermerkt ein Hauptmann der Abt. XX/AuI [2.]39

      »Durch op40 Kontrollmaßnahmen und KMK [1.]41 -Auskunft wurden nachstehende persönliche und postalische Kontakte zu Verwandten in der BRD bekannt«.

      Die Aufzählung hätte unserem Adressbuch entstammen können, d.h. es waren alle Personen aus der Bundesrepublik erfasst, mit denen wir ständig oder auch nur vorübergehend einmal Briefkontakt hatten. Für diese Art der Beschaffung von Informationen durch das MfS gab es die „Abt. M“42, die für die Postkontrolle zuständig war. Postkontrolle, das hört sich so einfach an, aber so ist es natürlich nicht, denn da hatten sich die Sicherheitsgenossen so richtig etwas einfallen lassen.

      Nach [7.]43 war die Postkontrolle in Magdeburg, dies galt aber wohl auch für die gesamte DDR, wie folgt organisiert: Angefangen damit, dass die Entleerer der Briefkästen von 1975 bis 1987 Mitarbeiter des MfS in Postuniform waren, wurden die Briefe einer äußeren und einer inneren Begutachtung unterzogen.

       »Die äußere Betrachtung wurde vor Ort in den Gebäuden der Deutschen Post in der sog. „Stelle 12“ durchgeführt. Diese befand sich zunächst einheitlich im Hauptpostamt Magdeburg. Ab 1984 wurde sie bezüglich der eingehenden internationalen Postsendungen in das Bahnpostamt Schönebeck verlegt, während sie hinsichtlich der nationalen und der ausgehenden internationalen Sendungen im Hauptpostamt verblieb. Die innere Betrachtung der Briefsendungen fand insgesamt in der Walther-Rathenau-Straße 88 in Magdeburg statt.«

      Unter dieser Adresse war die Kreisdienststelle des MfS zu finden, wenn sie denn jemand gesucht haben sollte!

      Die innere Begutachtung setzte das Öffnen der Briefe voraus. Der Inhalt wurde gelesen und gegebenenfalls als Information erfasst. Befanden sich Schmuck, Wertgegenstände oder Geld in den Briefen, so wurde dieser Inhalt einbehalten und der Rest des betreffenden Briefes vernichtet! Waren beim Öffnen Spuren an den Briefen entstanden, die sich nicht beseitigen ließen, wurden auch diese Briefe vernichtet!

      Mit der Postkontrolle waren in der „Abt. M“ in Magdeburg ca. 150 MfS-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen beschäftigt! Oder hätte ich besser sagen sollen, MfS-Genossen und MfS-Genossinnen.

       »An die „Stelle 12“ gelangten täglich zwischen 20.000 und 30.000 Briefe, die dort einer näheren Betrachtung unterzogen wurden. Zur Bearbeitung standen den Mitarbeitern zwölf Stunden zur Verfügung, bis zu deren Ablauf Briefe, die keiner weiteren Untersuchung unterzogen werden sollten, dem Postbetrieb wieder zuzuführen waren.« [7.]44

      Es