Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Helmut Bode
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347032132
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Voraussicht!“, hatten wir dieses Problem längst mit ihr besprochen. Folglich lehnte ich dies in ihrem Sinne sofort ab. Daraufhin wurde die bereits erteilte Zusage von der HGL für die Teilnahme unserer Tochter an der SU-Reise zurückgezogen! Strafe muss sein, auch wenn es ein Kind bzw. eine Jugendliche betrifft.

      Am ersten Montag im Juli wurde ich wieder einmal zum Sektionsdirektor vorgeladen. Er forderte mich erneut auf, den Antrag zurückzunehmen. Was von mir wiederum abgelehnt wurde. Darauf teilte er mir mit, dass ich nun nicht mehr Mitglied der HGL sei und ich sämtliche gewerkschaftlichen Unterlagen, die ich als Vorsitzender der HGL - „Kommission für Gesundheits- und Arbeitsschutz“ hatte, abgeben müsse.

      Eine derartige Äußerung bzw. Entscheidung durfte er mir gar nicht machen, denn ich war von den Kolleginnen und Kollegen in die HGL gewählt worden! Der Genosse Sektionsdirektor war gewerkschaftlich ein einfaches Mitglied, sodass er mir, dem Mitglied der Hochschulgerwerkschaftsleitung, in dieser gewerkschaftlichen Angelegenheit, keinerlei Weisungsrecht hatte! Aber so war das eben mit den demokratischen Rechten in der Deutschen Demokratischen Republik! Was, wie mir scheint, heute schon sehr Viele vergessen haben, wenn sie in ihren nostalgischen Schwärmereien über die gute Zeit in der ehemaligen DDR schwelgen.

      Der Aufforderung, mein Arbeitsmaterial als Vorsitzender der Kommission für Gesundheits- und Arbeitsschutz in der HGL abzugeben, bin ich dann natürlich nachgekommen. Was sollte ich denn noch mit diesen Materialien anfangen?

      Es musste kommen, wie ich es schon erwartet hatte, denn zum 17. Juli war ich aufgefordert, im Wehrkreiskommando Magdeburg zu erscheinen.

      Hier wurde mir als erstes der „Einberufungsbefehl für den Mobilmachungsfall“ abgenommen. Der Oberstleutnant, dem ich bei den Mobilmachungsübungen unterstellt war, äußerte in etwa: „Da ich wiederholt erlebt habe, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, richtige Entscheidungen zu treffen, akzeptiere ich Ihren Entschluss, weiter will ich mich dazu nicht äußern. Der Genosse Politoffizier, er ist Ihnen ja bekannt, will Sie noch sprechen!“

      Dieser, es war wohl ein Major, langweilte mich mit seinen Ausführungen über die Notwendigkeit des Klassenkampfes gegen die revanchistische „BRD“ und die letzte Rede des Genossen Honeckers. Wie ich ihn dann gebeten habe, zum Schluss zu kommen, da mein Sohn in der prallen Sonne im Auto auf mich wartet, kam er nicht zum Ende, sondern beschimpfte mich mit allen möglichen Ausdrücken, die sich auf meinen angeblichen Verrat an der Sache des Sozialismus bezogen usw.

      Zum Abschluss seiner Beschimpfungen degradierte er mich vom Unteroffizier zum Soldaten! Auf meine Frage: „Können Sie mich nicht gleich aus der NVA4 ausschließen!“ antwortete er: „Das kann Ihnen so passen!“ Damit war ich entlassen.

      Die ganze Zeit, während ich im Wehrkreiskommando war, wartet unser sechsjähriger Sohn mit einem bangen Gefühl im Auto. Es war nicht zu übersehen, dass er sehr froh war, wie ich wieder unversehrt vor ihm stand.

      Am vorletzten Wochenende des Julis besuchten wir unsere Bekannten aus Hamburger, in Plau am See, wo sie Station auf ihrer Urlaubsreise machten. Rosemarie, unsere Tochter und ich fuhren über Güsen, hier hatten mein großer Bruder uns seine Frau ein Wochenendgrundstück. Wir informierten sie über unseren Ausreiseantrag! Weiter ging es über Havelberg und Pritzwalk, bis wir kurz nach 11 Uhr in Plau am See waren. Die Haltung der Bekannten zu unserem Ausreiseantrag war nicht gerade ermutigend. Wir waren sehr enttäuscht darüber.

      Die Rückfahrt von Plau am See führte uns über Schönhausen, wo am 1. April 1815 Otto von Bismarck, der erste Reichskanzler des Deutschen Reiches, geboren wurde. Wir besichtigten das ehemalige Gut und den Park sowie die Kirche, welche uns eine Frau freundlicherweise zeigte.

      Nach sieben langen Wochen waren wir am 26. Juli endlich zur Abteilung für „Innere Angelegenheiten“ beim Rat der Stadt Magdeburg, Zimmer 18, vorgeladen.

      Zwei Genossen versuchten uns im Verlaufe einer Stunde davon zu überzeugen, dass unser Gesuch vom 6. Juni abgelehnt werden müsse, da es für unser Begehren keine rechtliche Grundlage geben würde.

      „Sie haben dazu kein Recht! Im Falle einer Wiederholung müssen Sie mit strafrechtlichen Folgen rechnen!“ waren ihre Worte. Rosemaries Einwand: „Die DDR hat ja die Schlussakte von Helsinki und die Vereinbarungen der Nachfolgekonferenz in Madrid unterschrieben!“ wurde mit der Bemerkung versucht abzutun: „Diese Vereinbarungen ist in der DDR kein gültiges Recht! Geben Sie sich keinen Illusionen hin, dass Sie jemals die Genehmigung zur Ausreise erhalten werden!“

      Trotz dieser massiven Drohung erklärten wir beide unmissverständlich: „Wir werden unseren Antrag vom 6. Juni nicht zurückziehen und ihn solange wiederholen, bis er genehmigt wird!“

      Auch wollten und konnten wir die ungeheuerliche Behauptung, dass diese Vereinbarung kein gültiges DDR-Recht sei, nicht so im Raum stehenlassen, sodass ich dazu ausführte: „Die DDR hat die Schlussdokumente des Madrider Treffens der Vertreter der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterzeichnet, somit ist sie auch an diese völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen gebunden!“ und Rosemarie ergänzte: „Der Korb III5 dieser Vereinbarung beinhaltet, dass eine Verweigerung unserer Ausreise durch die Behörden der DDR auf Dauer ein Verstoß gegen diese völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung ist!“

      Dazu schwiegen die Genossen und wir waren entlassen.

      Wir hatten unsere erste Aussprache bei der Abt. Inneres des Rates der Stadt Magdeburg überstanden. Wie viele Aussprachen würden noch folgen?

      Am selben Tag bekam ich vom Wissenschaftlichen Rat der Technischen Hochschule „Otto von Guericke“ Magdeburg folgenden Brief:

       »Werter Herr Dr. Bode!

       Der Wissenschaftliche Rat der Technischen Hochschule "Otto von Guericke" Magdeburg hat Ihnen durch die Fakultät für Technische Wissenschaften auf Grund Ihres Antrages mit Wirkung vom 19. 12. 1979 die Facultas docendi für das Fachgebiet "Regelungstechnik und Prozeßsteuerungen" verliehen.

       Da Sie gemäß der Anordnung über die Erteilung und den Entzug der Facultas docendi (Lehrbefähigung) des GBL6 Teil 11 Nr. 127 vom 13. 12. 1968, § 6, Abs. 1 nicht mehr die Voraussetzungen für die Facultas docendi in der Lehre erfüllen, ist Ihnen dieselbe zu entziehen.

       Sie werden hiermit aufgefordert, Ihre Urkunde im Dekanat der Fakultät III bis 3. 8. 1984 zurückzugeben.

      

Prof. Dr. sc. techn. -----Prof. Dr.-Ing. -----
R e k t o rDekan der Fakultät für
Technische Wissenschaften«

      Mit dem Entzug der „Facultas docendi“, d.h. der Lehrbefähigung für das Fachgebiet „Regelungstechnik und Prozesssteuerungen“, hatte man mir ein Berufsverbot ausgesprochen! Wir entschlossen uns, dieser Aufforderung zunächst nicht nachzukommen.

      Unser 2. Gesuch auf Genehmigung der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland, richteten wir am 30. Juli erneut an den Rat der Stadt Magdeburg, Abt. Inneres:

       »Betr.: 2. Gesuch auf Uebersiedlung in die BRD

       Hiermit wiederholen wir für uns und unsere Kinder …, unseren Antrag vom 6.6.1984 auf Ausreise aus der DDR zwecks Uebersiedlung in die BRD.

       In der am 26.7.1984 in der Abt. Inneres geführten Aussprache hatten wir bereits mündlich zum Ausdruck gebracht, daß wir o.a. Antrag vom 6.6.1984 nicht zurückziehen werden.

       Wir beziehen uns bei unserem Antrag auf die Schlußdokumente des Madrider Treffens der Vertreter der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.«

      Dieses Gesuch wurde auch von Rosemarie unterschrieben, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass wir beide fest hinter diesem Antrag stehen. Auch die zukünftigen Gesuche unterschrieben wir immer gemeinsam.

      An einem Sonnabend, es war der 11. August, fuhren Rosemarie und ich nach Moritzburg bei Dresden. Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort mit unseren Bekannten