Auf dem Weg in ihre Büros kam ihnen ihr District Commander, dessen Brille mit einem pinkfarbenen Band um den Hals auf seiner Brust hing, entgegen. Er fasste David Hodges an dessen Ärmel und hielt ihn zurück.
»Ach, hör mal, David. Gut, dass ich dich treffe.« Wie mit Neonfarben gemalt standen David Hodges Fragezeichen auf die Stirn geschrieben. »Wie weit seid ihr denn mit dem Unfall von heute. Kann der bald abgeschlossen werden?«
»Welchen Unfall meinst du?«
»Na, den von der Interstate.«
»Ach so, deeeeen. Aber es ist noch gar nicht klar, ob es ein Unfall war.«
»Nicht? Na, wie dem auch sei. Du wirst das mit deinen Leuten schon hinkriegen, dass der heute Abend vom Tisch ist, oder?«
»Wir geben uns alle Mühe.« Dass er sich da gar nicht so sicher war, wollte er seinem Chef nicht gerade auf die Nase binden.
Dann klingelte das Handy in der Hosentasche des Commanders. David Hodges wurde somit aus dessen Verhör entlassen und mit dem Handy am Ohr entschwand dieser im knarrenden Fahrstuhl.
»Wir sollten uns ruhig mal einen richtigen Kaffeeautomaten zulegen«, sagte Samuel Alvarez, der sich damit beschäftigte, die Kaffeetassen mit der starken, schwarzen Flüssigkeit zu füllen, die in der Glaskanne auf der Wärmeplatte auf ihre Leerung wartete. Währenddessen nahmen die anderen am Besprechungstisch platz.
»Wozu denn das?«, fragte Brendup und griff dabei in seine Aktentasche, woraufhin er ein Sandwich und einen Apfel aus den Tiefen der ledernen Tasche an die Oberfläche holte. Brendup war ein Mann von altem Schlage.
Mit den modernen Dingen im Leben hatte er nicht so viel am Hut. Die neue Technik wusste er lediglich im Rahmen seines Jobs zu nutzen, privat wollte er damit nichts zu tun haben. So war es auch mit seinen Essensgewohnheiten. Ihm gefielen immer noch die Sandwiches, die ihm seine Frau machte, am besten. Essen aus dem Supermarkt zu holen, war nicht seine Sache.
»Damit wir endlich mal verschiedene Kaffeespezialitäten trinken können.«
»Aber du meinst nicht solche Spezialitäten, die in solch kleinen Bechern oder Tütchen verpackt sind und so in die Maschine gesteckt werden?«, warf David Hodges dazwischen.
»Die Dinger nennt man Pads oder Kapseln, Chef.«
»Ist mir doch egal, wie man die nennt. Die sind jedenfalls kein Kaffee für mich.«
»Nein, Chef, Sie wissen ja nicht, was richtig guter Kaffee ist.« Mit dieser Bemerkung schaltete sich Monaghan in das Gespräch ein.
»Ich weiß das schon. Aber ihr jungen Leute seid so was gar nicht gewöhnt. Ihr trinkt doch alles, was euch flüssig vor die Nase gesetzt wird.«
»Das kann man so aber nicht sagen. Ich kenne Kaffee und auch Espresso«, sagte Samuel Alvarez wieder. »Den habe ich schon als Kind wie die Muttermilch eingesogen. Den bekommt man aber mit so einer normalen Filtermaschine nicht zubereitet.«
»Espresso ist ja auch etwas, um Tote aufzuwecken.«
Ihr Frühstück verbanden sie mit einer kurzen Lagebesprechung ihres neuesten Falls. Außer David Hodges gingen alle davon aus, dass sie ihn diesen Abend so oder so abgeschlossen haben würden. Vollständigkeitshalber sollte noch ein letztes Gespräch geführt werden, um den gestrigen Feierabend Peter Spades nachvollziehen zu können. Hierfür hatte sich Brendup bereit erklärt. Hodges klärte die beiden Detectives über die Ansichten der Ehefrau auf. Anschließend revanchierten diese sich mit ihren Ergebnissen zu Peter Spade aus der Sicht seines Kollegen, als auch aus der des Chefs und Freundes Aaron Cooper.
Das Thema Kaffee wurde an diesem Morgen kein zweites Mal auf den Tisch gebracht. Aber Samuel Alvarez hatte sich vorgenommen, an der Sache dran zu bleiben. Schon seit geraumer Zeit ärgerte es ihn, dass er den Kaffeegeschmack nicht wechseln konnte und erst recht keinen Espresso im Büro zu trinken bekam. Vor einem halben Jahr hatte er sich solch einen Automaten privat zugelegt, der ein halbes Monatsgehalt gekostet hatte. Er war von dem Gerät rund herum begeistert, hatte es schätzen und lieben gelernt. Getreu dem Motto »steter Tropfen höhlt den Stein«, versuchte er seine Kollegen seitdem zu zermürben. Aus seiner Sicht gab es zwei Möglichkeiten, an solch ein Gerät im Büro zu kommen. Entweder bekam er David Hodges so weit, sich im Büro des District Commanders dafür einzusetzen, mit solch einem Kaffeeautomaten ausgestattet zu werden, oder er bekam alle Kollegen dazu, Geld zusammenzulegen, um solch ein Gerät kaufen zu können. Erstere Möglichkeit war ihm zweifelsfrei lieber, aber dazu hatte der Chef noch nicht einmal ein Signal ausgesendet. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit, dachte Alvarez.
Kapitel 6
Nach dem Besprechungsfrühstück begab sich Saul Brendup auf den Weg zu Victoria’s Bar’n’Grill in der Nähe des Stadtzentrums, in der Peter Spade mit großer Wahrscheinlichkeit am gestrigen Feierabend eingekehrt war. Er stellte das Fahrzeug auf einem Parkplatz der Kneipe ab. Zwei Seiten dieses Platzes waren von Hauswänden gesäumt. An der zur Hauptstraße zeigenden Seite des Hauses standen einige Müllcontainer. Die Hintertür eines weiteren Restaurants schien in eine Küche zu führen. Vor dieser Tür und den Müllcontainern stand ein Halteverbotsschild. Links davon klapperte etwas über Kopfhöhe eine Klimaanlage.
Gerade als Brendup an den Türknauf zum Victoria’s langen wollte, wurde die Tür von innen geöffnet und ein junges Mädchen stürmte heraus. Brendup, der sich etwas erschrocken hatte, tat einen Schritt zurück.
»Immer nur zu, junger Mann. Seien Sie nicht so schüchtern«, sagte die lachend davon eilende junge Frau in der ledernen Motorradkleidung.
Im Innern der Kneipe war es dunkel. Die Sonne war noch nicht so weit herum gezogen, dass sie die gesamte Fensterfront mit gleißenden Licht versah. Über einem Tisch beugte sich der Barkeeper und richtete die Servietten im Ständer und die Kerzenleuchter. Er trug einen langen, nach oben gezwirbelten Schnauzbart. Links neben dem Tresen hingen Bilder an der Wand, auf denen uniformierte Seeleute, offenbar Matrosen, abgelichtet waren. Auf manchen waren nur Segelschiffe aus dem neunzehnten Jahrhundert zu sehen. Am unteren Rahmen eines jeden Bildes hing ein Schild, das für die Beschreibung des Fotos sorgte. Ein übergroßer Orden zwischen den Fotos wies darauf hin, dass es wohl aus einem besonderen maritimen Anlass eine Auszeichnung für was auch immer gegeben hatte. Die Bilder, auf denen auch der Barkeeper oder Inhaber in jungen Jahren wohl neben seinem Vater zu sehen war, zeugten vom Stolz, Teil dieser maritimen Kultur zu sein.
»Guten Morgen!«, sagte Brendup.
»Morgen«, brummelte der Wirt. »Bin gleich für Sie da.« Noch zwei, drei Handgriffe, dann drehte er sich zu seinem Gast um. »Was kann ich für Sie tun, guter Mann? Ein Bier?«
»Nein, um Gottes willen. Nicht schon so früh.«
»Für manch einen ist das gar nicht so früh. So kurz vor dem Mittag legt sich mancher wieder zum Schlafengehen.«
»Das mag schon sein. Mancher vielleicht, aber ich bestimmt nicht«, antwortete Brendup.
»Also, was darf es dann sein?«
»Machen Sie mir einen Kaffee, bitte? Ich hätte da mal eine Frage.«
»Kaffee, kein Problem. Kommt sofort.« Mit einigen geschickten Handgriffen hatte der Wirt eine Tasse unter den Auslauf einer Kaffeemaschine gestellt und auf einen Knopf gedrückt. Nun drehte er sich wieder um. »Eine Frage, sagten Sie?«
»Ja, mein Name ist Brendup, Lieutenant Saul Brendup. Es geht um einen Ihrer Gäste.«
»Aha?« Fragend sah der Mann, dessen weiße Hemdsärmel auf dreiviertel Länge hochgekrempelt waren, seinen einzigen Gast an. »Aber nichts, was bei mir hier passiert ist, oder?« Für ihn war es nicht ungewöhnlich, dass seine Gäste gelegentlich mit der Polizei in Konflikt gerieten.
»Nein, wohl eher nicht. Ihr Name ist bitte?«, gab Brendup zurück.
»Bryant heiße ich, Lou Bryant.«
»Nur der Vollständigkeit halber.« Der Lieutenant holte das Foto aus seiner Brusttasche,