»Sie sagten, er habe gute Arbeit geleistet. Bis zum gestrigen Tag?«
Aaron Cooper schwieg einen Moment lang, bevor er antwortete.
»Ja, doch, er hat bis zum Schluss gute Arbeit gemacht. Wenn, dann hat er höchstens mal ein Feierabendbier getrunken oder bei einer Familienfeier. Jedenfalls kam er wegen übermäßigen Alkoholgenusses nicht zu spät zur Arbeit. Pünktlichkeit war immer seine Tugend. Er hat nicht einen einzigen Tag unentschuldigt gefehlt, weil er vielleicht mit seinem Hintern nicht aus den Federn hoch kam. Das ist nie vorgekommen. Aber fragen Sie mich nicht, wie er das hinbekommen hat. Wenn ich dran denke, wie es mir nach einer Feier geht, dreht sich mir jetzt noch der Magen um.«
»Verständlich.« Die beiden Polizisten mussten bei dem Gedanken schmunzeln. »Was war er für ein Typ bei der Arbeit?«
»Er war äußerst ruhig. Er hat nicht viel Tamtam gemacht. Pünktlichkeit hatte ich bereits genannt. Dazu kommt Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Besonnenheit. Er wusste immer, was zu machen war. Ihm musste ich nicht viel sagen. Ich brauchte ihm nur Anschrift des Kunden und Termine zu nennen. Dann ging das seinen Gang.«
»Er konnte bei Ihnen also tatsächlich selbstständig arbeiten.«
»Sag ich doch. Ich werde ihn vermissen. Nicht nur als Mensch, sondern auch als Kollegen. Solch einen guten Arbeiter bekomme ich nicht wieder.«
»Hatte einer Ihrer Angestellten einmal Streit mit Peter Spade?«
»Nee, nicht, dass ich wüsste. Ich sagte ja, er war äußerst ruhig. Er bot gar keine Angriffsfläche für so was.«
»Mr Cooper, haben Sie vielen Dank für den Kaffee und Ihre Auskünfte.« Monaghan erhob sich bei diesem Satz und stieß ihren Partner an der Schulter an.
»Ja, wenn ich Ihnen damit helfen konnte. Wissen Sie denn schon, wie es zu dem Unfall kommen konnte?«
»Mit Verlaub«, Samuel Alvarez schmunzelte dabei, »dann würden wir Sie nicht fragen.«
»Haben Sie auch recht. Meine Frage war dumm. Entschuldigen Sie.«
»Dumme Fragen gibt es nicht. Ist schon in Ordnung. Nochmals vielen Dank.« Samuel Alvarez reichte dem Malermeister die Hand. Seinem Büro nach zu urteilen, hatte dieser wahrscheinlich seit Jahren keinen Strich mehr mit einem Malerpinsel gezogen. Seine Partnerin hatte eine Visitenkarte herausgeholt und übergab sie mit der linken Hand, während sie die rechte zur Verabschiedung ausstreckte. »Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, haben sie hier meine direkte Durchwahl. Auf dem Handy können Sie mich jederzeit erreichen.«
»Ja, ist in Ordnung. Werde ich machen.«
Die beiden Cops ließen einen nachdenklichen Mann in seinem Büro zurück.
Kapitel 4
Während Jacqui Monaghan und Samuel Alvarez mit Peter Spades Chef sprachen, wollten David Hodges und Saul Brendup die Ehefrau des ums Leben Gekommenen befragen. Dafür begaben sie sich zu dessen Wohnung. Laut Führerschein, den das Opfer bei sich trug, wohnte Spade in einem Haus in den Aurora Highlands, vielleicht eine Viertelstunde von der Police Station entfernt, wenn sie über die Bucklay Road und den Alameda Parkway fuhren. Die östliche Iowa Avenue lag direkt gegenüber vom Highland Hollow Park.
Die Drei saßen im Wohnzimmer mit Blick auf den Garten, der von einigen kleinen Bäumen und Büschen bewachsen war und ansonsten nur die Sicht auf die Rückseite der Nachbarhäuser aus der Parallelstraße zuließ. Einen Kaffee hatten die beiden Beamten von der hübschen und eleganten Dame Ende Dreißig nicht angeboten bekommen. Sie waren sich nicht sicher, ob sie von dieser Dame, die schon vormittags in ihrer Wohnung mit erhöhten Stöckelabsätzen, im Kostüm und mit knallig rot angemalten Lippen herumlief, einen Kaffee überhaupt erwarten durften.
»Ms Spade«, sagte David Hodges, »Ihr Mann ist vorige Nacht auf beziehungsweise neben einer Autobahn gefunden worden. Wie festgestellt wurde, hatte er zuvor Alkohol zu sich genommen. Deshalb meine Frage: Wissen Sie, warum er gestern getrunken hatte?«
»Warum wollen Sie das wissen? Spielt das eine Rolle?«
»Schließlich ist er ums Leben gekommen. Aber vielleicht wäre es besser, wenn Sie zunächst meine Fragen beantworten könnten, ehe Sie mir Gegenfragen stellen? Hat er vielleicht regelmäßig Alkohol getrunken?«
»Na ja, nicht direkt.« Saul Brendup’s Augen wurden einen Moment lang zu kleinen Seeschlitzen.
»Was heißt das?«
»Nachdem er die Firma aufgeben musste damals, hatte er mit dem Trinken angefangen. Ich konnte ihn nie ganz davon abbringen. Aber in den letzten Jahren hatte sich das gebessert.«
»Er hat regelmäßig und viel getrunken? Wie viel hatte er denn getrunken?«
»Höchstens einmal im Monat kam er betrunken nach Hause. Wenn er trank, dann reichte das oft für die nächsten vier Wochen.«
»Wie verhielt er sich dann, wenn er nach Hause kam?«
»Er war dann aggressiver und gereizter. Unsere beiden Söhne, der Simon ist neun und Lucas dreizehn, hatten auch darunter zu leiden.«
»Was heißt, sie hatten darunter zu leiden?«
»Na ja, wenn er mal frühzeitig so nach Hause kam und sie bekamen etwas davon mit, dann beschimpfte er sie und wollte sie manchmal verprügeln, wegen Nichtigkeiten. Nicht gemachte Hausaufgaben oder so. Dabei kümmerte er sich sonst gar nicht um sie. Das ließ er alles auf meinen Schultern liegen.«
Den Polizisten fiel sofort auf, dass sie noch keine Trauermimik trug, obwohl sie bereits heute früh aus dem Bett geholt und über den Tod informiert worden war.
»Sie sind wohl nicht glücklich darüber, wie sich ihr Mann zu seinen schlechten Zeiten gab?«, fragte Brendup. »Es ist selten, dass eine Ehefrau einen Tag nach dem Tode ihres Mannes schlecht über ihn spricht.«
Sie blickte ihn an, als hätte sie es nie für möglich gehalten, dass ein Mensch überhaupt solch eine Meinung von ihr haben könnte.
»Na hören Sie mal. Sie hatten mich doch nach meinem Mann gefragt. Ich spreche nicht so über meinen Mann. Ich sage Ihnen nur, wie es ist, beziehungsweise war. Er war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet hatte.«
»Sie müssen sich nicht unnötig aufregen«, sagte David Hodges und griff damit in seiner ruhigen Art beschwichtigend in den kleinen Disput ein. »Wir können Ihre Verbitterung verstehen.«
Barbara Spade, die glatte lange Haare mit einem geraden Pony auf der Stirn trug, wandte sich wieder ihrem ersten Gesprächspartner zu und entspannte sich etwas.
»Hatten sie finanzielle Probleme in den letzten Jahren?«, fragte David Hodges.
»Nein, die hatten wir nicht. Die Wohnung ist schon seit drei Jahren bezahlt. Glücklicherweise konnten wir sie nach der Aufgabe von Peters Firma halten. Rechtlich hatten wir vorgesorgt, wenn sie verstehen.«
»Ja, das setzt einen erfahrenen Unternehmer voraus.«
»Der war Peter ja auch. Er war ein erfahrener und tüchtiger Geschäftsmann. Erst mit den großen Außenständen vor vierzehn Jahren nahm das Schicksal seinen Lauf.«
»Und Sie hatten die Wohnung und den Wohlstand noch in gewisser Weise halten können?« David Hodges breitete dabei die Arme aus und zeigte damit in die Runde.
»Ja, der Aaron hatte ihn doch damals aufgefangen.«
»Aaron?«
»Aaron Cooper, er war die letzten Jahre Peters Chef.«
»Verstehe. War er auch mehr als ein Chef?«
»Die kannten sich schon als Kollegen. Freundschaft wäre sicherlich zu viel gesagt. Sie waren sich beide nicht unsympathisch. Ich würde Aaron und seine Frau als befreundetes Ehepaar bezeichnen. Gelegentlich haben wir mit unseren Familien gemeinsam etwas unternommen.«