»Mr William DeWayne?«, fragte Brendup mit lauter Stimme in den Raum hinein und blieb in der offenen Tür stehen. Wenn einer von den beiden Anstreichern William DeWayne wäre, dann würde sich dieser schon melden. So kam es.
»Ja?«, fragte der ältere der beiden, der näher an der Tür stand und sich jetzt genauso überrascht wie sein jüngerer Kollege zur Tür umdrehte. Er trug einen ehemals weißen Arbeitsanzug aus einem Stoff, der so stabil wie das Segeltuch einer Jacht wirkte und reichlich mit farbigen Klecksen verunziert wurde. Sein Haupt wurde von einer Basecap in gleicher heller Farbe bedeckt, deren Schirm er allerdings nach hinten in den Nacken gedreht hatte.
Saul Brendup stellte sich vor.
»Kriminalpolizei?«, fragte William DeWayne. »Was hat die Kripo denn mit Peters Unfall zu tun?«
»Ach, da wären wir schon bei der ersten Frage. Sie meinen also, dass es ein Unfall war?«
»Was soll es denn sonst gewesen sein?«
»Na, vielleicht ein Selbstmord?«
»Blödsinn. Peter hätte nie Selbstmord gemacht. Das käme für ihn nicht in Frage.«
»Wie kommen Sie darauf, Mr DeWayne? Der sind Sie doch, oder?« Das letzte Wort dehnte Brendup, um seine Vermutung bestätigt zu bekommen.
»Ja, natürlich, ich bin William DeWayne. Nun, ich arbeite bestimmt schon zehn Jahre mit Peter bei Aaron Cooper. Da lernt man sich doch ein bisschen kennen. Aber Selbstmord wäre nicht sein Ding.«
»Na gut, das nehme ich so auf«, sagte Brendup und holte sein Notizbuch dabei aus der Tasche. »Können Sie mir vielleicht gleich noch Anschrift und Handynummer sagen? Nur, dass ich es nachher nicht vergesse.«
William DeWayne steckte die rechte Hand in seine Hosentasche und nannte ihm die Daten. »Aber müssen Sie wirklich solch einen Aufwand dafür treiben?«, fragte er.
»Müssen wir. Leider. Wir müssen abklären, ob es sich um einen Unfall oder etwas anderes handelt.«
»Schon okay.« Mit der Hand, die er aus der Hosentasche herausnahm, winkte er ab und ließ sie sodann wieder in der Tasche verschwinden.
»Wenn Sie Ihren Kollegen so gut kannten, dann hatten Sie gestern vielleicht etwas mitbekommen?«
»Was soll ich mitbekommen haben?«
»Na, dass er gestern vielleicht besonders bedrückt war?«
»Nein, kann ich nicht sagen. Er war eigentlich immer so.«
Während William DeWayne antwortete, wichen seine Augen immer wieder den Blicken von Brendup aus. Damit widersprach er der Lässigkeit, von der er offensichtlich den Cop überzeugen wollte. Ein Umstand, der diesem nicht verborgen blieb.
»Wann haben Sie denn von seinem Tod erfahren?«
»Das war heute Früh, als ich auf Arbeit kam.«
»Ach. Sie fahren nicht direkt von Ihrer Wohnung aus zur Baustelle?«
»Meist schon, aber heute Früh hatte der Chef mich angerufen und gesagt, ich solle erst vorbeikommen. Er wollte mir am Telefon nicht sagen, worum es ging. Aber es wäre etwas passiert.«
»Und was hat er Ihnen dann erzählt?«
»Na, dass der Peter einen Unfall hatte und von einem Truck überfahren worden sei.« William DeWayne zögerte einen kleinen Moment bevor er fortfuhr. »Das tut mir schrecklich leid. Er war so ein netter Kerl. Ich lass auf ihn nichts kommen. Es war wie ein Tiefschlag im Boxen, als Cooper mir das mitteilte.«
Brendup wusste noch nicht so genau, wie er die Nervosität von William DeWayne mit dessen offensichtlichen Bedauern in Einklang bringen konnte. Darüber würde er noch etwas nachdenken müssen.
»Wenn Sie gestern Abend Peter Spades Begleiter waren, warum haben Sie sich dann nicht von alleine bei uns zur Verfügung gestellt?«
»Muss ich das? Es war doch nur ein Unfall. Oder soll ich wissen, dass mich eine Operation Division Unit dafür sprechen möchte?«
»Na ja, bei dem Tiefschlag, den Sie erlitten haben, könnte Ihr Interesse auch etwas größer an dem Tod Ihres Kollegen sein.« Brendup bemühte sich um Blickkontakt mit William DeWayne. Doch der wich erneut aus und biss sich auf die Unterlippe. »Oder nicht?«
»Einerseits haben Sie ja recht, aber andererseits hatte ich doch keine Ahnung.«
»Schon gut. Geschenkt. Wohin gingen Sie, nachdem Sie das Victoria’s verließen?«
»Ich bin zum Bus gegangen, um nach Hause zu fahren.«
»Wussten Sie denn, ob und wann einer fährt?«
»Um die Zeit fährt einer in meine Richtung alle halbe Stunde. Aber ich musste schon etwas warten, bis der nächste kam.« Und ganz plötzlich, als hätte William DeWayne einen springenden Gedanken: »Die Fahrerin kann das bestimmt bestätigen, denn ich bin vorne eingestiegen. Sie wird sich bestimmt an mich erinnern.«
»Okay, das können wir nachprüfen.«
»Tun Sie das. Sie hat noch zu mir gesagt: Na, junger Mann? Ganz so frisch sind Sie auch nicht mehr heute Abend, oder? Das hat sie dazu gesagt. Ich hatte ihr aber nicht mehr geantwortet, sondern nur abgewunken.«
Während er sich verabschiedete fragte sich Brendup immer noch, warum William DeWayne so viel an einem Alibi lag. Er hatte ihn weder danach gefragt, noch hatte er irgendetwas gesagt, woraus William DeWayne hätte schließen können, er stehe unter Tatverdacht. Außerdem gab es gar keinen Tatverdacht.
»Halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung, Mr DeWayne. Vielen Dank für das Gespräch.«
»Da nicht für.«
Langsam schien sein Kopf zu rauchen. Das Notizbuch hatte sich bis jetzt mit vielen Notizen gefüllt. Aber ob die vielen Informationen sich bereits lohnen würden, um den Fall abzuschließen, vermochte er nicht zu sagen.
Auf dem Weg zum Besucherparkplatz musste er durch das Verwaltungsgebäude. Als er an der Cafeteria der Firma vorbeiging, spürte er ein Trommeln in der Magengegend. Ja, ja, die Zeit ist auch ran, dachte er und bog nach rechts durch die Flügeltüren in die von fetter Luft geschwängerte Kantine ein.
Vor dem Tresen mit der Essensausgabe verweilte er einen Moment, um sich in das Studium der Schilder und Tafeln mit dem aktuellen Speisenangebot zu vertiefen. Eine Reispfanne mit frischem Gemüse schien ihm passend. An der Kasse zahlte er und erhielt eine Essensmarke, nahm noch ein Wasser dazu und holte sich mit der Marke das Essen. Am Fenster fand er einen leeren Tisch in der etwa zur Hälfte gefüllten Cafeteria. Beim Essen sammelten sich seine Gedanken zu den bisher gewonnenen Informationen. Sein Teller war noch nicht halb geleert, als sich David Hodges auf seinem Handy meldete.
»Ja, ich bin gleich bei euch. Wartet bitte noch eine Viertelstunde. Dann kann ich euch berichten.«
Den Rest seiner Pfanne schlang er nur noch hinunter und verließ die Kantine
Kapitel 9
Jacqui Monaghan saß an ihrem Schreibtisch ihrer Einheit im zweiten District. Auf einem Blatt Papier versuchte sie alles aufzuschreiben, was sie bis jetzt an Fakten und Informationen hatten. Einen toten Anstreicher aus einem angesehenen Handwerksbetrieb. Doch was machte seine Leiche an einer Interstate? Wie ist er von der Bar in Downtown dort hingekommen? Noch war alles ein großes Fragezeichen. Ihre Gedanken schweiften ab. Monaghan fragte sich, wie sie eigentlich von New York nach Aurora gekommen war? Seit ihrer Geburt in New York war sie dort aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie war eigentlich eine richtiges New Yorker Großstadtkind. Doch als sie während des Abiturs eine Orientierungsveranstaltung der Polizei besuchte, hatte sie Feuer gefangen. Ihr wurde der Polizeidienst in den vielfältigsten Formen vorgestellt und sie konnte sich fortan vorstellen, einen Beruf bei der Polizei auszuüben. Dabei ging es ihr überhaupt