Tod an der Interstate. Robert Lee Walker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Lee Walker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947992058
Скачать книгу
der Nähe von Watkins die Leiche eines 51-jährigen Mannes an der Interstate 70 zwischen Kansas und Denver aufgefunden. Der Aufmerksamkeit eines Truckers, der wegen der einsetzenden morgendlichen Rushhour an dieser Stelle langsamer fahren musste, ist es zu verdanken, dass der bereits tote Körper, so die Polizeiangaben, am Rande der Straße entdeckt wurde. Es kommt zu erheblichen Beeinträchtigungen im Verkehr, weil wegen der Spurensicherung die Fahrbahnen in beiden Richtungen am Fundort vorbei geführt werden mussten. Wie uns die Polizei weiterhin mitteilte, schien der Mann am gestrigen Abend hochprozentigen Alkohol zu sich genommen zu haben, sodass ein Unfall in Trunkenheit nicht auszuschließen ist. Dem Anschein nach ist der Mann beim Überschreiten der Interstate von einem Fahrzeug, wahrscheinlich einem LKW, erfasst worden oder von der nahegelegenen Brücke gestürzt.«

      Diese Meldung war nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte bestand darin, dass die Polizei der Presse erst mal diese Informationen gegeben hatte, um etwas Zeit zu gewinnen. Besonders der Verdacht eines Selbstmords musste in einem solchen Fall ausgeschlossen werden. Da es sich bei der toten Person nach dem Führerschein, den er bei sich trug, um einen Bürger der Stadt, wohnhaft in Aurora Highlands, handelte, wurde eine Ermittlungsgruppe des Aurora Police Departments, kurz ADP genannt, beauftragt. Der Leiter dieser Gruppe der Operation Division war schon seit vielen Jahren Captain David Hodges. Obwohl auch er zunächst wegen des augenscheinlichen Unfalls davon ausging, dass sie heute im Laufe des Tages die Ermittlungen abschließen würden, ließ ihn seine Erfahrung in diesem Punkt etwas skeptisch bleiben. Wie er und seine Leute bereits bei einem ersten kurzen Telefonat vom Commander erfahren hatten, hatte der eigentlich in dieser Gegend nichts zu suchen. Sein gestriger Arbeitsort lag in Seven Hills, weit entfernt von Watkins. Bis zum Unfallort war es nicht gerade ein Katzensprung. Es lagen also erste Hinweise vor, die es erforderten, dass das APD sich näher mit dem Fall befasste.

      David Hodges kehrte vom Ort des Geschehens zum zweiten District des APD in der Abilene Street zurück. Glücklicherweise hatte er vor der Tür noch einen Stellplatz gefunden. Selten genug, dass hier etwas frei war, aber die Kollegen von der Streife schienen alle ausgerückt zu sein.

      »Monaghan und Alvarez«, sagte David Hodges zu den beiden jüngeren Kollegen in der Gruppe. Sie saßen wie jeden Morgen mit einem Kaffeebecher in der Hand zur Besprechung am Sitzungstisch. »Ihr geht am besten gleich zur Arbeitsstelle des Toten. Monaghan, Sie hatten vorhin ja bereits mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten telefoniert. Fragen Sie noch mal ein bisschen nach dem Umfeld und vor allem nach den menschlichen Aspekten des Toten. War Peter Spade überhaupt ein Mensch für Selbstmord?«

      »Okay«, antwortete Samuel Alvarez. »Wir fahren gleich los, wenn wir hier fertig sind. Ich werde mir nur noch die Unterlagen zusammenlegen, die die Akten über ihn bis jetzt hergegeben haben. Damit wir wenigenstens alle auf dem gleichen Stand sind.«

      »Ja, ist gut, mach das. Saul und ich werden Spades Frau aufsuchen, ihr die Nachricht überbringen. Vielleicht erfahren wir auch, ob es Probleme in der Ehe gab, falls sich der Verdacht eines Selbstmords erhärtet. Das steht sicherlich noch nicht in den Akten.«

      »So leicht wird man es uns wohl nicht machen. Von wegen, alles nach Aktenlage und so. Erst einmal müsste jemand etwas hineinschreiben.«

      »Was gibt es sonst noch zu tun?«, fragte David Hodges und schaute einen nach dem anderen an. »Was haben wir noch für offene Sachen?«

      »Da ist noch die tote Grandma, die vierzehn Tage unbemerkt zwischen all ihren Katzen in der Wohnung oben in Green Valley gelegen hat. Da müssen wir heute noch einige Ergebnisse von der Obduktion bekommen.«

      »Den Fall werden wir dann sicherlich abschließen können.«

      »Den schon«, sagte Brendup. »Anders sieht es mit dem Einbruch in der Villa am Sportplatz aus. Da müssen die eingegangenen Berichte und Ergebnisse noch mal sortiert werden. Möglicherweise gibt es neue Aspekte und Spuren, die uns jetzt zum Einbrecher führen.«

      »Das wird also noch brauchen.«

      »Hundertprozentig. Den meisten Spuren müssen wir noch nachgehen. Der Fall lässt sich nicht so schnell abhaken.«

      »Na, okay«, sagte David Hodges. »Wäre es das? Oder habt ihr noch was auf der Seele?«

      Sie wurden in ihrem Gespräch unterbrochen, weil die Bürotür geöffnet wurde und ein Kollege herein schaute, dessen Halbglatze den Raum mit Leuchtkraft zu erhellen schien.

      »Entschuldigt, Kollegen«, sagte er. »Es könnte für euch aber wichtig sein und der ausführliche Bericht wird nicht ganz so schnell fertig.«

      »Ja, und um was geht’s?«, fragte David Hodges.

      »Wir haben gerade die Kleidung des Toten unter der Lupe gehabt. An der Interstate war davon ja nicht viel zu erkennen. Es ist etwas elegantere Kleidung gewesen, Krawatte, Jackett und so. Aber das Wichtigste …«

      »Nun mach es nicht so spannend.«

      »In seiner Hosentasche steckte eine Pistole vom Typ Beretta.«

      »Ach nee. Sieh mal einer an.«

      »War der sich noch nicht ganz sicher, wie er sich umbringen wollte?«, fragte Detective Jacqui Monaghan, »Erschießen oder doch lieber von der Brücke vor einen fahrenden Truck springen?«

      »Das werden wir heraus bekommen«, antwortete ihr Chef.

      »Ich wollte es auch nur gesagt haben, falls ihr dies noch bei euern Ermittlungen benötigt«, sagte der auf dem Kopf spärlich behaarte Kollege. »Dann bin ich jetzt aber auch schon wieder weg. Heute Nachmittag werdet ihr den Bericht von mir bekommen.«

      »Ja, danke für die schnelle Arbeit«, rief ihm Monaghan noch hinterher, bevor dieser die Tür schon ganz geschlossen hatte. Doch dann schwenkte sie wieder auf. Die Mundwinkel des Kollegen gingen von einem zum anderen Ohrläppchen, er tippte sich mit zwei zusammengelegten Fingern an die rechte Schläfe, bevor er die Tür endgültig zuzog.

      »So. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, noch Fragen von euch?«

      »Nein, eigentlich nicht«, antwortete Samuel Alvarez, während die anderen beiden wie in Gedanken versunken den Kopf schüttelten.

      »Also, auf geht’s.« Mit einem kräftigen Schwung schlug sich David Hodges dabei auf die Schenkel und erhob sich von seinem Platz.

      David Hodges handhabte das nun schon seit Jahren in seiner Ermittlungsgruppe so, dass jeden Morgen zunächst die Teambesprechung stattfand, bevor jeder seiner Aufgabe nachging. Diese Besprechungen dauerten meist nicht lange. Manchmal nur fünf Minuten, seltener, aber bei schwierigen Fällen, verstrich schon mal eine Stunde. Durch diese Besprechungen hatten alle in der Gruppe das Gefühl, darüber Bescheid zu wissen, was die Kollegen taten. Sie tauschten sich aus und brachten sich auf den aktuellen Stand bei den noch offenen oder gerade abgeschlossenen Fällen. Dadurch konnten sie schnell eine Aufgabe zwischendurch übernehmen, einen Telefonanruf oder so, und den Kollegen ohne viel Aufwand unterstützen. Sollte einer von Ihnen mal plötzlich krankheitsbedingt ausfallen, fiel die neue Rollenverteilung nicht besonders schwer. David Hodges war stolz auf seine kleine Truppe. Er hatte wirklich das Gefühl, sie würden alle an einem Strang ziehen. Jeder wusste, wo sein Platz war. Selbst das New Yorker Küken, wie sie Jacqui Monaghan manchmal nannten, hatte bereits bewiesen, dass sie längst kein Küken mehr war, sehr gute Ermittlungsarbeit leistete und als einzige Frau im Team für ein bisschen Abwechslung sorgte.

      Monaghan und Alvarez begaben sich zum Stellplatz ihres Dienstwagens vor der Police Station, um sich auf den Weg zum Handwerksbetrieb des Opfers zu machen. Dort wollten sie mit den Ermittlungen beginnen.

      »Heute fahren wir getarnt, Señorita?«, fragte Samuel Alvarez seine Kollegin. Mit dieser Frage spielte er auf den alten Dienstwagen, einen roten Buick, an, den die Kollegin zunächst erhalten hatte. Sie hatten schon öfters ihre Witze darüber gerissen, dass kein Mensch in diesem Auto einen Polizisten vermuten würde.

      »Von mir aus. Ich hab nichts dagegen. Aber du willst doch bloß wieder deinen Silberschlitten