Düsterstrand. Meike Messal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Meike Messal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954752164
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Erinnerung, das war ja allerdings kein Wunder nach zehn Jahren. Leider standen nur die Nachnamen unter den Bildern. Frau Petersen. War sie das? Laura googelte den Namen, doch fand weder einen Telefonbuch- noch einen Adresseintrag. Schnell machte Laura ein Screenshot von dem Foto, griff nach ihrer Schultertasche und lief in den Garten. Ihre Wirtin, Frau Strothmann, werkelte dort an einem Blumenbeet herum.

      »Entschuldigung, ich suche diese Lehrerin, Frau Petersen. Kennen Sie sie zufällig?« Laura hielt Frau Strothmann das Foto unter die Nase. Die schaute stirnrunzelnd darauf und musterte Laura unverhohlen. Plötzlich war ihr Blick dunkel. »Sie sind nicht von der Presse, oder so etwas?«

      »Was? Presse? Nein.« Verwirrt zog Laura die Augenbrauen zusammen. »Sie ist eine Freundin meiner Mutter.«

      »Aha.« Frau Strothmann warf erneut einen prüfenden Blick auf sie. Dann bückte sie sich und wandte sich um. »Ich kenne sie nicht«, murmelte sie. »Jetzt möchte ich bitte in Ruhe weiterarbeiten.«

      Einen kurzen Moment schaute Laura irritiert auf den Rücken der Frau. Dann zuckte sie mit den Schultern, ging zum Gartentor hinaus und blieb unschlüssig stehen. Was sollte diese merkwürdige Reaktion? Frau Strothmann kannte Frau Petersen, da war sich Laura sicher. Aber offensichtlich wollte sie ihr nichts sagen. Wie sollte sie Wiebke jetzt finden? Sie konnte ja schlecht jeder Person auf Fehmarn das Foto zeigen.

      Nachdenklich blickte sie die Straße hinunter. Die Sonne stand hoch am Himmel. Laura war früh aus Hamburg aufgebrochen, es war gerade einmal Mittagszeit. Vielleicht würde sie ja jemanden in der Schule antreffen? Alle dachten immer, dass Schulen in den Sommerferien verwaist seien. Aber Laura wusste noch von ihrer Mutter, dass das nicht stimmte. Normalerweise war eine Schule auch in den Ferien durchgehend besetzt – entweder waren die Sekretärinnen dort, der Hausmeister, die Schulleitung oder Lehrer, die schon für das nächste Schuljahr vorbereiteten und planten. Laura konnte sich erinnern, dass sie selbst einige Male mit ihrer Mutter in den Ferien in der Schule gewesen war. Sie hatte es genossen, das riesige Gebäude so still und verlassen vorzufinden. Jeder Klassenraum wollte von ihr erkundet, jede Tafel von ihr bemalt werden. Aber selbst einmal Lehrerin sein? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Bestimmt würden entweder die Kinder sie nerven oder sie die Kinder. Jemandem etwas beizubringen, so, dass dieser auch Spaß daran hatte, war schließlich gar nicht so einfach.

      Trotzdem, irgendwie schade, dass die Zeit vorbei war. Alle hatten so das Ende der Schulzeit herbeigesehnt. Aber Laura vermisste bereits die Routine, die Sicherheit, die ihr der normale Alltag geboten hatte, das Vorhersehbare. Auf Fehmarn zur Schule zu gehen, wäre bestimmt auch cool gewesen. Sicherlich hatten die Schüler hier eine starke Gemeinschaft. Laura googelte nach der Adresse. Die Schule lag tatsächlich nur ein paar Hundert Meter von ihr entfernt.

      Sich interessiert zu allen Seiten umschauend lief Laura durch Burg, vorbei an dem schmucken Rathaus, an lachenden Menschen, den vielen Geschäften. Sie sog alles auf, ließ die Bilder zu, die sich von ihrem Herzen zurück in ihr Bewusstsein schlichen. Sie vier, hier, eine Familie, Urlaubsglück.

      Ehe Laura sich versah, stand sie bereits vor dem Gebäude mit den großen Glasfassaden. Schön sah es aus, einladend. Laura zögerte einen Moment, dann ging sie auf die Eingangsfront zu und zog an der Tür. Abgeschlossen. Suchend wanderte ihr Blick nach links, auf eine silberne Säule, an der ein Briefkasten hing und eine Türklingel prangte. Mit angehaltenem Atem drückte sie sie und stieß die Luft laut aus, als kurz darauf ein Summer ertönte. Schnell öffnete sie die Tür, sah einen Wegweiser zum Sekretariat und folgte ihm.

      Die Tür zum Büro stand offen, Laura hörte darin schon vom Flur aus geschäftige Schritte hin- und hereilen. Sie steckte ihren Kopf hinein und lächelte die Frau an, die gerade einen großen Aktenberg vor sich herbalancierte. Als sie Laura sah, blieb sie stehen. Ihre Nase ragte kaum über die Ordner hinaus. »Haben Sie gerade geklingelt?«, fragt sie.

      »Ja, genau. Bitte entschuldigen Sie die Störung.« Laura machte einen Schritt in das Zimmer hinein.

      »Was möchten Sie denn, mitten in den Ferien?« Die Sekretärin ließ den Aktenstapel mit einem lauten Plumps auf ihren Schreibtisch fallen.

      Laura schluckte. »Ich, äh, ich suche Frau Petersen.«

      Die Sekretärin, die sie eben noch interessiert angeschaut hatte, runzelte die Stirn. »Frau Petersen.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

      »Ja, richtig. Wiebke Petersen.«

      Stumm schaute die Frau sie an. »Was wollen Sie denn von ihr?«, fragte sie schließlich und ihre Stimme klang kalt.

      Verdammt, was war hier los? Warum reagierten gleich zwei Frauen so merkwürdig, wenn sie nach Frau Petersen fragte? Unbehaglich verlagerte Laura ihr Gewicht und stützte sich an dem Tresen ab, der sich durch das Büro zog. »Ich … also, sie ist … sie ist eine Freundin meiner Mutter. Ich muss mit ihr sprechen.« Und als die Frau sie nur weiter anstarrte, fügte sie hinzu: »Es ist dringend. Bitte!«

      »Dringend. Hm«, antwortete sie schließlich. »Sagen Sie, Sie sind nicht zufällig von der Presse?«

      »Nein!« Laura hob abwehrend die Hände. Sie war schon immer älter geschätzt worden, als sie war, meistens auf Anfang zwanzig. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie die Frage, ob sie Journalistin sei, vielleicht gefreut, schließlich wollte sie mal im Medienbereich arbeiten, und es war ja schön, wenn man ihr das auch ansah. Aber die Sekretärin sah so ablehnend aus, dass Laura vehement den Kopf schüttelte.

      Die Frau schaute sie nur weiter abschätzend an. »Natürlich nicht«, murmelte sie. »Machen Sie, dass Sie hier rauskommen.«

      »Aber …« Irritiert fuhr Laura sich durch das Gesicht.

      »Nichts aber«, unterbrach sie die Sekretärin. »Wenn Sie wirklich mit ihr befreundet wären, dann wüssten Sie, was los ist!«

      Mit einem Satz war sie bei Laura, schob sie zur Tür und knallte diese dann mit einem lauten Rumms hinter ihr zu.

      14

      Benommen blieb Laura auf dem Flur stehen. Sie verstand überhaupt nichts mehr. Aber eines war ihr aufgefallen: Als sie der Lehrerin Petersen den Vornamen hinzugefügt hatte, den die Freundin ihrer Mutter trug, hatte die Sekretärin nicht das Geringste dazu gesagt. Wiebke Petersen. Sie war es, Mamas Freundin. Doch wie zur Hölle sollte sie die Frau finden? Sie konnte ja schlecht bis nach den Ferien vor der Schule herumlungern. Es war Anfang Juli, die Sommerferien würden noch fünf weitere Wochen dauern. Bis dahin war ihr Geld längst aufgebraucht. Nein, es musste doch eine andere Lösung geben.

      Frustriert wollte sie gehen, als die Tür am Ende des Ganges aufgestoßen wurde und eine Frau eilig auf sie zugelaufen kam. Laura hielt den Atem an. Sie erkannte nicht nur die Frau auf dem Foto wieder. Jetzt, als sie sie sah, erinnerte sie sich auch an den geschmeidigen Gang. Bei Wiebke hatte es immer ausgesehen, als würde sie schreiten, fast schweben. Und da fiel es Laura ein: Sie war Sportlehrerin. Keine Frage, es war Wiebke! Als sie näher kam, bemerkte Laura jedoch, dass sie nicht nur älter geworden war. Sie musste jetzt um die sechzig sein, und sie sah schlecht aus. Ihr Gesicht war geschwollen, die Augen gerötet. Die langen, blonden Haare wirkten fettig und ungekämmt und hingen strähnig herunter. In ihrem gehetzten Auftreten war der leichte Gang kaum mehr zu erahnen. Ohne Laura auch nur eines Blickes zu würdigen, eilte sie in das Sekretariat.

      »Hallo, Ursula« rief sie der Sekretärin zu. »Lass dich nicht stören. Ich muss nur … ich will …« Ihre Stimme brach.

      »Hey, hey.« Laura sah die Sekretärin nach vorne kommen und Wiebke umarmen. »Du bist doch verrückt, jetzt an Arbeit zu denken. Wie geht es dir denn und wie geht es Thorben?«

      Wiebke wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als die Sekretärin Laura erblickte, Wiebke losließ und erbost rief: »Sie sind immer noch hier? Scheren Sie sich zum Teufel, habe ich gesagt!«

      Sie wollte erneut die Tür vor Lauras Nase zuschlagen, doch Laura hielt ihren Arm dagegen und schob sich nach vorne in das Büro hinein. »Wiebke, ich bin es. Ich wollte zu dir. Ich bin es, Laura!«, stieß sie schnell hervor.

      Beim Klang ihrer Stimme drehte Wiebke sich um. Unglauben