»Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, was Sie von unserem Rechtssystem halten.«
»Das ist für mich ein- und dasselbe. Die Regierungen machen schließlich die Gesetze.«
»Da stimme ich Ihnen natürlich zu, aber es beantwortet dennoch nicht meine Frage.«
»Was wollen Sie denn hören? Dass ich am liebsten die komplette Riege der Politiker auf den Mond schießen würde? Ja, das wäre ein toller Gedanke.«
Dietrich dachte scheinbar intensiv über die Antwort nach. Schließlich nickte er. »So wie Ihnen geht es vielen Menschen im Land. Aber man muss sehr vorsichtig sein mit dem, was man sagt.«
Ich seufzte. »Wem sagen Sie das. Als der Anschlag mit dem Ebola-Virus erfolgte, da bat mich der Innenminister um Hilfe. Der alten Zeiten wegen und so. Aber ganz schnell wurde mir klar, was er in Wahrheit von mir wollte. Er verlangte, dass ich den Hauptverdächtigen foltere, um so herauszufinden, wo und wann der Anschlag stattfinden sollte.«
Dietrich tat empört. »Das ist unfassbar. Was haben Sie gemacht?«
»Als ich sie durchschaute? Ich hätte kotzen können. Aber ich habe nichts gesagt und mit meinen Methoden versucht zu helfen.«
Dietrich grinste. »Ihre Methoden sind aber auch nicht ohne …«, sagte er.
»Unorthodox, ja. Aber gefoltert habe ich noch nie. Gewalt angedroht schon. Aber niemals ausgeübt. Wissen Sie, Regeln und Dienstvorschriften sollten keine festen Mauern sein, die einen einschränken, sondern vielmehr elastische Leitplanken. Aber sehr oft musste ich die Erfahrung machen, dass die Bösen vom Grundrecht mehr geschützt werden als diejenigen, die sie hinter Gittern bringen sollen.«
»Eine fatale Situation«, bestätigte Dietrich.
»Allerdings. Erfahre ich jetzt endlich, was Sie von mir wollen?«
Er sah mich forschend an. »Ich arbeite für eine Organisation, die etwas gegen die Missstände in unserem Land unternehmen möchte.«
»Jetzt sagen Sie mir bitte nicht, dass es sich bei dieser Organisation um die AfD oder etwas Ähnliches handelt.«
Er lachte. »Nein, Herr Eichborn, wir sind keine Partei und wollen auch keine werden.«
»Na, wenigstens etwas. Aber bei einer Sache, die in Richtung Nationalsozialismus geht, würde ich auch nicht mitmachen.«
»Wir sind weder Rechtsradikale noch Nazis, Herr Eichborn.«
»Was sind Sie dann?«
»Zu allererst besorgte Bürger.«
»Eine sehr vage Antwort. Aber das wissen Sie selbst.«
»Wir kennen uns erst seit einer Stunde. Ich werde mit Sicherheit nicht all unsere Pläne vor einem Mann ausbreiten, den ich kaum kenne.«
»Nachvollziehbar«, gab ich zu.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir essen eine Kleinigkeit, plaudern ein bisschen weiter, und wenn wir dann beide feststellen, dass es Sinn ergeben würde, vereinbaren wir ein weiteres Treffen. Ist dieser Vorschlag akzeptabel?«
Ich stimmte zu, wir aßen eine Kleinigkeit und waren uns zwei Stunden später einig, dass es durchaus Sinn ergeben würde, uns erneut zusammenzusetzen.
Hungrig machte ich mich anschließend auf den Weg nach Hause.
21
»Und genau das ist der Grund für die Kontaktaufnahme.«
Patrick Ebel
Ich fuhr auf direktem Weg nach Hause und stellte meinen Wagen in der Tiefgarage ab. Auf einem der anderen Parkplätze stand ein Van mit getönten Scheiben.
Das bedeutete, unser Besuch war schon angekommen.
Ich fuhr mit dem Aufzug hoch in die Wohnung. Auf einer Anrichte in der Diele lag eine Stahlbox. Ich öffnete sie und legte mein Smartphone zu den anderen, die sich schon darin befanden.
Als ich das Wohnzimmer betrat, saßen da bereits Helen, Patrick, Kernberger und Schranz, die mich gespannt ansahen. Das Erste, was ich tat, war, mir einen Zettel zu greifen und eine kleine Nachricht zu schreiben. Ich reichte den Zettel an Patrick, der ihn las und dann zu mir aufsah.
»Wir haben die Wohnung vor etwa einer Stunde komplett überprüft; keine Wanzen.«
Ich setzte mich neben Helen und fasste das Gespräch zwischen mir und Olaf Dietrich zusammen.
Als ich geendet hatte, schwiegen erst mal alle.
Schranz ergriff als Erster das Wort. »Also, viel preisgegeben hat dieser Dietrich nicht.«
»Und das bestätigt uns, was wir ohnehin schon wussten; wir haben es mit Profis zu tun«, sagte Kerni.
»Und, wird es ein zweites Treffen geben?«, wollte Patrick wissen.
Ich dachte über die Frage nach. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher.«
»Kannst du versuchen, die führenden Köpfe zu treffen?«, fragte Schranz.
Ich verstand ihn, wusste, warum er diese Frage stellte. Stellen musste.
Und ich war mir sicher, dass er meine Antwort darauf erahnte. »Wenn ich zu früh zu forsch vorpresche, war’s das. Dann werden sie misstrauisch und ich bin raus.«
»Oder Schlimmeres«, bemerkte Helen.
»Ja, ihr habt natürlich recht«, murmelte Schranz.
»Ist das der Typ, mit dem du dich getroffen hast?«, wollte Patrick wissen und schob den Bildschirm seines Laptops zu mir, sodass ich draufschauen konnte.
Ich nickte. »Ja, das ist Dietrich.«
»Okay, Olaf Dietrich ist sein richtiger Name. Er ist Deutschland-Chef des Unternehmens Global Security Inc. mit Sitz in der Schweiz.«
»Na toll, dann haben die bestimmt Zugriff auf jede Menge bis an die Zähne bewaffnete Söldner«, sagte ich ohne Begeisterung.
»Hier steht sinngemäß, dass Global Security ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte eine neue Heimat bieten. Und natürlich neue Aufgaben und Herausforderungen.«
»Das ist dann wohl deren Plattform zur Rekrutierung der Soldaten für ihre eigene, kleine Armee«, meinte Schranz.
»Und wir haben keine Ahnung, wie groß die bereits ist«, äußerte Kerni. Er wirkte niedergeschlagen.
»Könnt ihr bitte mal aufhören rumzuheulen«, sagte ich ungehalten. »Habt ihr wirklich erwartet, die offenbaren mir ihren kompletten Plan, noch bevor es den Nachtisch gibt?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Schranz. »Aber ich habe das Gefühl, uns läuft die Zeit davon. Ich befürchte, der nächste Anschlag steht kurz bevor.«
»Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür?«, erkundigte sich Helen.
»Nein. Wie gesagt, es ist nur ein Gefühl.«
Seit wann äußerte sich Schranz zu Gefühlen?
Normalerweise war er ein Verfechter von Zahlen, Daten und Fakten.
»Ich habe jetzt einen Fuß in der Tür. Aber ich muss das mit meinen Methoden machen. Und Druck aufbauen ist keine gute Idee. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die mich wirklich aufnehmen. Vielleicht melden sie sich auch nicht mehr und ich bin draußen, bevor ich richtig drin war«, meinte ich.
»Eben warst du dir noch sicher, dass es zu einem weiteren Treffen kommen wird«, sagte Schranz.
»Ja, Rainer. Bin ich auch. Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass ich nach meinen Regeln vorgehe. Das heißt auch, dass ich situativ entscheide, wie weit ich vorpresche. Ich werde mir das nicht fest vornehmen.«
»Botschaft angekommen«, sagte Kerni.
»Hast