Tag X. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691447
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Seite waren der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sein Innenminister und ein Staatssekretär des Bundesinnenministeriums anwesend. Innenminister Schranz lag mit Grippe im Bett.

      Das stimmte natürlich nicht, aber er stand auf einer Todesliste, daher hielten wir es für besser, zu dieser Notlüge zu greifen.

      Die Trauerrede wurde vom Bischof der Nordkirche abgehalten.

      Keiner der offiziellen Gäste sollte den Tag überleben.

      Als die Bomben detonierten, stand der Bischof gerade in der Kanzel und zitierte aus der Bibel.

      Sprengstoffexperten des BKA sollten später herausfinden, dass es sich um zwei Bomben gehandelt hatte. Eine war im vorderen Bereich der Sitzreihen versteckt worden, die andere im hinteren Bereich. So wurde ein maximales Ergebnis erzielt.

      Über einhundertsechzig Menschen kamen bei der Explosion ums Leben.

      Schrecklicherweise auch sehr viele Angehörige der Opfer des Absturzes.

      Bei dem verwendeten Sprengstoff handelte es sich um Acetonperoxid, auch APEX genannt. Diese chemische Substanz war durch Spürhunde nicht auffindbar und der bevorzugte Sprengstoff des IS. Daher war es nicht überraschend, als Spezialkräfte des BKA nur wenige Stunden nach dem Anschlag vier als Islamisten bekannte Syrer in Rostock stellten und sie bei einem Schusswechsel töteten.

      Der IS bekannte sich recht schnell zu dem Anschlag.

      Tenor ihrer Verlautbarung war, dass sie Deutschland mit einer Seuche heimgesucht hatten, damit war der Ebola-Anschlag gemeint, dass sie unsere Anführer jederzeit eliminieren konnten, ein Hinweis auf den getöteten Verteidigungsminister, dass sie Flugzeuge vom Himmel fallen lassen konnten, und dass auch Gotteshäuser keine Sicherheit bedeuteten.

      Die Bevölkerung war wie gelähmt.

      Die Boulevard-Medien verbreiteten mit ihren Schlagzeilen Angst und Schrecken.

      Und sie verurteilten unsere unfähige Regierung.

      Wir trafen uns wie immer zu einem konspirativen Treffen in Helens und meiner Wohnung.

      Kernberger und Schranz hatten zur Sicherheit den Wagen gewechselt. Es war mehr als wahrscheinlich, dass Dietrich mich noch immer überwachen ließ. Daher wäre es zu verdächtig gewesen, wenn immer derselbe Van mit verdunkelten Scheiben in meine Tiefgarage fahren würde.

      Die Untersuchung meiner Wohnung ergab, dass niemand Wanzen versteckt hatte. Unsere Handys landeten wieder in der Stahlkiste. Die Stimmung als gedrückt zu bezeichnen, wäre stark untertrieben gewesen.

      Schranz sah uns einen nach dem anderen an. »Ist jemand hier, der wirklich glaubt, dass die Anschläge von der IS begangen worden sind?«

      Das war keiner von uns.

      »Gut. Ich denke, es ist klar, was die Drahtzieher damit bezwecken wollten. Bislang gab es keine Verbindung zwischen dem Anschlag mit dem Ebola-Virus, dem Tod des Ministers und schlussendlich mit dem Absturz des Jets. Diese Verbindung bietet jetzt der angebliche Bekennerbrief des IS. Und wie zu erwarten war, stürzen sich die Medien darauf, als gäbe es kein Morgen.«

      »Die zerreißen gerade die Bundesregierung in kleine Stücke. Ihrer Meinung nach ist nichts und niemand mehr sicher in Deutschland«, meinte Kernberger.

      »Genau die Botschaft, die von den Arschlöchern provoziert werden sollte«, sagte ich.

      »Ja«, bestätigte Schranz. »Ohne es zu wissen, treiben die Medien die Bevölkerung genau in die von denen gewünschte Richtung.«

      »Ich hätte nicht gedacht, dass die so weit gehen«, sagte ich leise. »Eine Kirche, mitten in einem Trauergottesdienst … Herrgott noch mal.«

      »Im Prinzip haben die damit die Vorgehensweise von islamistischen Terroristen kopiert«, meinte Patrick.

      »Stimmt. Die sprengen irgendetwas in die Luft, und wenn die Rettungskräfte kommen, zünden sie die nächste Bombe«, sagte Helen.

      »So lange, bis keine Rettungskräfte mehr kommen«, sagte ich. »In was für einer beschissenen Welt leben wir eigentlich …«

      »Okay, wir wussten schon, dass die Anschläge alle zusammengehören. Die Bevölkerung nicht, für die ist das neu. Was haben wir nun zu erwarten und was tun wir dagegen?«, wollte Kernberger wissen.

      »Wenn ich Hagedorns Plan richtig erinnere, dann befinden wir uns nun am Anfang von Phase fünf«, äußerte Helen.

      »Das war die Phase der Umsetzung, richtig?«, wollte Schranz wissen.

      Helen nickte. »Ja.«

      »Scheiße«, sagte ich.

       Schranz sah mich prüfend an. »Ich vermute, Dietrich wird sich jetzt sehr schnell bei dir melden und dich zu einem Treffen einladen.«

      »Ja, denke ich auch.«

      »Wir müssen dich verkabeln«, sagte Kernberger.

      »Auf keinen Fall«, rief Helen. »Die werden ihn garantiert durchsuchen.«

      Schranz und Kerni wechselten einen kurzen Blick.

      Schließlich nickte Kerni. »Okay, keine Wanze. Aber dafür ein Peilsender.«

      »Und den finden sie nicht, oder wie?« Helen war wirklich sauer.

      »Wir haben da ganz neue Sender. Die werden geschluckt und aktiviert, sobald der Magen etwas zum Verdauen bekommt. Hält sich etwas mehr als vierundzwanzig Stunden, dann wird er ausgeschieden.«

      »Ich habe ja schon vieles ausgeschieden, aber ein Peilsender war noch nie dabei«, stellte ich fest.

      Helen verzog das Gesicht.

      Wir einigten uns darauf, dass ich diesen Sender schlucken würde.

      Nun hieß es warten.

      24

      »Willkommen in unserem geheimen Rückzugsort.«

      Olaf Dietrich

      Der Anruf von Dietrich erfolgte am nächsten Tag. Er bat mich, Sachen für zwei Tage zu packen, wollte mir aber nicht verraten, warum.

      »Wie lange, sagtest du, hält der Peilsender?«, wollte ich von Kernberger wissen.

      »Etwa vierundzwanzig Stunden.«

      »Na toll. Wenn ich das Ding jetzt verschlucke, wisst ihr zwar, wo ich bin, aber wenn sie mich am nächsten Tag woanders hinbringen, funktioniert das Teil nicht mehr und keiner wird erfahren, wo ich bin.«

      »Dann musst du entweder einen zweiten Peilsender mitnehmen oder aber den einen erst dann schlucken, wenn du da bist.«

      Helen schüttelte den Kopf. »Den Sender mitnehmen und erst schlucken, wenn Nicolas da ist, ist zu riskant. Was, wenn sie den Sender finden? Oder wenn Nicolas keine Gelegenheit bekommt, ihn zu verschlucken? Er muss es tun, bevor er Dietrich trifft. Dann wissen wir wenigstens, wo er ist.«

      Ich gab Helen recht. Aber die Idee mit dem zweiten Sender fand ich auch nicht schlecht.

      »Wie sieht das Ding aus? Können wir den Sender in einer Packung Bonbons verstecken, ohne, dass er auffällt?«

      Kerni nickte. »Ja, das wird funktionieren.«

      »Ich müsste nur den Sender erkennen. Ich will nicht eine ganze Packung Bonbons auf einmal fressen, nur weil ich nicht weiß, was was ist.«

      »Auch das kriegen wir hin.«

      Wir trafen alle Vorbereitungen, dann packte ich, schluckte den ersten Peilsender und fuhr zum vereinbarten Treffpunkt, der Tiefgarage eines Hotels am Potsdamer Platz.

      · · ·

      Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als ich Dietrich mitteilte, dass ich aufs Klo musste.

      Auf der Höhe Hoppegarten fuhr er rechts ran. Ich stieg aus, verkroch mich hinter einem