Für uns Ordonanz, die einfachste Lösung. An einem Heiligabend habe ich mal erlebt wie der Oberst eine ganz besonders Platte auflegte und mehrfach abspielen ließ. Die komplette Mannschaft hörte ruhig und ergriffen zu, stellten das rauchen und trinken ein. Es war eine alte Schellackplatten von 1949. Elfie Mayerhofer sang "stille Nacht, heilige Nacht" und das ging den Männern sehr nahe, kein Zweifel. Später, als Elfie und Minna die Feiern belebten, uferte es anders aus. Wie wir auf der Abschiedsfeier, für den versilberten Panzer, erleben durften. Verdi kam nur noch selten zum Zuge. Seit ich die, immer wieder gerne erzählte, Geschichte kenne, wie der Hitler dem Oberst, im September 39, im Kasinohotel Zoppot, über den Weg gelaufen war, ihn anerkennend auf die Schulter klopfend angesehen habe, hielt ich den Oberst, bis in alle Ewigkeit, mit dem Führervirus infiziert. Das galt ebenso für andere Helden der wilden 13. Die alten Wochenschauen können nicht komplett gestellt gewesen sein und ich habe hier gesehen, was ich gesehen habe. Im Rauchsalon stand der größte Fernseher, den man damals auf dem Markt bekommen konnte. Er diente, auf Herrenabenden, als Katalysator in mehrfacher Hinsicht. Teils um liebgewonnene Filme, aus alten Tagen, zu genießen, teils zur Sichtung von Dokumentationen und Wochenschauen aus den 12 Jahren des tausendjährigen Reiches, sowie Nachkriegsmachwerke schlimmster, schändlichster, oder nur schlechter Art, über sich ergehen zu lassen. Oft handelte es sich dann um amerikanische Produktionen. Das führte gelegentlich zu verbalen Ausbrüchen in deren Verlauf Unmengen an Alkohol ihre Abnehmer fanden. Ich habe erlebt wie der Reichskanzler, später als "der Führer" bekannt, es schaffte sie vor dem Fernseher abzuholen und mitzunehmen. Wenn eine Dokumentation über seine Schreckensherrschaft gezeigt wurde und sie sich wegen der alten Zeiten versammelt hatten. Wobei die bekannten Gräueltaten allesamt in einer anderen, hermetisch abgeriegelten Dimension stattgefunden haben müssen. Weil keiner davon gewusst haben kann. Außer man hätte Wehrkraft zersetzende Feindpropaganda gehört. Wenn der Führer sich neben das Rednerpult stellte, schwieg, Papiere ordnete, sich räusperte, immer noch schwieg, über die Menge hinwegsah und endlich, als der Spannungsbogen die Halle elektrisierte, langsam, fast leise, mit seiner Ansprache begann. Fünf Minuten später hatte er, mit Blitz- und Donnerworten, den Saal zum Kochen gebracht und die Volksgemeinschaft an ihren wunden Punkten erwischt. Ergriffen und entmündigt brüllten sie ihm ihre Hörigkeit entgegen. Ein clever durchdachtes Spektakel der Gruppe um Mephistos Meisterschüler. Selbst nach allem und den durchs Land gezogenen Jahren hatte seine Strahlkraft bei seinen alten Gefolgsleuten wenig Patina angesetzt. Auf eine unerklärliche Weise schien er immer noch ihr Boss zu sein. Keine Medizin, keine Operation und keine religiöse Überzeugung konnten ihn restlos aus ihren Köpfen entfernen. Er muss bei den Männern Gefühle auslösen können, wie nur er es konnte und das warf lange Schatten in die Gegenwart. Einmal "Herrenmensch", immer "Herren der Menschen", würde es nicht tiefgründig genug beschreiben. Ebenso würde ich auch nicht Goethes Mephisto zu Worte kommen lassen. Niemand aus der Riege der Großkriegsverbrecher hatte einen derartigen Nimbus. Vater hätte nie gesagt: "Wenn das der Göring wüsste". Aber: "wenn das der Führer wüsste", war legitim und sagte alles. Ich kann mich an einen langen Film über die Nürnberger Prozesse erinnern. Eine unmissverständliche Breitseite an Rechtsbelehrung, der amerikanischen Führungsnation an die deutschen Teufel, wie die Herren erkannten. Diese Filmmaterialanalysen fanden unter Ausschluss weiblicher Teilnehmer statt. Damit war gewährleistet das nur tief im Thema befindliches Fachpersonal anwesend war. Schließlich wurde auf höchstem Niveau analysiert und debattiert. Dazu fällt mir spontan ein wie unsere Lehrerin Frl. Radke im Klassenzimmer betonte: >Kriege werden nicht gewonnen, nur verloren<. Und das im Krieg immer die Wahrheit das erste Opfer sein wird. Ich erinnere mich an Filme wie: So weit die Füße tragen, Canaris, des Teufels General, der Arzt von Stalingrad, 08/15, Fabrik der Offiziere, das Urteil von Nürnberg, meines Vaters Pferde und andere. Eine mittelschwere Krise bekam mein Vater gerne, bei Dialogen in einem seiner Lieblingspropagandastreifen, dem Urteil von Nürnberg. Mit Spencer Tracy, Maximilian Schell und dem widerlichen Richard Widmark, als Ankläger. >Schwarz-weißer geht es kaum war noch<, sein neutralster Kommentar. Gutgläubige Helden treffen auf bösartige Nazis. Wobei Nazis immer und überall grundsätzlich böse zu sein haben. Ruhig blieb es dabei nur selten, zum Beispiel bei der Rede des Strafverteidigers Maximilian Schell, über die Schuld der Welt am zweiten Weltkrieg. Zu den Kommentaren über Marlene Dietrich, schweige ich an dieser Stelle. Alles Material das gesendet werden durfte. Aber oft wurde an Streifen erinnert die man sehen wollte, was die Zensur der Besatzungsmächte und ihre Helfershelfer untersagten. Volksverhetzende Propaganda würde es darstellen. Das mit Jud Süß war klar, aber was ist mit manchem Riefenstahl Werk, oder einem Klassiker wie Stukas? fragte sich die Runde. Aber B-52 Bomber werden ganz ungeniert in amerikanischen Propagandafilmen dem deutschen Volk wieder und wieder präsentiert. Wie sie kommen und deutsche Städte in Schutt und Asche legen, empörte sich die Runde. Einmal regte sich Direktor Riester mächtig auf, weil die US- Armee in den Schulen und Heimen B- 52 Bomber, als Plastikspielzeug, massenweise verschenkte. Soldaten fuhren im großen LKW vor und luden das Kriegsspielzeug auf Pausenhöfen ab. Es geschah seltsames, wenn die weitgereisten Männer in die Röhre sahen. Zum Beispiel bei diesem ostpreußischen Pferdegestüt Drama mit der normannischen Allzweckwaffe Curd Jürgens. Da sah ich harte Kerle beim Gnadentod eines ostpreußischen Pferdes in heftiges weinen ausbrechen, was eine Ehre war. Natürlich hatten viele Filme mehrfache Wiederholungen hinter sich und man kannte einige Texte auswendig. Wenn Alfredo Casanova vortragen konnte, so galt es bei meinem Vater für die Führerreden. Die Zelluloid Traumfabrik und ihre Filme holte sie zurück in die bewegten Zeiten. Im Prinzip war aber jeder, zumindest moralisch, ein General Harras. Der Lebemann und Weiberheld Jürgens galt ihnen sowieso als Kernkompetenz eines deutschen Urtypus. Was heute ein Dieter Bohlen sein mag. Grundsätzlich glaube ich: Wer die 20er und 30er Jahre in Deutschland nicht erlebt hat, ist nur ansatzweise in der Lage zu verstehen wieso der Dämon Adolf Hitler sich so einen Nimbus bei dieser Generation verschaffen konnte. Als wäre der Mann aus Teflon. Immerhin haben sie einen Eid auf den Führer und seine Ideale geschworen. Der schien noch zu gelten, trotz allem. Ein Versprechen auf den apokalyptischen Reiter, der ohne seine Helfers Helfer kein Lager errichten, Zyklon B einsetzen und Kriege vom Zaun hätte brechen können. Es ist wie überall auf der Welt. Ob Demokratie, Diktatur, Bananenrepublik, Kolonie, oder im Arbeiter- und Bauernparadies – vor dem Gesetz sind alle gleich, außer die die gleicher sind und über dem Gesetz stehen.
Düsentrieb Rehm
Friedhelm "Düsentrieb" Rehm erinnerte mich in Erscheinung und Wesen an den bekannten Schauspieler Gustav Knuth. Karriere als Gebrauchsfälscher, in der Zeit vom braunen Spuck, hat Friedhelm Rehm nur gemacht, weil sich ein Jugendfreund an ihn erinnerte. Rehm habe ihm schon früh in der gemeinsamen Schulzeit entscheidende Hilfe zukommen lassen. So war es ganz natürlich das er später nach ihm fahnden lassen hat. Als Talent, wie sie gesucht wurden. Dem unpolitischen Rehm berauschte das Angebot an Möglichkeiten sich künstlerisch zu entfalten. Enorme Ressourcen standen zur Verfügung die jeweils gestellte Aufgabe zu erfüllen. Zwischen stempeln gehen und einer "Sonderabteilung geheime Reichssache" gab es nicht wirklich eine Wahl. >Nicht bei klarem Menschenverstand<, wie er in geselliger Runde versicherte.
>Blond, wie Hitler, schlank, wie Göring und mit einem Adlerblick, wie Himmler<, scherzte gerne der Mann mit den begnadeten Händen, warum er bei der Spezialeinheit gelandet war. Im Grunde sind es wohl eher seine Fälscher Qualitäten gewesen. Die Dinge liefen anders und dann aus dem Ruder. >Das passiert in der Weltgeschichte immer wieder<, beteuerte unser Düsentrieb immer wieder. Aber seine Arbeit an den geheimen Reichssachen wäre spitze gewesen und niemals wieder hätte er diese Möglichkeiten gehabt und so viel dabei gelernt. >Wenn bloß weniger Krieg gewesen wäre, dann wäre es vielleicht noch gut ausgegangen<, so der begabte Mann für Darstellung von Illusionen. Weil sein Schaffen immer als kriegswichtig galt brauchte er nicht mal zum Endkampf eine Waffe in die Hand nehmen. Aber wahrscheinlich war er auch früher für einen Schützengraben, oder Häuserkampf, nicht zu gebrauchen gewesen. Heute sagt er: >Manchmal denke ich das ich noch gar nicht so alt bin. Und dann höre ich mich aufstehen! Rehm und Vater hatten ein gemeinsames Hobby und verbrachten deshalb manche extra Stunde miteinander. Beide konnten lange vor ihren Bienenständen hocken, mit Zigarren im Mund und den Tieren beim ein- und ausfliegen zusehen. Ein Teil der Bienenvölker stand auf der Domäne, deshalb konnte es vorkommen das Vater die Nacht auf der Domäne blieb. Vielleicht aber auch weil Rosi Motzke, das ewig dralle BDM Fräulein von der Dorfapotheke, noch etwas