Mütter sind VIPs
Kinder sehen ihre Eltern viel positiver, als sich diese selbst einschätzen. Der Spruch: „Mama ist die Beste“ stimmt auch heute noch für die große Mehrheit unserer Kinder. Dies zeigen die Antworten von Sechs- bis Zwölfjährigen, die im Rahmen einer Studie befragt wurden: Ihr zufolge halten rund 90 Prozent der Kinder ihre Eltern für die besten der Welt. 91 Prozent fühlen sich bei ihnen „immer sehr sicher und wohl“. Und 90 Prozent wissen: „Meine Eltern lieben mich so, wie ich bin.“ Zumindest für Ihre Kinder gehören Sie Ihr ganzes Leben lang zu den VIPs: zu den wichtigsten Menschen.
In den Teenagerjahren sinkt dann die Begeisterung für die Eltern für eine kurze Zeit. Als ich noch mitten im Trubel des Familienlebens steckte, meinte eine ältere Freundin weise zu mir: „Mit 5 Jahren empfindet das Kind die Mutter als Zentrum des Universums. Mit 15 Jahren findet der Teenie, dass Mama mit ihrer Meinung total danebenliegt. Mit 25 gesteht der junge Erwachsene ein, dass Mama doch hin und wieder recht haben könnte, und mit 35 erzieht der junge Vater/die junge Mutter die eigenen Kinder genauso, wie sie selbst erzogen wurden.“
Damals hatte ich für diese Weisheit nur ein müdes Lächeln übrig. Denn wer will schon 20 Jahre lang warten, bis sich der Erziehungserfolg einstellt? Doch wie keine andere Aufgabe im Leben fordert das Begleiten von Kindern von uns alles, was wir haben.
Ja, Mütter leisten Erstaunliches: Schon als junge Lehrerin staunte ich immer wieder über die enge Beziehung zwischen Mutter und Kind. Damals betreute ich Kinder, die ich gleich vom ersten Augenblick an in mein Herz schloss. Aber dann gab es auch die anderen: die nervösen, lauten, ungeschickten, bei denen immer etwas schiefging. Oftmals musste ich mir alle Mühe geben, gerade diese Kinder anzunehmen. Doch ihre Mütter kämpften in der Regel wie Löwinnen für das Wohlergehen ihrer Lieblinge, ob sie nun pflegeleicht oder herausfordernd waren. Auch in meiner heutigen Arbeit als psychologische Beraterin begegne ich immer wieder Eltern, die für den Umgang mit ihren Kindern einen Nobelpreis verdient hätten, denn sie stehen trotz Ärger und nervlicher Anspannung beständig zu ihrem Problemkind.
Mutterliebe (und natürlich auch Vaterliebe) ist letztlich ein Geheimnis, das alles logische Verstehen übersteigt. Und so begegne ich immer wieder Müttern, die ihre Kinder begleiten, tragen und auch ertragen, für sie glauben, hoffen und beten. Lehrerinnen und Jugendleiter, Freunde und Kolleginnen begleiten ein Kind nur während eines Lebensabschnitts. Mutter bleiben Sie bis zu Ihrem letzten Atemzug.
Im Land der (beinahe) unbegrenzten Möglichkeiten
Vor Kurzem sprach mich eine jüngere Frau bei einem Empfang spontan an: „Kennen Sie mich noch? Dank Ihnen habe ich heute drei Kinder und bin dankbar für jedes einzelne.“
In der Tat war sie mir in guter Erinnerung geblieben, war sie doch die erste Frau, die bei mir mithilfe einer Beratung herausfinden wollte, ob sie sich dem Wagnis der Mutterschaft überhaupt stellen sollte. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie sich ihr Leben bequem eingerichtet: doppeltes Einkommen, herausfordernder Beruf, spannende Reisen weltweit. Sollte sie all das aufgeben für den täglichen Kleinkram mit Kindern? Der Verzicht auf diese Annehmlichkeiten erschien ihr damals nicht wirklich attraktiv.
Eine andere Mutter von zwei Kindern erzählte mir, dass sie die Kurve zum Kinderkriegen mit 35 Jahren gerade noch gekriegt habe. Sie hatte ebenfalls lange Zeit kein Verlangen nach Nachwuchs verspürt, denn ihr Beruf schenkte ihr genügend Befriedigung. Heute kann sie sich ein Leben ohne Kinder nicht mehr vorstellen.
Heutzutage nehmen wir es als selbstverständlich hin, dass Frauen frei über ihren Kinderwunsch bestimmen können. Doch erst seit rund 100 Jahren bewegen sich Frauen vermehrt in der Welt außerhalb ihres Heims. Noch für unsere Urgroßmütter waren die Lebensaufgaben klar vorgezeichnet und möglicherweise sogar einfacher als jetzt: Heirat, Arbeit in Haus und Hof, Kinder aufziehen, Enkelkinder hüten. In der „guten alten Zeit“ empfahl eine Familienzeitschrift im Jahre 1884 ihren Leserinnen: „Sei ganz Weib! Die Sorge für deine Kinder, die kleinen Dinge der Haushaltung, die süße Unruhe der Mutterschaft sind deine Arbeiten.“ In derselben Zeitschrift konnte man 1952 jedoch ganz andere Dinge lesen: „Der Typ der modernen Frau ist rasch im Denken, geistig beweglich und anpassend im Fühlen und steht an physischer und intellektueller Elastizität weit über den Frauen früherer Zeiten.“
Was ist nur in den letzten 150 Jahren passiert? Das Leben unserer Vorfahrinnen wurde schrittweise umgekrempelt. Und vier dieser grundlegenden gesellschaftlichen Änderungen prägen auch heute noch entscheidend unser Leben.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit
Durch die Industrialisierung entstand auch für Frauen die Möglichkeit wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Plötzlich konnte man den Lebensunterhalt außerhalb des engen Familienverbandes verdienen. Dies eröffnete neue Horizonte: Unabhängigkeit, Freiheit, Ausbrechen aus überlieferten Lebensformen. Nun war es auch alleinstehenden Frauen möglich, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen. Die Mutter von heute lebt nicht mehr ausschließlich und in jeder Lebensphase aus dem Geldbeutel ihres Mannes, sondern steuert ihren Beitrag zum Einkommen bei. Dies stärkt den Selbstwert und die Selbstbestimmung.
Zugang zur Bildung
„Wissen ist Macht“, dies müssen heutzutage manche Menschen bitter erleben. Welche Chancen hat man schon ohne gute Ausbildung? Für Frauen sind die Möglichkeiten dazu noch nicht so alt. Erst vor rund 150 Jahren erstritten sich Frauen den Zutritt zu den Universitäten – damals zum Entsetzen vieler. Die ersten Studentinnen wurden angefeindet, als unweiblich und machthungrig verunglimpft und als Gefahr für die seit Jahrhunderten herrschende Gesellschaftsordnung abgestempelt. Durch ihren unerschrockenen Einsatz ebneten sie den Weg für all die modernen jungen Frauen, für die heute eine gute Ausbildung eine Selbstverständlichkeit ist.
Unterstützung durch den Sozialstaat
Die staatliche Einführung von Sozialversicherungen brachte Müttern mehr Freiheiten. Dank der Sozialhilfe/Hartz IV müssen Mütter nicht mehr bei unerträglichen oder gewaltbereiten Ehemännern ausharren. Nach einer Scheidung landen sie nicht mehr in Schande im Armenhaus oder wieder in der Abhängigkeit des Elternhauses, sondern können sich, falls notwendig, mit staatlichen Beiträgen über Wasser halten. Und letztlich ermöglicht die Altersvorsorge alleinstehenden Frauen, ihren Lebensabend in Würde und Unabhängigkeit zu verbringen.
Familienplanung
Schließlich führte die Empfängnisverhütung mit der Erfindung der Pille in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts zum sogenannten Pillenknick. Früher war man zur Mutterschaft berufen oder gar verurteilt. Zahlreiche Schwangerschaften zehrten an den Kräften der Mütter und führten allzu oft bei mageren finanziellen Verhältnissen zur Vernachlässigung von Kindern. Die Frauen hatten keine Wahl und waren den natürlichen Gegebenheiten der Fruchtbarkeit hilflos ausgeliefert.
Meine Mutter hat dies noch eindrücklich erlebt. Pünktlich neun Monate nach der Hochzeit wiegte sie ihren ersten Sohn im Arm und dann folgten im Jahrestakt zwei Töchter. Als ich ein Jahr darauf als Nummer vier zur Welt kam, wurde meiner Mutter klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Deshalb ging sie zum Pfarrer und nicht etwa zum Arzt und bat um einen seelsorgerlichen Rat. Tatsächlich hielt sich der Kindersegen dann in Grenzen: Kind Nummer fünf meldete sich erst zwei Jahre später und im Abstand von drei und nachher vier Jahren war unser Siebnerteam perfekt. Viel später fanden wir beim Spielen im Nachttisch meines Vaters so eigenartige längliche Dinger, die sich sogar aufblasen ließen … Anscheinend