Entspannt Mutter sein. Annemarie Pfeifer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annemarie Pfeifer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783961223190
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passiert dies gar nicht so selten. In einem bewegenden Artikel wies die bekannte Zeitschrift Psychologie heute schon vor Jahren auf das Thema des sogenannten Mother-Blamings hin. Unter der Überschrift „Ich bin doch nur Mutter“ beschrieb die Autorin, wie die tiefenpsychologische Forschung über Jahrzehnte hinweg die Mütter als Ursache kindlicher Störungen beschrieben habe. Diese Lehrmeinung hat sie treffend in die folgenden Worte gefasst: „Was Mütter auch tun und lassen – sie scheinen auf alle Fälle alles falsch zu machen. Die Gesellschaft und auch die Psychologie haben mit Schuldzuweisungen niemals gegeizt. Sie haben die überbehütende Mutter, die vernachlässigende Mutter, die schizophrenogene Mutter ausgemacht, die immer schuldig ist, wenn es mit dem Nachwuchs Schwierigkeiten gibt.“2

      Dieser Schatten psychologischer Aufklärung schwebt noch immer über uns Müttern. Zu Unrecht, wie wir später sehen werden.

      Es ist absurd – Mütter fühlen sich viel zu oft schuldig, obwohl sie keinerlei Schuld auf sich geladen haben. Eine Freundin schilderte mir einmal eine dafür typische Situation:

      „Den ganzen Abend waren meine beiden Teenies zickig. Beim Abendessen beschwerten sie sich über den ‚schlechten Fraß‘, dann stritten sie unablässig, schließlich verlangte meine Tochter gegen neun Uhr von mir, dass ich so spät noch mit ihr für einen Test lernen solle, den sie bis dahin vergessen hatte. Als ich mich weigerte, beschwerte sie sich ungehalten, ich interessiere mich nicht für sie und kritisiere sie die ganze Zeit. Da ist mir der Kragen geplatzt, und ich habe wohl etwas laut ausgedrückt, dass ich nicht der Trottel der Familie sei, auf den alle einschlagen dürfen. Daraufhin wurde es still“, fuhr sie fort, „und alle schauten mich vorwurfsvoll an. Unglaublich, aber wahr: zuletzt war ich die Einzige, die sich schuldig fühlte! So kann es nicht weitergehen.“

      Bestimmt haben Sie auch schon genau dasselbe empfunden. Sie fühlten sich schuldig, obwohl es Ihre Kinder waren, die sich problematisch verhalten haben. Normalerweise muss man nur für sein eigenes Verhalten geradestehen, doch Kinder sind Meister darin, ihre Mutter mit Vorwürfen zu beeinflussen. Und wenn dann auch noch Tränen fließen, mag man erst recht nicht in die Rolle der hartherzigen Mutter schlüpfen, die ihrem armen Kind nie etwas gönnt. Wenn anscheinend alle Kinder schon mit acht Jahren ein Smartphone besitzen, kann ich dies meinem Kind nicht verweigern. Und wenn alle Jugendlichen (den Aussagen meiner Tochter zufolge) jederzeit und ohne Zeitlimit ausgehen dürfen, kann man nicht so altmodisch sein und diesen Spaß einschränken.

      Schuld und Schuldgefühle sind zwei unterschiedliche Empfindungen. Schuld ist die Folge einer falschen Handlung, der man sich stellen und die man bereinigen muss. Schulgefühle hingegen sind ein psychologischer Spannungszustand, der dann eintritt, wenn man die eigenen Ideale oder die Erwartungen anderer nicht erfüllt. Wenn man unter Schuldgefühlen leidet, bedeutet es nicht, dass man auch tatsächlich schuldig ist! Vielleicht haben Sie die eigenen Erwartungen an sich zu hoch gesteckt oder die anderen fordern Unmögliches von Ihnen. Wir werden später sehen, wie befreiend es ist, wenn man sich nicht von ungerechtfertigten Vorwürfen und Selbstvorwürfen niederdrücken lässt.

      Wie schuldig fühlt frau sich aber nun wirklich? Im Rahmen einer Umfrage unter 70 Müttern habe ich untersucht, wie sehr Mütter sich für das Verhalten ihrer Sprösslinge verantwortlich fühlen. Die Auswertung war ernüchternd. Nur eine Mutter war völlig frei von Schuldgefühlen – allerdings war ihr Kind erst drei Monate alt und ein pflegeleichtes Baby! Alle anderen fühlten sich mehr oder weniger schuldig und verantwortlich für die Fehler ihrer Kids. Das ist ungesund für alle Beteiligten! Wir werden später aufzeigen, wie Kinder zur Selbstverantwortung geführt werden können.

      Und wenn es Sie interessiert, wie hoch Ihr persönlicher Schuldgefühlindex ausfällt, können Sie dies mit dem folgenden Fragebogen leicht feststellen. Die aufgeführten 20 Situationen können so bewertet werden: sehr schuldig = 3 Punkte, mittel = 2 Punkte, etwas schuldig = 1 Punkt und gar nicht schuldig = 0 Punkte. Kreuzen Sie aber nur jene Bereiche an, die auf Ihre Kinder zutreffen. Ihr persönlicher „Schuldgefühlindex“ wird dann dadurch errechnet, dass Sie zuletzt alle Punkte zusammenzählen und die Summe durch die Anzahl der bewerteten Situationen teilen.

      Test zur Selbsteinschätzung von Schuldgefühlen


e-mail: [email protected]

Situation Schuldgefühle
Mein Kind … stark mittel wenig keine
1. schreit im Supermarkt
2. erbringt schlechte Schulleistungen
3. ist unhöflich
4. schlägt andere Kinder
5. ist unehrlich
6. ist ungehorsam in Gegenwart anderer
7. hat Schlafstörungen
8. ist zurückgezogen
9. hat Angstzustände
10. ist trotzig
11. übertritt das Gesetz
12. ist aggressiv
13. ist Bettnässer/in
14. ist faul und unordentlich
15. wendet sich vom Elternhaus ab
16. macht mir Vorwürfe