109th. Jessica Oheim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jessica Oheim
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741909
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er kein Gerichtsmediziner geworden war. Jim schien der aufgeschnittene Körper wenig zu stören, doch auf ein Räuspern von Anna hin deckte er Nancys Körper bis zum Hals ab.

      „Jim, das fragst du uns jedes Mal“, meinte Anna und stellte sich an die andere Seite der Liege, auf der Nancy Tanner lag. „Also, was hast du für uns?“

      „Ich erinnere mich nicht, euch angerufen und gesagt zu haben, dass ich etwas für euch hätte“, erwiderte der Gerichtsmediziner.

      Lächelnd schüttelte Anna den Kopf. Der Arzt war ein ziemlicher Theoretiker und ganz und gar nicht spontan. „Aber wir sind trotzdem hier, also, was hast du bisher herausgefunden?“

      Jim seufzte und nahm sein Klemmbrett zur Hand. Er setzte zu sprechen an, doch Sam unterbrach ihn, noch bevor er einen Ton herausgebracht hatte. „Aber bitte kein Fachchinesisch. Sag uns einfach, ob du weißt, was mit ihr passiert ist.“

      „Das hatte ich gerade vor“, rechtfertigte sich der Gerichtsmediziner leicht gekränkt, bevor er zum Wesentlichen kam. „Ihre Hände und ihre Füße waren gefesselt und sie war geknebelt.“

      „Woraus schließt du das?“, fragte Anna, die noch nicht sehr oft in der Gerichtsmedizin gewesen war.

      „An ihren Händen und Füßen habe ich Abschürfungen gefunden.“ Er legte sein Klemmbrett weg und zeigte auf die roten Striemen, die an den Armen sogar blutig waren.

      „Sie hat versucht, sich zu befreien“, mutmaßte Sam und Jim stimmte ihm zu.

      „Ja. Außerdem hat sie rote Striemen an den Wangen, an den Stellen, wo der Knebel gesessen hat. Ihre Hände und Füße waren nicht aneinander gefesselt. Sie war vermutlich an einen Stuhl gebunden, denn die Striemen würden anders verlaufen, wenn ihre Hände zusammengeknotet gewesen wären.“

      „Hast du etwas gefunden, das vom Täter stammen könnte?“, wollte Anna wissen.

      Jim nickte, drehte sich um und hob ein kleines Tütchen hoch, in dem sich Fasern befanden. „Die hier habe ich in einer der Wunden an ihrem rechten Arm entdeckt. Sie stammen allerdings nicht vom Täter, sondern von dem Seil, mit dem sie gefesselt war.“

      Sam nahm das Tütchen in die Hand und sah es sich an. „Die sehen aus, als würden sie von einem ganz gewöhnlichen Tau stammen, das man in jedem Baumarkt kaufen kann.“

      „Das vermute ich auch, doch mit Sicherheit kann ich das erst sagen, wenn die Forensik die Fasern untersucht hat.“

      „Hast du sonst noch etwas gefunden?“

      Jim schüttelte den Kopf.

      „Dann vielen Dank erst mal, meld dich, wenn du etwas Neues hast“, bedankte sich Sam bei dem Gerichtsmediziner und ging zur Tür.

      Anna folgte ihm, doch Jim rief ihnen hinterher: „Halt! Könntet ihr die Fasern mitnehmen und zur Forensik bringen? Dann muss ich nicht wieder meinen Praktikanten schicken, der erst in ein paar Stunden wieder auftauchen würde.“

      Anna drehte sich zu Jim um. „Ich glaube, das ist keine gute Idee. Die Forensiker sind momentan nicht gerade gut auf uns zu sprechen.“

      Jim runzelte die Stirn, doch noch bevor er die zwei Detectives zurückhalten konnte, hatten sie den Raum schon verlassen. Seufzend drehte er sich um und machte sich wieder an die Arbeit. Manchmal verstand er die Polizisten einfach nicht.

      „Aber was soll’s?“, dachte er und legte die Leber, die er Nancy gerade entnommen hatte, auf die Waage.

      „Wo soll ich das hinstellen?“, fragte Jims Praktikant, der soeben den Autopsieraum betreten hatte.

      Der Arzt drehte sich zu ihm um und erwiderte: „Stellen Sie es nach hinten.“

      Der Praktikant John Brown ließ den Karton auf den Boden nieder und gesellte sich dann zu Jim. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der wissbegierige junge Mann, der es kaum abwarten konnte, selbst an einer Leiche herumzuschnippeln.

      Jim war davon jedoch ganz und gar nicht begeistert, aber er konnte sich seine Praktikanten eben nicht immer aussuchen. „Äh ... nein, John. Aber Sie könnten diese Fasern in die Forensik bringen. Doch bitte beeilen Sie sich, denn das letzte Mal waren Sie fast drei Stunden unterwegs.“

      Mit genervtem Gesichtsausdruck nahm John das Tütchen entgegen und verließ die Gerichtsmedizin.

      „Hey, da seid ihr ja wieder“, begrüßte Sam Sophie und Lena, als sie im Büro ankamen. „Hattet ihr Glück in der Wohnung des Opfers?“

      „Außer einem Laptop und dem Handy, das sie unter ihrem Bett versteckt hatte, wirkt die Wohnung wie desinfiziert und sterilisiert“, erwiderte Sophie. „Die Techniker untersuchen Laptop und Handy gerade und die Spurensicherung durchsucht ihre Wohnung nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren, die der Täter möglicherweise hinterlassen hat.“

      „Ihr geht also davon aus, dass der Täter in ihrer Wohnung gewesen ist?“, fragte Sam.

      Sophie nickte. „Ja, wahrscheinlich hat er Beweise vernichtet.“

      „Oder Nancy war einfach ein sehr ordentliches Mädchen“, bemerkte Lena.

      „Genau. Habt ihr in der Gerichtsmedizin etwas Neues herausgefunden?“, wollte Sophie nun im Gegenzug wissen.

      „Außer dass Jim äußerst schreckhaft und überhaupt nicht spontan ist, meinst du?“, lachte Sam.

      Lena schüttelte den Kopf. „Jetzt lasst den Armen doch mal in Ruhe. Also, habt ihr etwas Hilfreiches herausgefunden?“, formulierte sie die Frage um.

      „Jim sagte, dass das Mädchen an Händen und Füßen gefesselt worden sei. Allerdings nicht aneinander, sondern an einen Stuhl oder etwas Ähnliches.“

      „Das leuchtet ein“, meinte Lena. „Damit sie sich nicht wehren konnte.“

      Sam nickte. „Außerdem ist sie geknebelt worden.“

      „Und Jim hat in einer Wunde an ihrem Handgelenk Fasern gefunden, die wahrscheinlich von dem Seil stammen, mit dem sie gefesselt worden ist“, fügte Anna hinzu.

      „Ach ja, dazu habe ich noch eine Frage“, meinte Sophie. „Ich war gerade in der Forensik, um mich zu erkundigen, ob sie schon etwas gefunden haben. Sie beschwerten sich darüber, dass zwei meiner Detectives sie von ihrer Arbeit abgehalten hätten.“ Sie warf Anna und Sam einen fragenden Blick zu.

      Anna verteidigte sich sofort: „Das war definitiv nicht meine Schuld.“

      Ihr Kollege nickte zerknirscht. „Ja, das geht alles auf meine Kappe. Aber du hast zu mir gesagt, ich solle denen auf die Füße treten.“

      „Aber du solltest sie doch nicht von ihrer Arbeit abhalten“, kommentierte Sophie mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie hatte genau gewusst, dass so etwas dabei rauskommen würde, wenn sie Sam eine solche Anweisung gab. Aber immerhin hatte er ihnen ein wenig Druck gemacht, sodass sie jetzt hoffentlich schneller arbeiten würden. „Ist schon in Ordnung, aber nächstes Mal solltest du ein wenig besser aufpassen“, meinte Sophie.

      Daraufhin ergriff Lena das Wort. „Die Forensiker werden die Ergebnisse der Untersuchungen erst morgen haben.“

      „Und die Techniker werden mit den Analysen auch erst morgen Nachmittag fertig sein“, fügte Sam hinzu und Sophie wusste genau, worauf die beiden hinauswollten.

      Doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, stellte Anna fest: „Und wir haben in letzter Zeit wirklich viele Überstunden gemacht.“

      Die Teamleiterin verdrehte die Augen und meinte: „Es ist eine junge Frau ermordet worden und das Einzige, was ihr im Kopf habt, ist euer Feierabend?“

      „Immerhin ist es schon fünf Uhr und in einer Stunde hätten wir ohnehin Feierabend“, meinte Sam mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.

      „Na gut, aber das ist eine absolute Ausnahme“, grummelte Sophie und