109th. Jessica Oheim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jessica Oheim
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741909
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meinte Sophie. „Wenn die Krause-Geschwister etwas damit zu tun hätten, hätten sie einen Auftragskiller engagiert, der Richard Tanner tötet. Und das hätte er sicher auf eine etwas einfachere Art getan.“

      „Fährst du zu ihren Eltern?“, fragte Lena.

      Sophie nickte. „Ja. Begleitest du mich?“

      „Natürlich.“

      Das war für die beiden der schlimmste Teil ihres Jobs. Den Eltern eines Opfers beibringen zu müssen, was mit ihrem Kind passiert war. Denn in diesen Moment brach für ebenjene Familie eine Welt zusammen, die nie wieder heil sein würde. Doch auch das gehörte zum Job eines Polizisten. Also nahmen Sophie und Lena ihre Jacken und verließen das Großraumbüro.

      ***

      „Unser aufrichtiges Beileid zu Ihrem Verlust“, begann Sophie mitfühlend, als sie Nancys Eltern gegenübersaß.

      „W...was ... was ist passiert?“, stotterte Mrs Tanner.

      Lena sah Sophie an und nickte ihr zu. „Wir haben Ihre Tochter heute Morgen tot im Kissena Park nahe dem See aufgefunden“, erklärte Sophie.

      Dass ihre Tochter tot war, wussten Richard und Claudia schon, doch jetzt ging es darum, ihnen die grausamen Umstände ihres Todes mitzuteilen.

      „Was hat sie denn dort gemacht?“, wollte der Vater wissen.

      „Wir nehmen an, dass sie woanders getötet und dann dort abgelegt worden ist.“

      „Wie ist sie gestorben?“, fragte Richard Tanner und konnte seine Tränen nur mit Mühe zurückhalten. „Ich meine, hat sie gelitten?“

      „Leider müssen wir davon ausgehen, dass sie sehr gelitten hat. Ihre Tochter starb aufgrund zahlreicher Stich- und Schnittwunden, die ihr innerhalb der letzten drei Tage zugefügt worden sind.“

      Claudia Tanner schluchzte auf, woraufhin ihr Mann sie tröstend in den Arm nahm. Sophie mochte sich gar nicht vorstellen, was Nancys Eltern gerade durchmachten.

      „So leid es uns tut, wir müssen Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen“, sprach Lena behutsam weiter und sah das Ehepaar mitfühlend an.

      Richard Tanner nickte. „Natürlich.“

      „Hat sich Ihre Tochter irgendwie merkwürdig verhalten, bevor sie verschwunden ist?“

      „Nein ... nein. Sie verhielt sich ganz normal“, schluchzte Claudia Tanner und vergrub den Kopf im Jackett ihres Mannes. „Sie werden den Kerl finden, der ihr das angetan hat, oder?“

      „Wir tun unser Bestes“, antwortete Sophie. Auch wenn sie den Eltern nichts versprechen konnte, so wusste sie doch genauso gut wie Lena, dass sie wirklich alles versuchen würden, um den Mörder dieses unschuldigen Mädchens zu fassen.

      „Mr Tanner, hatte Ihre Tochter irgendwelche Geldprobleme?“, fragte Lena.

      Richard Tanner runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Sie hat ein großzügiges Taschengeld von uns bekommen, und wenn sie mehr Geld gebraucht hätte, dann hätte sie uns einfach fragen können. Wieso, ist das wichtig?“

      Sophie reichte ihm ein Foto, das die Spurensicherung von den Münzen gemacht hatte. „Die haben wir auf den Augen Ihrer Tochter gefunden.“

      Während Mr Tanner nach dem Foto griff, blickte seine Frau gar nicht erst hin, sondern vergrub ihr Gesicht nur noch tiefer im Jackett ihres Mannes.

      „Sie haben zwei Münzen auf den Augen unserer Tochter gefunden?“, fragte Richard Tanner verwirrt.

      „Ja. Wissen Sie vielleicht, was das bedeuten könnte?“

      Der Mann schüttelte den Kopf.

      „Hatte Ihre Tochter denn einen festen Freund?“, wollte Lena nun wissen.

      „Nein, das hätte sie uns erzählt.“

      Lena nickte und notierte sich das. Dann fuhr sie fort: „Hatte Nancy irgendwelche Probleme in der Schule oder Streit mit irgendjemandem?“

      „Einen Tag bevor sie verschwunden ist, habe ich mich mit ihr gestritten. Und ich kann ihr noch nicht einmal sagen, dass es mir leidtut“, schluchzte Claudia Tanner, der die Tränen in Strömen über die Wangen liefen.

      Sophie sah kurz zu Lena hinüber, die betroffen den Kopf senkte. Das zeigte den beiden einmal mehr, wie vergänglich und kurz das Leben doch war. Keiner wusste, wann seine Zeit abgelaufen war. Man musste jeden Tag damit rechnen, dass es der letzte sein könnte.

      „In der Schule hatte sie keinerlei Probleme, im Gegenteil“, fuhr Mr Tanner fort. „Sie war sehr beliebt und gehörte zu den Besten ihres Jahrgangs. Sie hat sich sogar schon Gedanken darüber gemacht, auf welches College sie mal gehen wollte.“ Jetzt konnte auch er seine Tränen nicht mehr zurückhalten und senkte den Kopf.

      „Mr Tanner, eine Frage bliebe da noch.“ Sophie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach. „Ist es möglich, dass die Krause-Geschwister in diese Sache verwickelt sind?“

      Ruckartig hob der Mann den Kopf. „Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich am Tod meiner Tochter schuld bin?“

      „Nein, natürlich nicht. Wir wollen nur nichts übersehen oder übergehen, damit wir den Täter bald hinter Gitter bringen können.“

      „Ich habe fast zwei Jahre undercover ermittelt, aber die Geschwister haben nie davon erfahren, dass ich ein Cop bin. Zwei Jahre habe ich versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen, doch sie haben mich nie an sich herangelassen. Also wurde die Operation abgebrochen und mein fiktives Undercover-Ich starb.“

      Sophie nickte. Sie sah Lena an und diese schüttelte den Kopf. Auch sie hatte keine weiteren Fragen mehr. „Vielen Dank, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben, Mr und Mrs Tanner“, meinte Sophie abschließend und stand auf. Lena und Nancys Eltern taten es ihr gleich. „Ein Officer wird vor der Tür auf Sie warten und Sie, wenn Sie bereit sind, in die Gerichtsmedizin fahren, damit Sie von Ihrer Tochter Abschied nehmen und Sie identifizieren können.“ Nancys Eltern nickten und Sophie verließ mit Lena das Haus.

      Die ganze Fahrt zurück zum Revier schwiegen sie.

      ***

      „Alles in Ordnung?“, fragte ich meine Schwester, als sie mit Lena das Büro betrat. Sie sahen beide ziemlich mitgenommen aus.

      „So eine Befragung ist nie einfach“, war Sophies einziger Kommentar. Vermutlich hatte sie recht, aber ich konnte das nicht beurteilen. Ich musste noch nie eine solche Befragung durchführen, jedenfalls nicht so kurz nach dem Tod eines Angehörigen. Und ich musste zugeben, dass ich sehr froh darüber war. „Was habt ihr in der Zwischenzeit herausgefunden?“, fragte Lena und stellte sich neben Sophie.

      „Das Opfer Nancy Tanner verschwand vor drei Tagen. Sie kam nicht von ihrer Orchesterprobe nach Hause und ihre Eltern haben sie umgehend als vermisst gemeldet. Sie sagten, dass ihre Tochter niemals zu spät käme, ohne sich zu melden. Und offensichtlich hatten sie damit recht“, meinte Sam und machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort: „Nancy Tanner hatte keinerlei Vorstrafen und ist auch sonst nie negativ aufgefallen. Ihre Noten liegen weit über dem Durchschnitt und nichts deutet auf finanzielle Probleme hin.“

      „Woran macht ihr das fest?“, wollte Sophie wissen.

      „Nancy Tanner hatte ein Kreditkonto.“

      „Sie war doch erst 16!“, warf Lena ein.

      Ich nickte. „Ja, aber ihre Eltern wollten, dass sie den Umgang mit Geld lernt, und haben ihr deshalb ein Konto eingerichtet. Da ihr das Mädchen mit den Münzen auf den Augen gefunden habt, hatten wir einen begründeten Verdacht, dass etwas mit ihren Finanzen nicht stimmen könnte, und ich habe Richter James angerufen.“

      „Du hast so schnell einen richterlichen Beschluss dafür bekommen, dass wir ihre Kontoauszüge einsehen dürfen?“, staunte meine