»Geld? Kinder bringen wir, nichts weiter.«
»Na und? Durch die Kinder bekomme ich Geld. Und er profitiert davon.«
Ed zog die Schultern hoch.
»Ich habe kein gutes Gefühl dabei, Hal. Cassedy ist ein Mann, und…«
Halbom Chester richtete sich auf.
»Und?«
Da gaben die Nerven des jüngeren Chester nach, und er brüllte den Bruder unbeherrscht an: »Und? Was und, Hal! Wir sind Burschen, Jünglinge! Ich – und du auch!«
»Na, ’n Schuljunge bin ich ja wohl nicht mehr. Werd’ nur nicht komisch, Ed!«
»Ich bin nicht komisch. Wir sind noch junge Burschen, wenn wir vielleicht auch nicht mehr so aussehen. Aber wir haben nicht die Erfahrung, die ein Mann hat! Ich weiß es. Denk doch an Ginger, er ist fünfunddreißig, denke ich – er ist ein Mann! Alverson ist auch über dreißig. Martinez ist vierzig, Malmquist vierundvierzig und Jesse Oakland auch. Das sind Männer, Männer wie Jack Cassedy. Wir sind noch keine Männer. Du weißt genau, daß in New Mexico kein Rancher einen Mann als Cowboy nimmt, der nicht seine einundzwanzig Jahre hinter sich hat. Billy Brown hatte sich zwei Jahre älter gemacht, und als es rauskam, flog er.«
»Was soll das alles?« knurrte Hal unwillig.
»Du verstehst mich schon. Wir sind noch nicht alt genug, Hal, wir sind keine Partner für Männer wie Cassedy.«
»Ich schon.«
»Tu, was du willst!« brummte Ed und nahm die Zügelleinen auf.
Der Treck zog weiter.
Am späten Nachmittag machten sie bei einer Quelle Rast und bereiteten ein karges Mahl.
Ed sorgte dafür, daß der Verletzte und die Kinder zu essen bekamen.
Und immer lagen noch über zehn Meilen vor ihnen bis zu der kleinen Stadt, in der der Führer der Sands, Jack Cassedy, wohnte.
Frank lag apathisch auf seinem Lager und starrte gegen die zitternde Plane des rumpelnden und schaukelnden Wagens.
Mit dem Sinken des Tages ging es ihm schlechter und schlechter.
»Ed«, keuchte er plötzlich.
Das kleine Mädchen, das ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte, stieß Edward an.
»Onkel Ed!«
Ed erschrak. Das Kind wußte seinen Namen, würde ihn wiedererkennen.
»Onkel Ed, Onkel Frank will etwas!«
Das hatte der kleine Junge gesagt. Also auch er wußte jetzt seinen Namen.
Ed griff sich mit der Linken unwillkührlich an die Kehle und dachte an die Worte, die der Bruder ihm vorhin, als er gefesselt am Boden lag, zugerufen hatte: Dann gibt es einen Knacks und…
Er wandte sich nach Macirian um.
»Was gibt es?«
Der Verletzte blickte ihn aus fiebrigen Augen an.
»Kannst du mir nicht die verdammte Kugel herausnehmen, Ed?«
Ed schüttelte den Kopf.
»Nein, Frank, das kann ich nicht! Hal…, er hat es schon einmal gemacht, bei Larry Vaugham damals, er war erst sechzehn.«
»Hal… wird es niemals tun.«
»Das befürchte ich auch.«
»Wo wollen wir noch hin?«
»Es ist nicht mehr weit, Frank. Nach Garcia, einer kleinen Stadt an einem See. Da wohnt ein Freund von uns… Ich meine von Hal.«
»Cassedy?«
Ed blickte Macirian verdutzt an.
»Kennst du ihn?«
»Nein, nur dem Namen nach. Aber ich habe es vorhin gehört, als Hal davon gesprochen hat. Mit einem solchen Banditen also wollt ihr zusammenarbeiten?«
»Ihr?« fragte Ed und blickte düster vor sich hin. »Hal will es.«
»Und mußt du alles tun, was Hal will?«
Darauf wußte der jüngere Chester keine Antwort.
Und der Treck ging weiter.
Bis Edward hinter sich die Stimme des Verletzten hörte: »Wenn ich sterbe, Ed, ist es deine Kugel gewesen. Und es gibt dann nur einen Menschen auf der Welt, der das beweisen kann, dein Bruder Hal.«
Mit einem Ruck hielt Ed die Pferde an.
Der Wagen kam zum Stehen. Hinten stieß die Deichsel des nachfolgenden Gefährts auf und schob den Wagen noch ein Stück weiter.
»Hal!«
Der erste Wagen hielt schwerfällig an.
Halbom sprang vom Kutschbock, den Revolver in der Rechten und die Winchester in der Linken.
Als er sah, daß es keinen Grund zum Eingreifen gab, schob er das Gewehr wieder aufs Bodenbrett zurück.
»Weshalb hältst du an, Ed?«
»Weil du etwas tun mußt.«
»Ich?«
»Du mußt Frank die Kugel aus der Schulter holen.«
»Bist du verrückt, Mensch?« Halbom hatte den Kopf auf die Seite gelegt und sah den Bruder aus schmalen Augenspalten an. »Was geht mich dieser Bursche an, dieser gemeine Verräter!«
»Hal, so darfst du nicht sprechen. Er glaubte, er sei im Recht, als er uns angriff. Und er war auch im Recht.«
Die Augenspalten Halboms wurden noch schmaler und schärfer.
»Was faselst du da?«
»Es geht um sein Leben, Hal. Ich bitte dich, hol die Kugel heraus! Ich kann es nicht, das weißt du. Unter meinen Händen würde es womöglich noch schlimmer.«
Da ging ein teuflisches Blitzen über das Gesicht des Verbrechers.
»Well, es ist gut. Ich werde es tun, aber nur, damit du endlich Ruhe gibst.«
Die Kinder wurden auf den ersten Wagen gebracht. Hal und Ed schleppten Frank auf die Straße, wo sie ihn auf eine Decke legten.
Dann kniete Hal nieder und beugte sich über den Arizonamann.
Er sah es sofort: Es war keine tödliche Verletzung, die Frank davongetragen hatte.
Langsam nahm er sei Messer aus dem Halfter und hielt ein Zündholz an dessen Spitze, wie er es unzählige Male bei Noteingriffen gesehen hatte.
Plötzlich stieg Ed heiße Angst in die Kehle.
Wie nun, wenn Hal jetzt die Gelegenheit wahrnehmen würde…
Niemand könnte ihm etwas beweisen. Hal würde im Gegenteil ein ganzes Leben lang sagen: Ed, sei still, du bist ein Mörder!
Da schnellte Ed vor, riß dem Bruder den Colt aus dem Halfter, zog seinen eigenen dazu und spannte beide Hähne.
Hal starrte entgeistert zu ihm auf – und sah in ein kristallklares, hartes Augenpaar, aus dem ihm plötzlich tödliche Entschlossenheit entgegenblickte.
Er schüttelte den Kopf und meinte böse lächelnd: »Du machst dich, Brother, du machst dich.«
Schwerer Schweiß stand dem Verletzten auf der Stirn, während sein größter Feind, bewacht von zwei entsicherten Revolvern in den Händen des Bruders ihm die Kugel herausschnitt.
Es zeigte sich, daß Halbom Chester tatsächlich etwas von dieser Sache verstand.
Als blutjunger Knabe hatte er schon bei Doc Hattersfields daheim in Morton stets zugesehen, wie der Arzt verformte Bleigeschosse aus den Körpern der Männer holte, die beschossen worden waren.
»Bleierne